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Liechtenstein: Erpressungsversuch der Mobilfunkbetreiber kläglich gescheitert.

Der Landtag bleibt bei seinem Entscheid, die Mobilfunk-Grenzwerte ab 2013 auf 0.6V/m oder 0.00095W/m2 zu senken.

Von Hans-U. Jakob, 29.5.08

 

Das Traktandum 15

Im offiziellen Bericht zur Landtagssitzung von Mittwoch 28.5.09 steht lediglich unter Traktandum 15: Der Bericht zur Erreichung der Grenzwerte für nichtionisierende Strahlung im Bereich Mobilfunk der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung wurde zur Kenntnis genommen.

Ganz so einfach war die Sache dann allerdings doch nicht. Immerhin wurde von 9 bis 12.30Uhr eine hervorragende Debatte mit vielen Wortmeldungen, spannend wie im Krimi, geführt. 

Um was ging es?

Der Landtag hatte im Mai 2008 beschlossen, die Strahlungsgrenzwerte für Sendeanlagen von zellularen Mobilfunknetzen und von Sendeanlagen für drahtlose Teilnehmeranschlüsse im Umweltschutzgesetz festzuschreiben. Bis Ende 2012 wurden die selben  Grenzwerte festgelegt, wie sie auch in der Schweiz gelten. Aber ab dem Jahre 2013 legte der Landtag um einen nochmals Faktor 10 tieferen Wert, das heisst 0.6V/m oder 0.00095W/m2, fest. Gleichzeitig wurde verlangt, dass die Betreiber jährlich einen Bericht zu erstellen haben, in welchem die Fortschritte darzustellen sind, wie diese Vorgabe für das Jahr 2013 zu erreichen ist,  und dass die Regierung dem Landtag einen entsprechenden Fortschrittsbericht zur Kenntnis zu bringen hat.

Dieser Fortschrittbericht glich nun allerdings eher einem Erpresserbrief, oder eigentlich einem Erpresserbuch als einem Bericht zum Stand der Arbeiten zwecks Erreichung tieferer Grenzwerte.

Auf 75 Seiten versuchten die 4 liechtensteinischen Mobilfunkbetreiber Swisscom, Orange, Mobilkom und Allcommunications gemeinsam, untermauert mit einer Unzahl von komplizierten technischen Tabellen und Grafiken, die Abgeordneten zu „überzeugen“ dass bei einem Strahlungsgrenzwert von 0.6V/m, ein rentabler Betrieb mit den neuen Multimedia- und Breitbanddiensten, (sprich Uebertragung von bewegten Bildchen), nicht mehr möglich sei und man deshalb im Jahre 2013 aus Liechtenstein ausziehen werde. Bis dahin werde man in Liechtenstein auch keine Investitionen mehr tätigen.

Diese zusammengefassten Erpressungsversuche kamen gestern bei den Landtagsabgeordneten ganz schlecht an.

Denn kurz zuvor war ausgekommen, dass jetzt ein lachender Dritter, nämlich Sunrise TDC, mit einer ersten Versuchsanlage von Räfis in der Schweiz aus versucht, Liechtenstein mit diesen angeblich unverzichtbaren Multimedia- und Breitbanddiensten zu versorgen.  Dies mit E-Feldstärken, die an der Landesgrenze nur noch 0.23V/m betragen und in den Ortschaften Vaduz und Schaan noch maximal 0.15V/m ankommen.

Sunrise_Raefis.jpg

Die Abstimmungen vom Nachmittag

Da die Sendeanlage in Räfis (Schweiz) im Moment noch mit Einsprachen blockiert ist, stellte der Abgeordnete Jürgen Beck den Antrag, dass die Regierung in Liechtenstein selbst eine ähnliche Anlage aufstellen müsse, mit welcher klar abgeklärt werden solle, wie weit Multimedia- und Breitbanddienste (sprich UMTS) tatsächlich möglich sei. Diesem Antrag wurde mit einer Mehrheit von 76% zugestimmt.



Der selbe Abgeordnete stellte in der Folge den Antrag, die Regierung habe zu prüfen, wie die 4 liechtensteinischen Mobilfunknetz nötigenfalls in ein einziges vom Staat betriebenes Netz zusammengefügt und anschliessend verschiedenen Anbietern zur Verfügung gestellt werden könne. Diesem Antrag wurde mit einer Mehrheit von 64% zugestimmt.

Ein dritter Antrag des Abgeordneten Dr. med. Beppo Frick nach weiteren Lösungsmöglichkeiten mit Priorität Gesundheitsschutz und Maximalfeldstärken von 0.6V/m, zu suchen, wie diese schon vor 4 Jahren von der Firma Enorm GmbH München, vorgeschlagen wurden, fand ebenfalls grosse Zustimmung.

Diese Reaktion des liechtensteinischen Landtages ist ebenso erfreulich wie erstaunlich. Hatten doch im Vorfeld die Mobilfunkbetreiber mittels gross angelegten Pressekampagnen versucht, mit Schlagzeilen wie „Liechtenstein versinkt in einem Funkloch“ oder „Finanzplatz und Industriestandort Liechtenstein wegen fehlender Multimedia und Breitbanddienste in grosser Gefahr“,  die Stimmung im Land anzuheizen.

Dabei wurde „vergessen“ dass Liechtenstein als erster Staat in Europa über ein exzellent ausgebautes Glasfaser-Kabelnetz verfügt und dass es keiner Bank im Traum einfallen würde, ihre geheimen Daten über die Luft zu versenden, wo Hacker mühelos zugreifen können.

Selbst der Sektenjäger Hugo Stamm vom Zürcher Tages-Anzeiger wurde engagiert um die Mobilfunkkritiker als eine gefährliche Sekte zu diffamieren….

 

Alles vergeblich. Die Stimmung im Landtag war eindeutig. Wer die Bestimmung mit den 0.6V/m ab 2013 rückgängig machen wollte, hatte keine Chance. Insgesamt 15 Abgeordnete gaben Erklärungen ab. 12 davon pro Gesundheitsschutz und Beibehaltung der 0.6V/m, nur 3 davon dagegen.

Wer zu höheren Grenzwerten zurückkehren wolle, könne dies über eine Volksinitiative verlangen, wurde gesagt. Der Landtag werde bei seinem Entscheid mit den 0.6V/m ab 2013 bleiben.



Uebrigens: Den Hinweis, dass Sunrise in Liechtenstein jetzt von der Schweiz aus versucht, über die Landesgrenze hinweg, Multimedia- und Breitbanddienste (sprich UMTS) anzubieten, erhielten die Landtagsabgeordneten von der Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch, welche über exakte Daten zu diesem Vorhaben verfügt. Für Ortsunkundige: Liechtenstein besteht aus einem schmalen Landstreifen, eingeklemmt zwischen der Schweiz und Oesterreich. Eine Versorgung oder Verstrahlung über die Landesgrenzen hinweg, stellt deshalb kein Problem dar.

Weitere Informationen zu Liechtenstein unter:

/liechtenstein-erpressungsversuche-gehen-weiter/

/strahlen-angriff-auf-liechtenstein/

/swisscom-erpresst-regierung-von-liechtenstein/

Von Hans-U. Jakob

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