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Wann zerplatzt die QS-Seifenblase?

Das Verwaltungsgericht Thurgau hat einigen Beschwerdeführern ein sogenanntes Detailkonzept der Firma Sunrise über die Kontrolle der abgestrahlten Leistungen und der Antennenwinkel (QS) zugestellt.

Hans-U. Jakob, 23.8.08

Die Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch hat dieses Konzept studiert und darin keine neuen Erkenntnisse gefunden, welche das Vertrauen in das vorgeschlagene Qualitätssicherungssystem in irgend einer Art stärken könnten.

Um was es geht
Dass die von der Industrie angebotenen Senderendstufen durchwegs erheblich höhere Sendeleistungen ermöglichen als auf den Baugesuchen deklariert wird und dass diese Sendeleistungen praktisch nach Belieben ferngesteuert werden können, wird mittlerweile von allen Mobilfunkbetreibern und fast allen Amtsstellen zugegeben.
Dies hat schliesslich zum Bundesgerichtsurteil 1A.160/2004 geführt, welches eine zuverlässige Begrenzung eben dieser abgestrahlten Leistung ERP zwingend verlangt.

Eine unheilige Allianz aus Mobilfunkbetreibern, kantonalen Umweltschutzämtern, dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) versucht seit Jahresbeginn verzweifelt dieses Bundesgerichtsurteil mit einem sogenannten Qualitätssicherungssystem (QS), zu unterlaufen. Mit einem Qualitätssicherungssystem notabene, mittels welchem sich die Mobilfunkbetreiber einmal mehr gleich selber überprüfen dürfen.

Das Verwaltungsgericht Thurgau hat einigen Beschwerdeführern ein sogenanntes Detailkonzept der Firma Sunrise über die Kontrolle der abgestrahlten Leistungen und der Antennenwinkel zugestellt.

In P.4.3 dieses Detailkonzeptes ist erstmals von einer Firma SGS Switzerland die Rede, welche im Dezember 06 eine Erstzertifizierung des QS-Systems durchführen soll. Da drängt sich dieselbe Frage auf wie bei den Justizbehörden: Verstehen diese Leute überhaupt etwas von Mobilfunktechnik? Wenn JA vom wem werden diese angestellt und wie und aus welchen Quellen werden diese bezahlt? Gehört diese Firma etwa gar den Mobilfunkbetreibern, wie etliche sogenannt akkreditierte Messfirmen?
Wer hat wann welche Kredite bewilligt, erteilt und welche Aufträge wurden vom wem an wen genau erteilt? Wo befindet sich das Pflichtenheft und was enthält dieses?

In P.6 des Detailkonzeptes ist weiter davon die Rede, dass die kantonalen Vollzugsbehörden bei den Betreibern periodische Stichprobenkontrollen durchführen würden. Wir möchten die Gerichte nochmals eindringlich darauf hinweisen, dass, wenn jeder notwendige Datenpunkt eines in der Schweiz installierten Antennenpanels nur alle 2 Monate einmal stichprobenweise aufgerufen würde, dies gesamtschweizerisch einem Personalaufwand von 130 Personen mit einer Lohnsumme von über 10 Millionen gleichkäme.
Denn in der Schweiz gibt es 26’000 Antennenstandorte mit durchschnittlich 6 Antennpanels mit je 4 Eingängen à 2 Parameter. Macht sage und schreibe 26‘000x6x4x2= 1’248‘000Datenpunkte, welche die kantonalen Amtsstellen regelmässig zu überprüfen hätten.
Und um diese Datenmenge seriös zu überprüfen, müssten deshalb landesweit diese 130 ständigen Arbeitsplätze geschaffen werden, ausgerüstet mit modernsten PC’s und mit Datenverbindungen zu sämtlichen Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber.
Das Dumme an der Sache ist nur, dass 4 Monate vor Inbetriebnahme dieses QS Systems, bei den Kantonen weder Arbeitsplätze noch Kredite noch Räumlichkeiten bewilligt, geschweige denn vorhanden sind.

Allein die obigen 2 Punkte (4.3 und 6) veranlassen uns zu der Annahme, dass das sogenannte QS-System nicht praktikabel ist und mehr oder weniger ein Phantasieprodukt bleibt.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Wallis hat in seinem Urteil A1 05 209 vom 19.5.06 offen zugegeben bei der Beurteilung von technischen Fragen im Mobilfunkbereich passen zu müssen. Dies müsse man den Bundesämtern überlassen.
Und diese Bundesämter BAFU und BAKOM sind in diesem Rechtsstreit als befangene Partei zu betrachten, da sie als Miterfinder des QS-Systems bekannt sind.

Umsetzungsbericht
In den uns vom Verwaltungsgericht TG zur Stellungnahme zugestellten Unterlagen befindet sich auch ein sogenannter Umsetzungsbericht 2.Quartal der Firma Sunrise zur Kontrolle der abgestrahlten Leistung und der Antennenwinkel.

In Punkt 2.3 „Tools und Daten“ wird festgestellt, dass die Resultate der Messungen der Kabeldämpfungen der Basisstationen erst am 1.6.2007 vorliegen werden. Wir möchten das Gericht darauf aufmerksam machen, dass ohne Vorliegen dieser Daten der Kabeldämpfungen das QS-System gar nicht in Betrieb genommen werden kann, da es sich hierbei um einen unverzichtbaren Parameter zur Berechnung der abgestrahlten Leistung handelt. Es ist demnach schon jetzt mit einer Verspätung von mindestens 7 Monaten zu rechnen, falls man das ganze System überhaupt als taugliches Mittel anerkennen möchte.

Bei genauerem Studium der Sunrise-Unterlagen muss mit weiteren Ueberraschungen dieser Art gerechnet werden.

Und das meint das BAFU
In den uns zur Stellungnahme zugestellten Unterlagen befindet sich auch ein Schreiben des BAFU an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vom 5.Juli 06

Offenbar aufgeschreckt durch unsere Kostenberechnungen zum QS-System will jetzt das BAFU plötzlich explizit auf eine behördliche Nachkontrolle der Audits verzichten. Diese behördliche Nachkontrolle sei, so meint das BAFU, bei Buchprüfungen und Qualitäts-managements von Firmen auch nicht erforderlich.

So geht das natürlich nicht! Bei Mobilfunkanlagen geht es nicht um Buchungs- oder Fabrikationsfehler, sondern schlicht um die Gesundheit grosser Bevölkerungskreise. Es ist nicht anzunehmen, dass das Bundesgericht einer solchen Amtsauffassung zustimmen wird.

Ist das BAFU bereits auf dem Rückzug?
Und erstmals spricht das BAFU davon, falls das QS-System nicht zur Zufriedenheit arbeiten würde, müsste bei der Strahlungsberechnung auf die maximal möglichen und nicht auf die von den Betreibern deklarierten Sendeleistungen und Abstrahlwinkel zurückgekommen werden. Wir leiten daraus ab, dass das BAFU bereits heute seiner eigenen Erfindung nicht mehr traut.

Die Justizbehörden wären gut beraten, diese letztere Variante des BAFU bereits heute in Betracht zu ziehen, denn ein QS-System gemäss dem vorliegenden Konzept kann, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gemessen, überhaupt nicht ernst genommen werden.

Siehe auch unter:
„Verstehen Sie Spass?“ mit dem Bundesgericht (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

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