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Schwarzer Tag für Schweizer Mobilfunkbetreiber

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof pfeift das Schweizer Bundesgericht zurück und hebt die 10-jährige Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen auf.

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 14.3.2014

Das Urteil betrifft zwar eine Schadenersatzforderung in einem Asbestfall, aber selbst die wirtschaftsfreundlichste Tageszeitung der Schweiz, die NZZ, zitiert Opfer-Anwalt Hablützel am 11.3.2014 wie folgt:
Für Hablützel ist klar, dass künftig keine absolute Verjährungsfrist mehr gelte bei Industrien, wo Spätfolgen möglich sind – zum Beispiel auch bei der Gentechnik, der Nanotechnologie oder bei Mobilfunkantennen.

EMGR-Strasburg<<<Bild links der Gerichtshof in Strasburg

Erst im Dezember des vergangenen Jahres ging ein Aufschrei der Entrüstung durch die Bevölkerung als das Schweizerische Bundesgericht einer Witwe und 2 Töchtern eines an Asbestose verstorbenen Mannes in einem menschenverachtenden Urteil erklärte, die Gefahren von Asbest seien bereits in den 1970er Jahren bekannt gewesen und weil die Verjährungsfrist nur 10 Jahre betrage, könnten sie jetzt gar nichts mehr machen….
Die beruflichen Kontakte des Verstorbenen mit Asbest gingen auf die Jahre 1965-1978 zurück. Und Asbestose als Spätfolge davon in Form von Lungenkrebs durch Asbestfasern, wurde bei ihm erst 2004 diagnostiziert.

Nicht einmal die Bemühungen der Schweizer Gesetzgeber, die nach heftigsten Protesten aus der Bevölkerung solche Verjährungsfristen noch rasch auf 30 Jahre erhöhen wollten, liess der Menschenrechtsgerichtshof gelten. Die geplante Revision des Schweizer Verjährungsrechts bringe hier keine gerechte Lösung, heist es im Strasburger Urteil.

Was bedeutet das neue EMGR-Urteil für Gigaherz:
Vorerst einmal eine willkommene finanzielle Entlastung. Denn gegen den Schweizer Mobilfunkanbieter Orange ist immer noch eine saftige Schadenersatzklage im Gesundheitsbereich am laufen, bei welcher infolge der 10-jährigen Verjährungsfrist von Seiten des privaten Klägers jedes Jahr bei Gericht ein Sistierungsgesuch gestellt werden musste. Gigaherz hatte sich verpflichtet, für die jährliche zu wiederholende Sistierung des Verfahrens die nicht ganz unerheblichen Kosten zu übernehmen. Diese Last dürfte nun wegfallen. Kläger müssen nicht mehr länger darum bangen, die Beweismittel für gesundheitliche Spätfolgen möglicherweise nicht innerhalb von 10 Jahren nach der ersten Vermutung des Schadens erbringen zu können.

Auch bedeutungsvoll könnte das neue Urteil für Bewohner der bestrahlten Regionen des 1998 abgebrochenen Kurzwellensenders Schwarzenburg sein. Diese hätten ihre Schadenersatzforderungen spätestens Ende März 2008 einreichen müssen, obschon hier infolge der langen Latenzzeit noch Jahre später relativ junge Leute an Krebs verstarben.
Das Gleiche gilt ebenso für Anwohner der abgebrochenen Kurz- und Mittelwellensender Sottens und Beromünster.

Das neue Urteil aus Strasburg ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Schweizer Regierung, das heisst, das Bundesamt für Justiz hat noch 3 Monate Zeit, dieses an die grosse Kammer des EMGR weiterzuziehen. Ob sich dieses Bundesamt diese Frechheit noch herausnimmt, ist noch offen. Einerseits ist dies ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen, hat doch die kleine Kammer in Strasburg mit 6:1 Stimmen der Witwe und ihren Töchtern Recht gegeben. Andererseits sitzt dem Bundesamt die gesamte Schweizer Industrie inklusive der SUVA und der Mobilfunkbetreiber im Nacken, die nun immense Schadensummen auf sich zurollen sehen.
Allein im vorliegenden Asbestfall betrug die Forderungssumme 300‘000 Franken zuzüglich der Gerichts- und Anwaltskosten. Alles in allem sicher um die Fr. 500‘000

Von Hans-U. Jakob

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