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Petition für weniger Funkstrahlung

19‘135 Betroffene verlangen mit einer Petition an die Eidg. Räte eine Reduktion der Funkstrahlung. Gestern, 14. September war Abgabetermin im Bundeshaus zu Bern.


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von Hans-U. Jakob 15.9.2010

11 mobilfunkkritische Organisationen der Schweiz haben  November letzten Jahres eine landesweite Petition gestartet um eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Christian van Singer und 54 mitunterzeichnenden Parlamentariern zu unterstützen welche verlangt, dass

1) Die Gemeinden die uneingeschränkte Kompetenz erhalten, für die Strahlung von Mobilfunkantennen Zonen mit erheblich tieferen Immissionsgrenzwerten als die von der Landesregierung verordneten, zu schaffen.

2) Sämtliche Geräte, welche Funkstrahlung aussenden, deren Wert auf Packung und Gehäuse auffällig deklariert werden müssen.

Parlamentarische Initiative und Petition sind nötig geworden, nachdem das Bundesgericht im Verlauf der letzten 10 Jahre die Gemeinden, was die Placierung von Mobilfunkantennen anbelangt, auf skandalöse Weise Schritt für Schritt soweit entrechtet hat, dass diese sozusagen nichts mehr zu sagen haben.

Die heutige (un)rechtliche Situation wird am besten wiedergegeben durch den Vortrag von Bundesrichter Dr. Heinz Aemisegger, welchen dieser am 24.1.2008 im Hotel Banana-City in Winterthur gehalten hat. (Entschuldigung, das Hotel heisst tatsächlich so)

Dumme Initiativen

Bundesrichter Aemisegger las den Gemeindevertretern gehörig  die Leviten und machte sie darauf aufmerksam, dass man am  Bundesgericht bei jedem Fall von Baureglementsänderung einer Gemeinde jeweils zuerst die Vorgeschichte studiere.

Sollte diese Aenderung den Ursprung in einer Gemeindeinitiative mit dem Zweck haben – auch wenn dies aus dem Aenderungstext nicht direkt hervorgehe – den Bau von Antennen einzuschränken oder gar zu verunmöglichen, das Bundesgericht diese ablehnen würde. Fernmeldegesetz, Fernmeldeverordnung und NISV liessen dem Bundesgericht dazu genügend Ermessensspielraum.

Aemisegger verstieg sich einmal sogar dazu, die Bezeichnung „dumme Initiativen“ zu gebrauchen.



Damit sollte aufgeräumt werden…

Denn die heutige rechtliche Situation beruht offensichtlich einzig auf dem Ermessensspielraum von Bundesrichter Aemisegger und dessen Kollega Féraud. Derselbe Ermessensspielraum würde es den beiden Herren nämlich anhand von Umweltschutzgesetz, Menschenrechtskonventionen, Bundesverfassung und sämtlichen Kantonsverfassungen ebenso gut erlauben, den gesamten Mobilfunk in der Schweiz zu verbieten, oder zumindest einen vernünftigen Kompromiss anzustreben.

Hinterlist der Parlamentsdienste war nicht mehr zu überbieten. Nachdem man mit den mobilfunkkritischen Organisationen für die Petitionsunterschriften einen Übergabetermin für Dienstag den 14. September 14.00 vereinbart hatte, haben es die selben Parlamentsdienste doch fertiggebracht, die Abstimmung über die parlamentarische Initiative von Christian van Singer kurzfristig auf denselben Tag jedoch um 12.45 Uhr vorzuverlegen. Dies, damit den Petitionären ja keine Zeit verblieb, die Parlamentarier mit entsprechenden Informationen zu versorgen.

Diese Abstimmung war frühestens in der Novembersession erwartet worden und die Vorbereitungen zur Information der Parlamentarier war erst im Anlaufen begriffen. Wer diesen Kunstgriff mit der Vorverschiebung auf wessen Geheiss fertiggebracht hat, ist wohl nicht schwer zu erraten. Schwieriger dürfte es sein, herauszufinden, wer dafür wie viel kassiert hat.

Eine undurchsichtige Rolle spielte auch die Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer. War diese doch 2 mal persönlich dazu eingeladen worden, der Unterschriftenübergabe in der Mittagspause vom 14.9. kurz selber beizuwohnen. Sie hat es indessen vorgezogen, sehr kurzfristig durch das Ratsbüro absagen zu lassen und in vollem Wissen darum, dass 75 Minuten später eine entsprechende Petition mit 19‘135 Unterschriften abgegeben wird, noch husch, husch  eine Abstimmung durchgepaukt.

Trotz diesem Manöver ein erstaunliches Resultat.

Und trotz der haarsträubendsten Mobilfunker-Märchen, die Schweiz habe eh schon 10 mal bessere Grenzwerte als das Ausland und es gebe keine einzige wissenschaftliche Studie, welche irgendwelche Schäden nachweisen könne, dargebracht von einem Vertreter der Mobilfunkindustrie, stimmten mehr als 1/3 der Parlamentarier für die Initiative van Singer. Das genaue Resultat lautete 61 Ja gegen 117 Nein. Das sind schon mal 6 mehr als der Initiant plus  54 Mitunterzeichnende bei der Eingabe der Initiative hatten. Ein Zeichen, dass es doch langsam dämmert im Nationalrat.

Mehr über die Mobilfunker-Märchen erfahren Sie unter /schweizer-vorsorgewerte-sind-und-bleiben-ein-riesenschwindel/ und /es-gibt-keine-wissenschaftlich-gesicherten-effekte/

Unter den Tisch wischen nicht möglich.

Da die Abstimmung vor dem Einreichen der Petition stattfand, das heisst, dass die Petition streng juristisch gesehen zum Zeitpunkt der Abstimmung noch gar nicht existent war, muss diese nach geltenden Reglementen jetzt nochmals vor den Nationalrat. Damit dürfen sich die Parlamentsdienste leider nochmals 1 bis 2 Jahre Zeit lassen und die Mobilfunker können in der Zwischenzeit relativ ungestört mindestens weitere 2000 Antennen aufstellen. Siehe unter /kein-antennenbaugesuch-bleibt-mehr-ohne-einsprache/

Von den Medien völlig ignoriert wurde sowohl Petition wie parlamentarische Initiative. Der Grund liegt auf der Hand: Erhoffte Millionenaufträge für Mobilfunk-Inserate. Siehe unter /244-millionen-belohnung-fuer-falschmeldungen-zu-interphone/ 2.44Millionen Belohnung für Falschmeldung zu Interphone.

Von Hans-U. Jakob

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