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Fehlstart bei Swissgrid

Wegen dem dringend benötigten Netzausbau im schweizerischen Höchstspannungsnetz möchte Swissgrid die Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht abschaffen

Von Hans-U. Jakob

Schwarzenburg, 4.6.2013

Das Schweizerische Höchstspannungsnetz ist veraltet. Teilweise bis 70 Jahre alt und oft in einem bedenklichen Zustand. Die Transportkapazitäten sind längstens zu klein geworden und wegen der Energiewende befindet sich das Netz oft am falschen Ort. Das sind Fakten die niemand bestreitet




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Bild oben: Leitung Wattenwil-Mühleberg heute. Die neuen Masten wären 20-60m höher geworden



Swissgrid, die neu für das Schweizerische Höchstspannungsnetz verantwortliche Unternehmung, beklagt sich zur Zeit in den Medien bitter über die langen Verfahrensdauern welche in Extremfällen bis und mit Bundesgericht bis 30 Jahre dauern können. Swissgrid möchte deshalb bei der Erneuerung und Neuerstellung von Höchstspannungsleitungen für Einsprecher und Beschwerdeführer den Gang an das Bundesgericht abschaffen und den betroffenen Anwohnern weitere Schwierigkeiten bereiten.

Abschaffen JA, aber sicher nicht den Gang an das Bundesgericht!

Als Beispiel, was abgeschafft werden müsste, um die Verfahrensdauern wirkungsvoll zu verkürzen, sei hier anhand der dringend erneuerungsbedürftigen, 70-jährigen Hochspannungsleitung von Wattenwil nach Mühleberg dargelegt.

Hier wurden 9 Jahre geplant, dann weitere 9 Jahre gegen die Anwohner prozessiert. Mit dem Ergebnis, dass nach 18 Jahren vom Bundesgericht den Anträgen der Beschwerdeführenden stattgegeben wurde. Das heisst, die Plangenehmigung für die ganzen 33km wurde aufgehoben und für mindestens 23 zusammenhängende Kilometer eine Planung mit Erdverlegung verfügt. Die Plangenehmigung für die ganzen 33km wurde deshalb aufgehoben, weil das Bundesgericht zum Schluss kam, dass sich die bisherige Freileitungstrasse für eine Erdverlegung nicht eigne und deshalb eine komplett neue Linienführung gesucht werden müsse. Siehe Bundesgerichtsurteil 1C_129/2012

Schuld an diesem Riesendebakel waren weder die beschwerdeführenden Anwohner, noch deren Sachverständiger, sondern die Projektanten selbst und die sie unterstützenden 27 kantonalen und 3 Bundesämter

Die Ersteller des Umweltverträglichkeitsberichts hatten dermassen gemogelt, dass das Projekt in 7 Gemeinden 2 mal neu aufgelegt, das heisst, insgesamt 3mal ausgeschrieben werden musste. Jedes mal mit neuen Einsprachefristen und neuen Einsprachen im Schlepptau. Umweltverträglichkeitsberichte werden nicht etwa von einer Behörde verfasst, sondern von Privatfirmen im Auftrag der Leitungsbetreiber. Diese Privatfirmen sind natürlich immer darauf aus, ihren Auftraggebern dienlich zu sein, ansonsten sie auf Nachfolgeaufträge glatt verzichten können.

Dieses System ist krank. Ersteller von Umweltverträglichkeitsberichten haben nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Anwohner für dumm zu verkaufen oder keine Nachfolgeaufträge mehr zu erhalten. Fazit: Abschaffen oder neu regeln

Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission, ist eine beim Bundesamt für Umwelt beheimatete Kommission, bestehend aus Landschaftsarchitekten, Geografen, Geologen und Rechtsanwälten, grösstenteils mit eigenen Firmen oder zumindest im Kader von Firmen, die auf Aufträge aus der Elektrowirtschaft dringend angewiesen sind. Die beissen nie die Hand, welche sie füttert.

Im Fall Wattenwil-Mühleberg hat diese Kommission bis vor Bundesgericht an ihrem Falschgutachten festgehalten, das davon ausging, dass die Leitungsmasten nur unmerklich erhöht würden, so um 2 bis 6Meter. In den Ausführungsplänen der Bernischen Kraftwerke waren es dann 20 bis 60Meter. Weiter wurde dieser Kommission von den Beschwerdeführenden, resp. ihrem Sachverständigen einwandfrei nachgewiesen, dass diese 14 klugen Köpfe das 33km lange Gelände gar nie besichtigt hatten, was dann schlussendlich vor Bundesgericht auch zugegeben wurde.

Fazit: Abschaffen oder Kommissionsmitglieder auswechseln.

Die kantonalen Ämter. Das Projekt musste von insgesamt 27 kantonalen Amtsstellen abgesegnet werden. Keine dieser Amtsstellen verfügt über die nötigen Fachleute. Weder in Fragen von Hochspannungs-Freileitungen, noch in Fragen von deren Bodenverkabelungen und schon gar nicht im medizinischen Bereich. Was diese Ämter jedoch nicht davon abhielt, in einem Umfang von gesamthaft 150 Seiten, ihren Senf dazu zu geben. Diese Berichte mussten natürlich alle gelesen und nicht nur von den Projektanten, sondern auch noch von den  Beschwerdeführenden resp. ihrem Sachverständigen entsprechend korrigiert werden.

Fazit: Kantonale Ämter ohne Fachleute im Leitungsbau vom Verfahren ausschliessen

Die Bundesämter verteidigten die Interessen der Bernischen Kraftwerke weitaus besser als die 68 von diesen engagierten Anwälte. Die BKW hätte sich die Kosten von Fr. 120‘000 für diese Kavallerie deshalb sparen können. Denn wenn Anwälte statt Fachleute eine Hochspannungsleitung planen, kommt dabei fast ausschliesslich nur noch höherer technischer Blödsinn heraus. Für die Beschwerdeführenden, resp. deren Sachverständiger war es nicht allzu schwierig, den anwaltlichen Unfug erfolgreich zu kontern. Lediglich sehr zeitaufwändig weil äusserst umfangreich. (Aktenberg von 22 Bundesordnern)

Das Selbe gilt auch für die Bundesämter BFE (Bundesamt für Energie) BAFU (Bundesamt für Umwelt) und ARE (Amt für Raumplanung und Entwicklung) die stets Juristen und Juristinnen statt Ingenieure an die Front schickten.

Besonders hervorgetan hat sich die federführende Juristin des Bundesamtes für Energie, die wohl im Stande war, sämtliche völlig veralteten Bundesgerichtsurteile bis ins Jahr 1953 zurück auswendig zu zitieren, dafür vom heutigen Stand der Technik in Sachen Bodenverkabelung von Hochspannungsleitungen und von medizinischen Belangen so gut wie nichts verstand.  Was sie dagegen sehr gut verstand, war die Pflege ihrer Karriere und das Schikanieren der Beschwerdeführenden.

Nur als Beispiel sei die von ihr geführte zweitinstanzliche Einspracheverhandlung vom 10.6.08 in der Mehrzweckhalle von Gurzelen aufgeführt. Gurzelen wurde wohl ausgewählt, weil es zum entlegensten Örtchen in der Region zählt und mit dem öffentlichen Verkehr nicht erreichbar ist. Die Töff-Lady erklärte dem Hauswart bereits vor Beginn der Verhandlung um 9.30 Uhr, dass sie diese spätestens um 11.30 Uhr zu beenden gedenke, weil sie für den Nachmittag einen Motorrad-Ausflug geplant habe.

Die Vertreter der Bernischen Kraftwerke konnte in der Folge ihre ausgiebige Präsentation über den PC und den Beamer der Bundesämter laufen lassen, während dem Sachverständigen der Anwohner, welcher über 300 Einzeleinsprecher zu vertreten hatte, die Vorführung einer Power-Point-Präsentation und der Gebrauch eines eigenen Beamers untersagt wurde, da ihm sowieso nur 5 Minuten Redezeit zugesprochen würden.

Nur die Androhung der versammelten Beschwerdeführenden, die Verhandlung platzen zu lassen und den Saal zu verlassen, konnte einen widerwilligen Stimmungsumschwung bewirken. Nach wüsten Diskussionen wurde dem Sachverständigen zur Aufdeckung der zahlreichen Mängel im Projekt doch noch eine maximale Redezeit von 20 Minuten zugestanden, die dann allerdings von der Verhandlungsleiterin andauernd mit der Aufforderung gestört wurde. die Präsentation endlich abzubrechen.  Der technische Sachverständige der 300 Anwoner musste, um seine Ausführungen einigermassen über die Runde zu bringen, mehrmals Bundesgerichtsentscheide zur Verweigerung des rechtlichen Gehörs und den Artikel 312 des Strafgesetzbuches über den Amtsmissbrauch von Behörden zitieren, um überhaupt angehört zu werden.

Schon zu Beginn der Verhandlungen hatte es wüste Diskussionen über die Sitzordnung gegeben. Um die Kommunikation  zwischen den Beschwerdeführenden aus den verschiedenen Gemeinden zu verunmöglichen, wurden versucht, Amtsvertreter zwischen diese Gruppen  zu setzen. Die Anwesenden schnappten darauf hin die aufgestellten Namensschilder und setzten diese so, wie sie es für gut fanden.

Zwei Damen gesetzteren Alters konnten am Schluss ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. So etwas wie diese Verhandlungen hätten sie in einem Land wie der Schweiz nie für möglich gehalten.

Fazit: Verfahrens- und Verhandlungsführer/Innen von dieser Wesensart entlassen und durch Personen mit Charakter und gesundem Menschenverstand ersetzen.

Bereits die unterste Instanz, welche Projekte von Höchstspannungsleitungen zu beurteilen hat, das Eidg, Starkstrominspektorat, weist eine fragwürdige Führung auf. Der Leiter dieser Bundesbehörde, Dario Marti, sitzt nämlich gleichzeitig in der Geschäftsleitung der Electrosuisse.  Electrosuisse ist der Fachverband der Schweizerischen Elektrounternehmungen. Dem Verband gehören rund 4700 persönliche und 2000 Firmen an. Eine solche Personalunion dürfte für die Konflikte mit der betroffenen Bevölkerung zu den Hauptursachen gehören. Die Verlautbarungen des EStI werden längst nicht mehr als neutrale Gutachten wahrgenommen, sondern als blosse Parteibehauptungen.

Herr Marti erklärte dem Sachverständigen der Einsprecher bereist an der erstinstanzlichen Verhandlung in Frauenkappelen: „Wenn sie nur einen Kilometer dieser Leitung unter den Boden bringen, trete ich von meinem Posten zurück!“

Herr Marti hat sein Versprechen bis heute leider nicht eingelöst.

Abschaffen JA, aber sicher nicht den Gang an das Bundesgericht.

Wer und was abgeschafft werden müsste um die Verfahren in einen erträglichen Zeitrahmen zu bekommen, wurde hier am Beispiel der 33km langen 230kV-Leitung von Wattenwil nach Mühleberg aufzuzeigen versucht.

Wenn in einem Verfahren dermassen geschummelt und gemogelt wird, dass selbst dem industriefreundlichsten Bundesrichter der Hut hochgeht, ist die lange Verfahrensdauer nicht den Beschwerdeführenden zuzuschreiben und es sind nicht deren Rechte einzuschränken, sondern die Rechte der bis heute uneinsichtigen Schummler und Mogler.

Höchstspannungsleitungen sind in einem dermassen dicht besiedelten und mit einer dermassen schönen Landschaft gesegneten Land wie der Schweiz nach dem neuesten Stand der Technik zu bauen und dieser lautet eindeutig: „Unter dem Boden!“.

Interessante Links zur Vorgeschichte:

/hochspannunsleitung-wattenwil-muehleberg/  /230000volt-hochspannungsleitung-wattenwil-muehleberg-das-urteil/

/sortierung-der-truemmer/  /auslaufmodell-hochspannungs-freileitung/

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Besonders wichtig: Hochspannungsleitungen und Krebs unter /hochspannungsleitungen-und-krebs-1659/

Von Hans-U. Jakob

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