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Bundesämter immer noch nicht auf dem Stand der Technik

Ein Bewertungsschema mit Punktevergabe soll den Bau von Hochspannungs-Freileitungen weiterhin ermöglichen.

Die Bundesämter BAFU (Bundesamt für Umwelt), ARE (Amt für Raumordnung und Entwicklung und BFE (Bundesamt für Energie) haben aus dem Debakel mit der Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg scheinbar nichts gelernt. Bekanntlich mussten die Bernischen Kraftwerke und Swissgrid 9 Jahre Planungsarbeit und weitere 9 Jahre gigantische Juristerei als Altpapier entsorgen und auf Geheiss des Bundesgerichtes für 23 von 33km an Stelle einer Freileitung eine  Bodenverlegung planen.

Anstatt logische Konsequenzen zu ziehen, wollen die Bundesämter weiterhin Freileitungen über die Köpfe der betroffenen Bevölkerung hinweg planen. Anstatt auf den Stand der Technik, das heisst auf Erdverlegung von Hochspannungsleitungen umzuschwenken, wird einmal mehr versucht, die betroffene Bevölkerung auszutricksen und zu entrechten.  Dies mit einem Bewertungsschema mit Punktevergabe entweder pro Freileitung oder pro Erdverlegung.  

von Hans-U. Jakob,

Schwarzenburg, 6.7.2013

Das neue Bewertungsschema ist zwar wesentlich einfacher in der Handhabung und auch für Otto Normalbürger besser verständlich als das Vorläufermodell einer Arbeitsgruppe von 2008, weist aber trotzdem immer noch schwerwiegende Mängel mit folgenden Schwachpunkten auf.


Baar_03.JPGDie betroffene Bevölkerung besitzt nach wie vor kein Mitspracherecht
.


Laut dem 35-Seitigen (!) Handbuch zum Bewertungsschema stehen in der Begleitgruppe der Anwender, bestehend aus dem ARE, dem BAFU, dem BFE, dem EStI, dem BAV und der Swissgrid nur 1 Verteter einer nationalen und 1 Vertreter einer lokalen Umweltorganisation gegenüber.

Erfahrungsgemäss vertreten die nationalen Umweltorganisationen die Anwohner schlecht bis gar nicht. Das heisst, diese gehen laufend Kompromisse ein, weil ihnen von den Projektierenden Biotope und andere Wünsche finanziert werden, die den Anwohnern in der Regel nichts nützen.

Somit beträgt das Stimmenverhältnis bestenfalls 7:1. Wenn die Bundesämter je 2 Vertreter delegieren, sogar 13:1.

Fazit: Diese Pseudovertretung ist eine reine Alibiübung. Anwohner sollten in gleichem Verhältnis vertreten sein wie die Bundesämter zusammen mit Swissgrid.

Die Bündelung mit bestehenden und geplanten Infrastrukturen

Bündelung mit Autobahnen, Eisenbahnlinien JA. Die Bündelung mehrerer Hochspannungsleitungen auf den selben Masten eher NEIN. Denn dies führt zu wahren Monstermasten bis 120m Höhe, welche erfahrungsgemäss

1.) Die Landschaft weit mehr verschandeln als mehrere  Hochspannungsleitungen von nur 30m Höhe die in einem genügenden  seitlichen Abstand zueinander liegen.  

2.) Die Versorgungssicherheit sehr stark reduzieren. Denn bei einem Schaden an einem einzigen Mast, fallen sowohl die nationale, wie die regionale, wie die örtliche Versorgung gleichzeitig aus.

3) Bei einer solchen Bündelung eine Bodenverkabelung wegen der enormen Magnetfelder und dem grossen Platzbedarf sehr stark erschwert, bis verunmöglicht wird. Der Bündelung von Infrastrukturen wird eine viel zu hohe Punktezahl zugestanden.

Schonung des Siedlungsraumes

Die Behauptung, eine Bodenverkabelung unter einer Strasse könne die Immissionsgrenzwerte des Magnetfeldes von 100Mikrotesla im öffentlichen Raum übersteigen, ist unzutreffend. Das ist physikalisch gar nicht möglich. Und wenn, dann wäre eine Abschirmung mittels Blechkanälen oder Blechabdeckungen möglich. Hier Pluspunkte für eine Freileitung zu vergeben, ist unrealistisch.

Das Bewertungsschema ist punkto Bodenverkabelung nicht auf dem Stand der Technik.

So sollen an folgenden Orten Bodenverkabelungen verboten werden:

1) Im Wald

2) Trockenwiesen

3) Auen

4) Wasser- und Zugvogelreservate

5) Bei Verlust von Fruchtfolgeflächen

Würde diesen Verboten nachgelebt, könnte eine Bodenverkabelung nirgendwo stattfinden, was natürlich ganz im Sinne der Netzbetreiber wäre.

Zu 1) und 2) Wald und Trockenwiesen:

Hier wird schlicht ausser Acht gelassen, dass der unterirdische Pressvorschub im Leitungsbau heute Stand der Technik ist. Mit diesem Verfahren können Waldgebiete und Trockenwiesen sauber unterfahren werden, ohne auf der Erdoberfläche nur den geringsten Schaden anzurichten.

Zudem ist bei Tagbau der Rohrblock einer Hochspannungsleitung nicht breiter als eine Walderschliessungsstrasse und es kann beidseitig wieder aufgeforstet werden. Die Stromleiter dürfen dabei jedoch nicht alle  nebeneinander verlegt werden. Sondern in einer Anordnung im Drei- oder Sechseck. Und Trockenwiesen können soweit renaturiert werden, dass nach 3 Jahren kein Schaden mehr sichtbar ist.

Zu 3) und 4) Auen, Wasser- und Zugvogelreservate:

Hier wird es auch keinem vernünftigen Planer einfallen, eine Hochspannungsleitung hindurchziehen zu wollen. Boden-Verkabelungen können jedoch, falls diese Gebiete nicht zu umfahren sind, im Pressvorschub bewältigt werden. Bedingung: Es muss vom Wasserstand her soweit möglich sein, dass bei Hochwasser der Kabelstollen nicht geflutet wird.

Zu 5) Verlust von Fruchtfolgeflächen:

Bei vernünftiger Bodenverlegung entsteht keinerlei Verlust an Fruchtfolgeflächen. Bedingung ist:

-1m Überdeckung des Rohrblocks mit Humus

– Genügend grosse Leiterquerschnitte, um die Erwärmung des Bodens in vernünftigen Grenzen zu halten. Das heisst, nicht über 1°C

– Ev. Wärmerückgewinnung mit Kühlwasserleitungen.

Zum Legitimations-Perimeter für Einsprecher

Der sogenannte Legitimationsperimeter wurde vom BAFU erstmals im Entwurf zur Erprobung einer Vollzugshilfe zur NISV im Juni 2007 vorgestellt. Dieser Perimeter hat keine genügende Rechtsgrundlage und ist als reine Erfindung des BAFU zu werten, zu welcher das Bundesgericht noch nie Stellung bezogen hat.

Für 88m hohe Maste ist natürlich ein Legitimationsperimeter von nur 94m ab Leitungsachse, wie ihn das BAFU für Leitungen mit 2x1500Ampère vorschlägt, völlig absurd. Das BAFU nimmt willkürlich den 1 Mikrotesla-Magnetfeldradius von 47m und verdoppelt diesen dann.

Wenn wir die Bundesgerichtspraxis bei Mobilfunk-Sendemasten nehmen, so ist die Einspracheberechtigung dort 10% vom Anlagegrenzwert bei worst  Case, das heisst bei einem Radius von 0.5V/m. (Volt pro Meter)

Wenn wir 10% Anlagegrenzwert bei Worst-Case unserer obigen Hochspannungsleitung nehmen, das heisst 0.1Mikrotesla, kommen wir

auf mindestens je 280m links und rechts ab Leitungsachse. Worst-Case heisst, Leitung unter Volllast im gegenläufigen Betrieb, nicht Phasen-optimiert. Es kann bei EM-Belastung nicht zweierlei Recht angewendet werden.

FAZIT: Gegen das neue Beurteilungsschema muss Beschwerde geführt werden.

Interessante Links zur Vorgeschichte:

/die-strombarone-motzen/  /fehlstart-bei-swissgrid/

/hochspannunsleitung-wattenwil-muehleberg/  /230000volt-hochspannungsleitung-wattenwil-muehleberg-das-urteil/

/sortierung-der-truemmer/  /auslaufmodell-hochspannungs-freileitung/

/der-irrtum-der-strategiegruppe/  /bkw-direktion-und-regierungsstatthalter-manoeverieren-sich-ins-abseits/

Besonders wichtig: Hochspannungsleitungen und Krebs unter /hochspannungsleitungen-und-krebs-1659/

Von Hans-U. Jakob

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