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Handybesitzer unter Mordverdacht

Das kann jedem passieren.  Hält sich ein/e Handybesitzer/In rein zufällig zur Tatzeit in der Nähe eines Tatortes auf, gerät sie oder er, dem Handy sei Dank, automatisch unter Mordverdacht.  Eine Geschichte aus Deutschland

Hans-U. Jakob, 31.7.08

Am Morgen nach einem Anschlag greift die Polizei auf alle Verbindungsdaten von Handys zu, die sich vor, während und nach der Tatzeit zwischen 17 und 22 Uhr in einem 2 Quadratkilometer grossen Gebiet rund um den Tatort  aufgehalten haben.   Dieses Schleppnetz ergibt vorerst einmal 12‘927 Verdächtige.  Unmöglich, hier den wahren Täter zu finden, könnte man meinen.

Doch die Fernmeldespezialisten der Polizei beginnen mit der Eingrenzung.

Besonders angetan hat es ihnen der Sendemast Nr.12, der nächste am Tatort liegende,  und hier die Senderichtungen Nord und West.  Eingegrenzt auf die exakte Tatzeit schrumpft die Zahl der Verdächtigen bereits auf 700 zusammen.   

Je mehr Sendemaste sich in einem Tatgebiet befinden, desto genauer lässt sich nachträglich feststellen, wer sich hier wo zu welcher Zeit aufgehalten hat.

Die Aussichtslosigkeit schrumpft weiter als ein Augenzeuge in der Nähe des Tatortes eine Gruppe von jungen Leuten gesehen haben will.  Auf Grund der bei den Mobilfunkbetreibern gespeicherten Abonnementsdaten sind das jetzt genau noch 152 Personen unter 20, welche sich zwischen 19.15 und 20.15 in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufgehalten haben und von den dortigen Mobilfunksendern erfasst worden sind, auch wenn sie selber nicht telefoniert haben.

Als am Tag danach eine Gruppe von 4 aus den 152 tatsächlich am Tatort erscheint und die Polizei neugierig danach fragt, was passiert sei, geraten diese sofort in den Kreis der Hauptverdächtigen.

Dank den unzähligen Sendemasten kann von ihnen ein Bewegungsprofil erstellt werden, welches darauf hinausläuft, dass es sich um ein Quartett handelt, das sich stets an denselben Feiern und meistens an denselben Orten aufhält und gemeinsam in der Gegend herumfährt. 

Nun hören die Kriminalisten nicht nur die Telefone der Jugendlichen ab, sondern überwachen auch deren Internet- und e-mail-Verkehr.  Dabei lassen sie es nicht nur bei den jungen Leuten selbst bewenden, sondern beziehen gleich auch noch deren Eltern ein.  Sogar der Anschluss eines  Ingenieurbüros wird abgehört, weil einer der Väter dort arbeitet. Fehlanzeige.

Fehlanzeige auch bei weiteren 3 Jugendlichen. 16 der Jüngste, 19 der Aellteste.   Warum die 3 zu Mordverdächtigten erklärt werden, vermag nicht einmal der Untersuchungsrichter zu erklären.  Dieser erlässt einfach weitere Abhörbeschlüsse.  Nur mit der Begründung, dass sich die Leute zur Tatzeit nachweisbar in der Nähe des Tatortes aufgehalten haben. Fehlanzeige über Fehlanzeige.

Manch Eine/r mag denken, das sei schon recht mit dieser elektronischen Schleppnetzfahndung.  Aber aufgepasst, das kann jeden Handybesitzer oder jede Handybesitzerin treffen. Ein Augenzeuge kann eben so gut einmal behaupten, er hätte eine Gruppe von älteren Wanderern oder von „mitttelalterlichen“ Joggern in der Nähe des Tatortes gesehen und schon beginnen die Fernmeldespezialisten der Polizei diese Personengruppe auszufiltern, Bewegungsprofile zu erstellen und abzuhören.

Und je dichter das Netz der Handymasten, desto genauer werden die Angaben darüber, wer sich wann wo aufgehalten hat. Auch Personen die nicht telefonieren, jedoch ein Handy mitführen, werden erfasst.  Und diese Daten müssen, gesetzlich geregelt und abgesegnet, mindestens 6 Monate lang gespeichert werden. 

„Die Frage, ob Kommunikation stattgefunden hat oder nicht, ist gar nicht so wichtig“, sagen die Fernmeldespezialisten der Polizei, viel wichtiger seien die Informationen darum herum.  Die Erhebung von Daten aus den Mobilfunknetzen entwickle sich zu einer Standardmassnahme. Kein Wunder dass die Mächtigen im Lande an einem möglichst dichten Netz von Mobilfunkmasten mehr als nur interessiert sind.

Quelle: Deutsche Tageszeitungen Juli 08

Wer etwa glaubt, in der Schweiz sei so etwas nicht möglich , siehe unter: /leuenbergers-dienst-fuer-besondere-aufgaben/  Leuenbergers Dienst für besondere Aufgaben, oder

/neue-feinde-braucht-das-land/  Neue Feinde braucht das Land

oder

/kein-handy-dabei-dann-sind-sie-ein-terrorist/  Kein Handy dabei? Dann sind Sie ein Terrorist!

Von Hans-U. Jakob

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