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Wo blieb der Kurzwellensender?

Die Tage der offenen Türe im ehemaligen Kurzwellensender Schwarzenburg fanden ohne den ehemaligen Kurzwellensender statt.

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Bild 1: Tage der offenen Türe im ehemaligen Kurzwellensender – Führungen durch den ehemaligen Kurzwellensender – anlässlich der europäischen Tage des Denkmals kann der Sender und seine Sammlung erstmals nach 10 Jahren wieder besichtigt werden. So lautete die Ankündigung in den Medien. Doch wo blieb der Sender?

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 14. September 2015

Was soll das denn jetzt, mögen sich manche gefragt haben, die den „Senderkrieg“ von 1987-1998 hautnah miterlebt haben. Wird da jetzt ein neues Kapitel an Geschichtsfälschung in der Schweizergeschichte aufgeschlagen?
https://www.gigaherz.ch/in-memoriam-kurzwellensender-schwarzenburg/
Insider wissen doch, dass ausser der leeren Gebäudehülle des Betriebsgebäudes vom ehemaligen Kurzwellensender rein gar nichts mehr übriggeblieben ist. Die bis zu 120m hohen Trägermaste der Antennen wurden 1998 wie riesige Bäume gefällt und anschliessend zerkleinert und verschrottet. Einige tonnenschwere Apparaturen und Installationen im Betriebsgebäude wurde von einer italienischen Firma säuberlich abmontiert und in Lastenzügen zur päpstlichen Sendeanlage nördlich von Rom verfrachtet, auf dass deren Botschaften im Äther noch lange zu hören seien. Was bei der dortigen Anwohnerschaft übrigens gar nicht gut ankam und in der Folge in einem Strafverfahren gegen den verantwortlichen Kardinal endete. In zweiter Instanz allerdings zu einem Freispruch führte. Ein Kardinal in der Kiste, einfach unvorstellbar.
Der Rest der Anlagen und Installationen wurde mit brachialer Gewalt herausgerissen und landete beim grossen KK-Schrotthändler  in der Nachbargemeinde.

Depot-1Bild 2:
lange Gesichter gleich zu Beginn der Führung bei allen weither angereisten Kurzwellenfans und Amateurfunkern, die sich noch einen Restbestand an Apparaturen aus der Blütezeit des Senders Schwarzenburg erhofft hatten.
Die grosse „heilige“ Halle, wo einst Steuerpulte und Steuerpanels standen um die Sender im Untergeschoss zu bedienen und zu regulieren, wurde inzwischen durch ein riesiges Hochregallager mit Exponaten des Post- und Kommunikationsmuseums „entweiht“, die heute noch nicht, aber vielleicht in 50Jahren einmal echt museumsreif sein werden.

Depot-2Bild 3: Auch keines der grösseren frei herumstehenden Objekte erinnerte an den ehemaligen Kurzwellensender. In Bild 3 eine 20 Jahre alte Studioeinrichtung des Schweizer Fernsehens. Auch vereinzelte Bedien- und Steuerpanels von UKW-Sendern waren zu sehen, sowie bestückte Gestelle aus mechanischen Orts-Telefonzentralen. Aber wer Sendeeinrichtung des ehemaligen Kurzwellensenders erwartet hatte, war vergeblich angereist.

Depot-3Bild 4: Ziemlich versteckt, in der hintersten Ecke dann noch einige antike Tisch-Telefone. Zum Teil 100Jahre alt und zum Teil solche, die bei verschiedenen Besuchern zu Hause noch in Betrieb sind. 100Jahre Telefonie im selben Gestell. Aber von 50 Jahren Kurzwellensender Schwarzenburg keine Spur.

 

Depot-4Bild 5: Die grosse Überraschung des Tages. Die in den letzten 12Monaten komplett umgebaute Schalthalle, da wo einst die riesigen Druckluftschalter standen, welche die von den Sender-Endstufen im Untergeschoss des Betriebsgebäudes mit einer Spannung von 10‘000Volt ankommenden Speiseleitungen je nach Tageszeit und Sendeplan auf die verschiedenen Vorhang-Antennen in Richtung Fernost-Nahost-Afrika-Südamerika-Nordamerika umgeschaltet wurden, stand jetzt eine riesige Sammlung von Postautos (Postbussen) der letzten 100Jahre, inklusive einiger Postkutschen.
Auch das Untergeschoss des ehemaligen Betriebsgebäudes, dort wo einst die tonnenschweren Sendeapparaturen und Senderendstufen standen,   war mit antiken Postfahrzeugen der Personenwagenklasse belegt. Auch hier vom ehemaligen Kurzwellensender keine Spur.

Die erwartete Geschichtsfälschung blieb aus: Am Schluss des geführten Rundgangs waren doch noch 5 Bilder aus der 50-jährigen Geschichte des Kurzwellensenders zu sehen, die vom begleitenden Kurator erstaunlicherweise korrekt kommentiert wurden. Nämlich dass der Brand und Totalschaden gleich nach der Inbetriebnahme 1939 nicht auf Sabotage durch die Nazis, sondern auf technische Mängel zurückzuführen gewesen sei und dass unmittelbar vor Abbruch der Anlage, Das heisst 1996, die Anlage noch hätte erneuert und verstärkt werden sollen und dass das am erbitterten und berechtigten Widerstand der Bevölkerung gescheitert sei.
https://www.gigaherz.ch/der-sender-brennt-1256/
Nicht korrekt war das Abbruchdatum mit 2008 statt 1998 bezeichnet und das Bild der Vorhangantennne stammte nicht vom Kurzwellensender Schwarzenburg, sondern zeigte die Drehstandantenne von Sottens. Es war trotzdem angenehm, dass der kommentierende Museums-Kurator sich nicht auf die sonst üblichen Lobhudeleien und Geschichtsfälschungen rund um den Sender Schwarzenburg einliess.

Dem märchenhaften Gerücht, welches auch heute noch gerne von unheimlichen Patrioten und Funk-Amateuren herumgeboten wird, dass der Kurzwellensender Schwarzenburg immer noch betriebsbereit sei und die abgebrochenen Antennen im Kriegsfall innert weniger Stunden sofort wieder provisorisch aufgestellt werden könnten, ist mit diesem Tag der offenen Türen wohl endgültig der Garaus gemacht worden. Besten Dank!

Videos zum Kurzwellensender sind auch hier zu Finden: https://www.gigaherz.ch/dokumentationen/videos/

Von Hans-U. Jakob

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