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Sender Zürichberg – Eine helvetische Komödie

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich darf nicht gegen kantonale Baubehörden ermitteln. Die zuständigen Politiker verbieten ihr dies.

Hans-U. Jakob, 15.11.09



Haben Sie gewusst, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft beim Kantonsrat ein Gesuch stellen muss, um gegen Behörden wegen Urkundenfälschung, Amtsmissbrauch und Begünstigung ermitteln zu dürfen?

So unglaublich dies klingt, es ist kein Witz! Das funktioniert tatsächlich so. Schliesslich leben wir in einem Rechtsstaat und nicht in einer Bananenrepublik.

Mit Schreiben vom 5. November 09 teilt uns (Gigaherz) die Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrates mit, dass sie der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht erteilt habe.

Zur Vorgeschichte:

Auf die Fussballeuropameisterschaft 08 hin wollte die Swisscom auf den bestehenden Sendemast Zürichberg eine weitere Sendeantenne mit einer abgestrahlten Leistung von 10‘000Watt ERP für die Übertragung von Fernsehprogrammen auf Handys (DVB-H) aufpflanzen.  Da diese Leistung die bisher dort installierten Anlagen um das 4-fache übertraf, legten etliche Anwohner Rekurs bei der Baurekurskommision des Kantons Zürich gegen diese Bauvorhaben ein. Auch Gigaherz machte erstmals von seinem Verbandsbeschwerderecht Gebrauch.

 

Dadurch hätte sich eine Verzögerung des Baubeginns ergeben und der Sender Zürichberg wäre bei Beginn der Fussball-Europameisterschaft für das Fernsehen auf den Handys nicht in Betrieb gewesen. Er war es aber trotzdem. Was war geschehen?

Bei der Bausektion der Stadt Zürich holte man eine alte Baubewilligung aus dem Jahr 06 aus dem Archiv und setzte dort unter der Rubrik TV-Sender ganz einfach noch einmal zusätzliche 10‘000Watt ein. Fertig!

Weder die Baurekurskommission, noch der Regierungsrat des Kantons Zürich mochten hier ein ungesetzliches Verhalten erkennen und wiesen die Begehren um sofortige Einstellung des Sendebetriebes ab. Dies erst noch im Wissen um eine Grenzwertüberschreitung auf den Waldspielplätzen rund um den Sendeturm, als Folge der neuen Antennen für das Handy-Fernsehen.  Moos, Tannzapfen, Fallholz, Rinde und farbige Steine genügten den Kindern nicht zum Spielen, entschieden die Amtsmänner.  Um als Spielplatz zu gelten müssten schon Sandkästen betoniert, Plastikrutschbahnen aufgestellt und Stahlschaukeln montiert werden. Arme Kinder!

Nicht einmal das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zürich vom 6. April 09, welches in der Folge der eingereichten Beschwerden, sämtliche auf dem Zürichberg erteilten Baubewilligungen für ungültig erklärte, konnte die Zürcher Amtsmänner dazu bewegen den Sendebetrieb einstellen zu lassen.



Dummermuth.jpg<<<Bild Links: Martin Dummermuth, Direktor des Bundesamtes für Kommunikation. Lässt von seinen Mitarbeitern den CEO’s der Mobilfunkbetreiber während einer Verbrüderungsfeier heissen Käse auf die Teller anrichten, statt seiner Aufsichtspflicht nachzukommen.




Und das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) in Biel als Oberaufsichtsbehörde über alle Sendeanlagen der Schweiz, fand  es nicht einmal für nötig, eine vom Verein Gigaherz eingereichte Aufsichtsbeschwerde zu beantworten, geschweige denn auf dem Zürichberg einzugreifen.

Beim BAKOM war man zu sehr damit beschäftigt, ein 2-tägiges Verbrüderungsfest mit den Mobilfunkbetreibern zu organisieren. Die sogenannten Bieler Comdays resp. Comnights.

„Die Mitarbeiter des BAKOM servieren den CEO’s der Telekomgesellschaften den heissen Käse auf ihre Teller,“ hiess es wörtlich in einer Beschreibung der Comnights.

Und die wirtschaftliche Bedeutung dieses Industriezweiges habe unterdessen ein derartiges Gewicht erreicht, dass der Bundesrat eine Einladung zu solchen Anlässen unmöglich ausschlagen dürfe, schrieb Bundesrätin Micheline Calmy-Rey dem Verein Gigaherz auf dessen Protest hin. Die Veranstalter hatten sich zuvor mit dem Besuch der Aussenministerin gebrüstet.



Erst eine Strafanzeige vom Verein Gigaherz beim Bundesstrafgericht in Bellinzona wegen Amtsmissbrauchs, begangen durch den Regierungsra t des Kantons Zürich und das BAKOM, brachte wieder etwas Bewegung in die Angelegenheit.

Das Bundesstrafgericht übergab die Sache zur Untersuchung an die Bundesanwaltschaft in Bern. Diese wiederum fühlte sich nicht zuständig, in kantonale Angelegenheiten einzugreifen und überwies die Akten an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Diese wiederum musste zuerst den Kantonsrat, resp. dessen Geschäftsprüfungskommission um Erlaubnis bitten, hier tätig zu werden. Unglaublich aber wahr!  Die Antwort konnte man sich wohl an den Fingern abzählen. Gegen „nette“ Filmchen auf ihren heissgeliebten Handys oder gegen diese geballte Wirtschaftsmacht vorgehen? Einfach undenkbar.

Am 5.November hat nun die Geschäftsprüfungskommission in einer 3-seitigen Verfügung voller unverständlichem Juristenquatsch der Staatsanwaltschaft verboten, eine Untersuchung zu eröffnen.



Man muss sich das einmal vorstellen.  Eine angeblich unabhängige Justiz muss sich von der (Wirtschafts-)Politik vorschreiben lassen, was zu tun oder was zu lassen ist.

 

„Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von Gigaherz eingereichte Strafanzeige keinerlei Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Verhalten des Regierungsrates oder einzelner Mitglieder entnommen werden kann,“  schreibt die Geschäftsprüfungskommission an die Staatsanwaltschaft.

Ist doch logisch. Nichts tun kann unmöglich ein strafbares Delikt sein!

Um dem ganzen noch ein Krönchen aufzusetzen verlangt nun die Geschäftsprüfungskommission für ihren weisen Entscheid vom Verein Gigaherz noch eine Gebühr von Fr. 633.-

Es darf trotzdem ganz laut gelacht werden. Schliesslich befinden wir uns in einer gut helvetischen Komödie und in Anbetracht dessen, dass dieser Artikel in den nächsten 10 Tagen von mindestens 10‘000 Besuchern gelesen wird, eigentlich ganz gut angelegtes Geld.  Macht 6.33 Rappen für jedes gesundes Lachen. Vielleicht sogar ein probates Mittel gegen die Schweinegrippe?

Die Vorgeschichte zu diesem Artikel finden Sie unter:

/aus-dem-wunderland-der-justiz/

/korruption-durch-alle-instanzen/

Von Hans-U. Jakob

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