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Renitente Gemeinden

Als renitente Gemeinden werden von den Mobilfunkgesellschaften diejenigen Gemeinden bezeichnet, die Mobilfunkantennen nicht mehr in den Wohnzonen haben wollen.

von Hans-U. Jakob, Samstag, 27.Oktober 2012

Renitent ist ein Gemeinderat also dann, wenn er den Wünschen der Bevölkerungsmehrheit entgegenkommt und Auswege aus der Bevormundung durch die Kantons- und Landesregierung sucht und findet.


Notausgang.jpgEinen solchen Ausweg hat kürzlich das Bundesgericht aufgezeigt.


Dies in den zusammengelegten Urteilen 1C_51/2012 und 1C_71/2012 aufgezeigt. Das Bundesgericht hat der Gemeinde Hinwil ZH recht gegeben, welche künftig Mobilfunkantennen mittels eines Kaskadenmodells aus Wohnzonen verbannen will. Ähnlich, aber viel klarer wie es kurz zuvor der Gemeinde Urtenen-Schönbühl zugestanden worden ist. Siehe unter /keine-mobilfunkantennen-mehr-in-wohnzonen/

Erfahrungsgemäss werde vor allem die Installation von Mobilfunkanlagen in Wohngebieten von Teilen der Bevölkerung als Bedrohung bzw. als Beeinträchtigung der Wohnqualität empfunden, wie zahlreiche Einsprachen, Petitionen und Initiativen belegen würden, schrieb das Bundesgericht und hiess deshalb ein Kaskadenmodell gut, falls dies eine Gemeinde in ihrem Baureglement festschreibt.

Wie kann nun eine vom Bundesgericht sanktionierte Kaskadenregelung lauten?:

Mobilfunkanlagen sind nur in folgenden Zonen und gemäss folgenden Prioritäten zulässig:

1. Priorität: Industrie- oder Gewerbezonen

2. Priorität: Zone für öffentliche Bauten in denen stark und mässig störende Betriebe zulässig sind

3. Priorität: Zentrumszone und Wohnzonen mit Gewerbeerleichterung

Erst wenn der Betreiber den Nachweis erbringt, dass aufgrund von funktechnischen Bedingungen ein Standort ausserhalb der zulässigen Zonen erforderlich ist, ist eine Mobilfunkanlage auch in den übrigen Wohnzonen zulässig.

Bis ein solcher Eintrag in einem Gemeinde-Baureglement rechtlich greift, kann es, weil zuerst ein weitverzweigtes kantonales und eidgenössische Beamtennetzwerk seinen Senf dazu geben muss, bis zu 2 Jahren dauern. Dann muss das geänderte Baureglement entweder an der Gemeindeversammlung, oder dort wo vorhanden, im Gemeindeparlament, per Abstimmung genehmigt werden und das kann nochmals einige Monate dauern.

Gegen dieses langwierige Verfahren gibt es das Mittel der sogenannten Planungszone.

So kann ein Gemeinderat in eigener Regie über ein bestimmtes Gebiet eine Planungszone verhängen. Das bedeutet, dass in diesem Gebiet nichts mehr gebaut werden darf, was der geplanten Änderung des Baureglementes widerspricht, bis die Abstimmung in der Gemeindeversammlung oder im Gemeindeparlament vorüber ist.

Im Falle einer vorgesehenen Kaskadenregelung im Baureglement, verhindert die verfügte Planungszone jeglichen Mobilfunk-Antennenbau in dem vom Gemeinderat bestimmten Gebiet.

Auf solche Planungszonen reagieren nun die Mobilfunkbetreiber äusserst giftig.

Denn das heisst nichts anderes, als ein Mobilfunk-Antennenbauverbot für die nächsten 3 Jahre innerhalb des vom Gemeinderat bestimmten Gebietes.

So schreibt zom Beispiel das mit Mobilfunk Millionen gesponserte Forum Mobil:

Vor vier Jahren hat der Kanton Luzern zusammen mit den Mobilfunkbetreibern das sogenannte Dialogmodell eingeführt. Dieses sichert den Gemeinden eine Mitsprache bei der Standort-Evaluation neuer Mobilfunkanlagen zu. Die Koordination zwischen den Mobilfunkbetreibern und den Gemeinden wird erleichtert, und das Bewilligungsverfahren für Antennen vereinfacht. Ziel sind bessere Mobilfunkstandorte und eine gute Mobilfunkversorgung. Entgegen diesem vom Kanton empfohlenen Modell setzt die Stadt Sursee auf andere raumplanerische Massnahmen und gefährdet damit mittelfristig die lokale Mobilfunkversorgung. Die Betreiber rufen die Luzerner Gemeinden dazu auf, weiterhin auf das Dialogmodell zu setzen.


Was bedeutet das von den Mobilfunkbetreibern angebotene sogenannte Dialogmodell?

Um es kurz zu machen: Es ist ein einziger riesiger Unfug um Bürger/Innen und Behördenmitglieder der Gemeinden, die über die Ausbreitungscharakteristik von Mobilfunkstrahlung nicht im Bild sind, übers Ohr zu hauen.

Es sichert den Gemeinden für die Auswahl von Antennenstandorten lediglich ein Mitspracherecht im Umkreis von 200m um den von den Mobilfunkern ausgewählten Standort zu. Nichts mehr und nichts weniger. Dabei muss man wissen, dass die Strahlungsstärke in 200m Entfernung zu einer Antenne mindestens ebenso stark sein kann, wie direkt unterhalb einer Antenne. Es ist völliger Unsinn , eine Mobilfunkantenne aus strahlungstechnischen Gründen lediglich um 200m aus empfindlichen Orten weg verschieben zu wollen. Dabei wird sich die Situation in den allermeisten Fällen am ursprünglich vorgesehenen Standort eher verschlimmern als verbessern.

Und das sogenannte Mitspracherecht der Gemeinden bedeutet dann, dass der Gemeinderat einen Alternativstandort anbieten muss. Der Böse ist dann nicht mehr der Mobilfunkbetreiber, sondern der Gemeinderat.

Immer mehr Gemeinden, erkennen jetzt nach und nach den Schabernack, welcher da mit ihnen getrieben wird.


Strahlenkeule.jpg<<<Bild links: 3D-Darstellung eines Strahlenkegels einer Mobilfunkantenne mit Bodenberührung nach 150-250Metern. Das Bild stammt vom Bundesamt für Kommunikation (Schweiz).


Mobilfunkantennen strahlen nicht kugelförmig, sondern wie Beleuchtungsmaste mit riesigen ausrichtbaren Scheinwerfern, deren Strahlenkegel nach 150 bis 250m Bodenberührung bekommen. So bringt es für die Bewohner von Wohnzonen wenig bis gar nichts, wenn sie im Zuge des sogenannten Dialogmodells von Antennen bestrahlt werden, die man 200m von ihnen wegverschoben hat. Ganz im Gegenteil. Das kann unter Umständen strahlungstechnisch sogar schlimmer enden.

Für eine effiziente Strahlungsreduktion werden wesentlich grösser Distanzen benötigt.

Sursee und Sempach im Kanton Luzern,

die sich jetzt nach Urtenen-Schönbühl (BE) und Hinwil (ZH) aus dem Dialogmodell verabschieden und auf das Kaskadenmodell setzen, sind nicht etwa Miniatur-Berggemeinen, sondern zählen einwohnermässig zu den 10 grössten des Kantons.

Weitere werden folgen. Der grösste unverdauliche Brocken für die Mobilfunkbetreiber dürfte die Stadt Basel sein. Hier wurde vom grossen kürzlich Rat eine Motion an die Regierung überwiesen, welche ebenfalls die Einführung des Kaskadenmodells verlangt. Siehe unter /weltuntergangsstimmung-an-der-goldkueste/

Bevölkerung traut der Regierung nicht mehr.

Weil der Bund im Februar dieses Jahres den Schweizer Mobilfunkbetreibern gegen Bezahlung einer Milliarde Schweizerfranken an sogenannten Konzessionsgebühren, Rechtssicherheit für die nächsten 15 Jahre verkauft hat, glaubt hierzulande die Bevölkerung (nach letzten Umfragen mit 57%) nicht mehr an die Unschädlichkeit von Mobilfunkstrahlung.

Siehe dazu unter /halleluja-eine-milliarde-/

Weder das vom Bundesrat eingerichtete Verharmlosungsinstitut ELMAR an der Universität Base, noch die schöngefärbten Forschungsresultate aus dem nationalen Forschungsprogramm NFP-57 haben den gewünschten Erfolg gebracht. Und das europäische Cyber-Mobbingzentrum IZgMF in München, gegen mobilfunkkritische Wissenschaftler und mobilfunkkritische Organisationen und an Elektrosmog Erkrankte hat für den Mobilfunk erst recht eine völlig kontraproduktive Wirkung..

Siehe auch /der-sturm-beginnt/ und /die-gekaufte-rechtssicherheit/

Von Hans-U. Jakob

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