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Schweizer Parlamentarier treten Menschenrechte mit Füssen

Wie ein Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichtshofes durch Schweizer Parlamentarier ignoriert wird.

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 26.9.2014

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat mit Urteil vom 11.März 2014 die Schweiz angewiesen, die bisher praktizierten Verjährungsfristen für Schadenersatzforderungen von bisher 10 Jahren aufzuheben.
Auslöser waren die vom Schweizerischen Bundesgericht infolge Verjährung abgeschmetterten Schadenersatzforderungen der Hinterbliebenen von Asbestopfern.
Siehe https://www.gigaherz.ch/schwarzer-tag-fuer-schweizer-mobilfunkbetreiber-2/

Asbestose (ähnlich Lungenkrebs) tritt bekanntlich noch weit über 10 Jahre nach der Kontamination mit Asbestfasern auf und ist sehr leicht nachzuweisen. Trotzdem hatte das Bundesgericht ein total veraltetes Verjährungsrecht aus der Rumpelkammer eidgenössischer Gesetzgebungen hervorgeholt und die berechtigte Schadenersatzforderung von Hinterbliebenen wider jeglichen gesunden Menschenverstand abgewiesen.

NationalratMit der Korrektur dieses menschenverachtenden Bundesgerichtsurteils  durch den Menschenrechtsgerichtshof, respektive mit der Änderung des schweizerischen Verjährungsrechts befasste sich nun vorgestern, 24. September der Nationalrat. Das ist die grosse Kammer im Schweizer Bundesparlament im Bild oben links. (zum Vergrössern anklicken)
Da hier die Wirtschaftsvertreter zusammen mit den Rechten und den populistischen äusseren Rechten eine knappe Mehrheit bilden, war nicht viel Gutes zu erwarten. Aber dass sich ein angeblich zivilisierter europäischer Kleinstaat dermassen gegen den Menschenrechtsgerichtshof auflehnt und fundamentale Menschenrechte mit Füssen tritt, war doch jenseits aller schlimmen Befürchtungen.

Um die Wirtschaft zu schützen wollte eine grosse Zahl von Rednern erst gar nicht auf die Gesetzesvorlage eintreten und alles beim Alten belassen. Die Justizministerin Simonetta Sommaruga votierte vergeblich um eine Lösung, die beim Menschenrechtsgerichtshof vielleicht noch knapp durchgegangen wäre, nämlich um eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Vergebene Liebesmüh.

Da es in der Debatte nicht nur um Asbestopfer ging, sondern auch noch um die von Schweizer Rückversicherer Swiss-Re als die grössten Risiken der nächsten Jahre deklarierten, wie chemische, als EDC bezeichnete Substanzen und die Nanotechnologie sowie um Elektrosmog, nahm die Debatte zeitweise Formen an, die der Auftrags-Mobbingagentur des Stephan Schall aus München durchaus würdig gewesen wäre. Siehe auch https://www.gigaherz.ch/dammbruch-zu-gunsten-von-asbestopfern/

Am Schluss musste man froh sein, dass sich die Parlamentarier auf eine neue Verjährungsfrist von 20 Jahren einigen konnte. Eine Frist, welche der Menschenrechtsgerichtshof kaum akzeptieren dürfte. Denn in seinem Urteil vom 11. März werden sogar noch 30 Jahre kritisch hinterfragt.

Ein Beispiel mit 20 Jahren Verjährungsfrist bei Elektrosmog:
Die meisten Krebsarten dürften hier bei Menschen im Alter zwischen 40 und 45 ausbrechen. Das heisst, eine Schadenersatzklage müsste von den Angehörigen bereits eingereicht worden sein, als der Verstorbene, der im Alter von 10 Jahren erstmals mit Elektrosmog konfrontiert wurde,  erst 30 Jahre alt war und noch in voller Blüte des Lebens stand.
Bei den andern im Niedrigdosisbereich genossenen toxischen Stoffen dürfte es sich ähnlich verhalten.

Um die für dieses Debakel verantwortlichen Parlamentarier eines Besseren zu belehren, wird es erforderlich sein, nochmals einen Asbest- oder andern toxischen Fall bis an den europäischen Menschenrechtsgerichtshof hochzuziehen.
Es soll jetzt niemand mit „demokratischem Entscheid“ kommem. Im Gesundheitswesen muss sich eine erkrankte Minderheit niemals nach den Wünschen einer von der Wirtschaft dominierten Meinung richten.
Jede/r hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Art 3
der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Von Hans-U. Jakob

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