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Seit 7 Jahren auf der Flucht

Offener Brief von Suzanne Sohmer, Oberammergau an die Zeit-Redaktion Hamburg

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Bild oben: Bei -15°C im Funkloch leben müssen. Eine Wohnsituation die elektrosensible Menschen mit Sicherheit nicht freiwillig wählen. Wie sich solche Katastrophen ergeben lesen Sie in der Anlage zu Frau Sohmers Leserbrief.



An dieDIE ZEIT, Redaktion Wissen


Buceriusstraße, Eingang Speersort 1

D-20079 Hamburg

Betrifft: Ihr Artikel „Der unsichtbare Feind“ – „DIE ZEIT – Wissen“  v. 22.08.2013. Anmerkungen einer Mobilfunkbetroffenen

Oberammergau, 20.9.2013

Sehr geehrte Frau Kunze,sehr geehrter Herr Rauner,

Zu Ihrem o.g. Artikel haben Sie bereits zahlreiche Stellungnahmen und Kommentare erhalten – darunter finden sich viele kritische Anmerkungen, zu denen Sie, Herr Rauner, ja auch wiederum Stellung genommen haben.

Ich erlaube mir, Ihnen hiermit ebenfalls meine persönlichen Anmerkungen zukommen zu lassen. (s. Anlage) Da meine Kommunikationswege z. Zt. umständlich sind, hat dies leider etwas Zeit in Anspruch genommen. Zur besseren Übersichtlichkeit habe ich ein Verzeichnis angefertigt.

 

Es ist Ihrem Artikel anzumerken, dass es Ihnen offenkundig schwer gefallen ist, sich elektrosensiblen Menschen unvoreingenommen und vorurteilsfrei zu nähern.

Auf unsere diesbezügliche Kritik entgegneten Sie, Sie hätten die Positionen der Mobilfunkkritiker wiedergegeben und:

Aus journalistischer Sicht hätten wir Ihnen (d. h. der mobilfunkkritischen Seite) lieber einen Scoop präsentiert: Elektrosmog  jetzt doch lebensgefährlich, Mobilfunkindustrie verschweigt die Wahrheit. Aber das wäre gelogen.“

Auf Ihre Lebenssituation bezogen mögen Sie Recht haben, denn Sie betrachten sich als nicht-elektrosensibel und scheinen unter der allgegenwärtigen Hochfrequenzstrahlung dieser Kommunikationstechnologie keine gesundheitlichen Probleme zu haben.

Aber wie schaut es für jemanden aus, dem diese Strahlung derart zusetzt, dass er unter HF-Exposition lebensbedrohliche Beschwerden bekommt? (s. Anlage Punkt 1.) Wie schaut es für jemanden aus, der wegen des rasanten Ausbaus dieser Technologie um sein Überleben kämpfen muss und sich dauernd auf der Flucht befindet, als befände sich unser Land (trotz Friedensnobelpreisverleihung an die EU-Staaten) im Kriegszustand?

Sie haben die Positionen der Mobilfunkkritiker nicht wiedergegeben, sondern bewertet.

Und Ihre Bewertung entspricht der Haltung jener Wissenschaftler, die für sich in Anspruch nehmen, die Seite der „guten“ Wissenschaft zu vertreten. Diese Wissenschaft ist in der Tat „gut“: So gut, dass offenbar sogar fachlich versierte Journalisten den pseudowissenschaftlichen Theorien auf den Leim gehen, mit denen – bereits seit Jahren – versucht wird, mobilfunkkritische Stimmen mundtot zu machen und elektrosensible Menschen auf dem „Psycho-Friedhof“ abzulegen. Offenbar reichen die diesbezüglichen Argumente der betreffenden Wissenschaft nicht aus und müssen immer wieder mit Hohn-und  Spott-Attacken kompensiert werden. Das mag die Wissenschaft Ihres Vertrauens sein – die meine ist es nicht. Sie gehören ja auch nicht zu dem bevorzugten Personenkreis, der immer wieder in den Medien lesen muss, dass er eigentlich in die Psychiatrie gehöre. Und das geht bekanntlich sehr schnell – wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat – man muss nur unbequem genug sein. Also: Wer hat hier eigentlich Angst vor wem?

Seit fast 20 Jahren wenden sich elektrosensible Menschen nun schon an Politiker, Behörden und an die Medien: Hilfe – Fehlanzeige!

Ich kann Ihnen versichern: Dieser Wahnsinn ist nur zu ertragen, wenn die Psyche stabil und der Geist ohne Fehlfunktion ist. Das „Zulegen“ einer psychischen Erkrankung – nach welchen „wissenschaftlichen Standards“ diese auch immer kreiert werden mag – kann sich kein elektrosensibler Mensch leisten, der mit dem Rücken zur Wand steht und nicht weiß, wie lange es ihm noch vergönnt sein wird, einen Platz zum Überleben zu finden.

Und es ist ein fataler Irrtum anzunehmen, dass die eigene Nicht-Elektrosensibilität ein Zustand ist, der dauerhaften „Schutz“ davor verspricht, selber elektrosensibel zu werden. Ich habe selber – und das nicht wenig! – mit dem Handy telefoniert und wollte einfach nicht glauben, dass ausgerechnet ich darauf verzichten sollte, während alle anderen um mich herum, scheinbar völlig beschwerdefrei telefonieren konnten. Ich habe dann bald festgestellt, dass ich „kein bedauerlicher Einzelfall“ bin. Und mir wurde klar: Man ist nicht elektrosensibel – man wird es. Und: es kann jeden treffen – es ist nur eine Frage der Umstände und der Zeit.

Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie nicht auch eines Tages zu jenen gehören, denen Sie heute noch unterstellen, sie seien aus „Angst vor Elektrosmog“ krank geworden, um dann selber feststellen zu müssen: Das letzte Funkloch ist soeben zugestopft worden.

Anlage: Anmerkungen zum o.g. Artikel. Abrufbar unter https://www.gigaherz.ch/media/PDF_1/Erfahrungsbericht_Sohmer.pdf

Weitere Leserbriefe zum ZEIT-Artikel finden sie unter /schade-fuer-die-zeit/

Von Hans-U. Jakob

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