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Fehler, Irrtümer oder einfach Mogeleien?

Immer wenn umweltbelastende Projekte spruchreif werden, ruft die Bevölkerung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Jeweils im festen Glauben daran, diese werde von einer unabhängigen Behörde vorgenommen. Ein kolossaler Irrtum!
Umweltverträglichkeitsberichte müssen nach schweizerischem Recht von den bauwilligen Unternehmungen (Bauherren) bei einem Ingenieurbüro nach freier Wahl in Auftrag gegeben und von ersteren auch selber bezahlt werden. Das kann in die Hunderttausende, wenn nicht gar in die Millionen gehen. Und wenn sie schon bezahlen müssen, behalten sie sich auch ein weitgehendes Mitsprache- und Vetorecht vor.
Umweltverträglichkeitsberichte nach schweizerischem Recht verkommen deshalb vielfach zur Farce oder zu einer schlechten Cabaret-Vorstellung.
Eigentlich stünden auf der Fälschung von Gutachten recht hohe Zuchthausstrafen. Aber welcher Staatsanwalt möchte sich schon seine Karriere versauen…..

von Hans-U. Jakob, 11.8.06

Ein Musterbeispiel dazu lieferte kürzlich der Umweltverträglichkeitsbericht zu der Projektänderung der Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg der Bernischen Kraftwerke AG.-
Um was es geht:
Die bestehende Hochspannungsleitung von 132kV 600Ampère soll auf 230kV 3000Ampère (=10fache Transportkapazität) umgebaut werden. Dazu muss die alte Leitung vollständig abgebrochen und teilweise mit einer neuen Linienführung neu aufgebaut werden.

Das erste Umbauprojekt wurde 2004 aufgelegt und hat bei der betroffenen Bevölkerung einen wahren Entrüstungssturm ausgelöst. Mit einzelnen Projektänderungen versuchte nun die BKW im Juni 2006 die Bevölkerung etwas zu beruhigen. Sie haben damit eher das Gegenteil erreicht. Weshalb, ist aus dem nachstehenden Bericht ersichtlich.
Die Bilder stammen allesamt aus einem Powerpoint-Vortrag, welcher sowohl bei der betroffenen Bevölkerung wie auch bei den involvierten Gemeinderäten auf grosses Interesse stiess. Nach Abschluss der Vortragstournee durch das betroffene Gebiet veröffentlichen wir hier die wichtigsten Bilder und Texte.

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Bild 1: Projektänderung 2
grün = bestehende Linienführung, blau = Projekt 2004 und rot = Projekt 2006
Die gelben Marken enthalten die Masthöhen gemäss den Ausführungsplänen der BKW

Gartenhag-Politik
Um die Weiler Mühlebach und Pontel von den enormen Magnetfeldern, welche diese Hochspannungsleitung verursacht, etwas zu entlasten, lässt der Gemeinderat von Mühlethurnen die Leitung an die Gemeindegrenze in Richtung Riggisberg verschieben und zieht seine Einsprache gegen das ursprüngliche Projekt zurück. Sollen die Andern die Last tragen!
Dadurch würde diesem einmalig schönen Landschaftsbild jedoch ein Schaden zugefügt, welcher nie wieder gut zu machen wäre und einer der schönsten Buchenwälder Europas würde durch den Anblick der Leitung optisch zerstört.

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Bild 2: Geländeschnittzeichnung bei Mast 286 und 287.
Eine Fotokopie aus dem Umweltverträglichkeitsbericht der Firma Sigmaplan.
Mit der Bezeichnung „Auflageprojekt“ ist das Projekt von 2004 gemeint. Links davon die 2006 neu plazierten Masten 286 und 287. Diese sehen auf dieser Zeichnung noch recht harmlos aus. Ja sie verschwinden bei der hier dargestellten Höhe von lediglich 50m beinahe in den Bäumen. Ein völliger Trugschluss! Fortsetzung siehe auf dem nächsten Bild.

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Bild 3: Nochmals die selbe Geländeschnittzeichnung
Aber diesmal mit den richtigen Masthöhen (grün dargestellt), herausgelesen aus den Ausführungsplänen (Konstruktionszeichnungen) der BKW, welche auf den betroffenen Gemeindeverwaltungen zur Einsichtnahme auflagen.
Die grünen Maste und die gelben Marken wurden von uns angebracht
Mast Nr. 287 wächst von 50 auf 82m und Mast 286 von 50 auf 65m. Und der Fuss von Mast 286 käme laut Konstruktionszeichnung auf 719m/M zu liegen, das heisst sogar noch etwas oberhalb von Nr.287

Abegg-4.jpg

Bild 4: Nochmals eine Farbkopie aus dem Umweltverträglichkeitsbericht
Im Bild-Text von Sigmaplan wird behauptet, vom Aussichtspunkt „Unterem Holz“ wäre die Leitung nur im Bereich der obersten 5m (Mastspitze) sichtbar. Gemäss den Ausführungsplänen der BKW sind dies jedoch mindestens 21.5m. Die Photomontage (weiss eingefärbt) wurde von uns eingefügt und ist massstabgetreu.
In der Abegg-Stiftung (ganz rechts im Bild, leider verdeckt durch Höhenangaben) lagern unzählige antike Textilien von unschätzbarem Wert. Da diese oft Metallfäden enthalten oder versilbert und vergoldet sind, muss mit ihrer Zerstörung oder mindestens mit ihrer Beschädigung durch die enormen Magnetfelder der Leitung, die 50 Schwingungen pro Sekunde verursachen, gerechnet werden.
Im Vordergrund links das Abegg-Schloss

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Bild 5: Mast Nr. 289 in der Gemeinde Rümligen, an sehr exponierter Stelle unterhalb der Unterholzegg. Dieser 79m hohe Mast ist im Umweltverträglichkeitsbericht weder in einem Geländeschnitt noch in einer Photomontage zu finden. Deshalb holen wir dies hier nach.
In dieser Eigenaufnahme fehlen natürlich noch die 6 Doppelseile (Stromleiter) mit je 2x400mm2 Querschnitt, welche dieses einmalige Landschaftsbild noch mehr verunstalten würden. Die Seile werden nicht etwa waagrecht gespannt, sondern weisen wegen ihrem hohen Gewicht einen enormen Durchhang auf, der zeitweise bis knapp über die Baumwipfel herunterreicht.

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Bild 6: Projektänderung 3 im Scherlibachtal zwischen Bachmühle und Oberscherli, ebenfalls in einem geschützten Gebiet von nationaler Bedeutung.
Um die Einzelhöfe Uecht und Horberenmatt etwas von den enormen Magnetfeldern zu entlasten wurde die Linienführung hangaufwärts an die Waldränder verschoben, was die Leitung jetzt im Gelände wesentlich stärker auffallen lässt. Wie die nachfolgenden Bilder zeigen, war das, aus Sicht des Landschaftsschutzes, gar keine gute Idee und musste im Umweltverträglichkeitsbericht gewaltig heruntergespielt werden.
grün = bestehende Linienführung, blau = Projekt 2004 und rot = Projekt 2006
Die gelben Marken zeigen die Masthöhen gemäss den Ausführungsplänen der BKW

Oberbalm-2.jpg

Bild 7: Geländeschnittzeichnung (Kopie) bei Mast 319 und 320 aus dem Umweltverträglichkeitsbericht der Firma Sigmaplan
Mit der Bezeichnung „Auflageprojekt“ ist das Projekt von 2004 gemeint. Links davon der 2006 neu plazierte Mast 319. Mast 320 wurde „vergessen“. Weshalb, wird auf den nächsten Bildern klar.

Oberbalm-3.jpg

Bild 8: Nochmals die selbe Geländeschnittzeichnung
Aber diesmal mit den richtigen Masthöhen (grün dargestellt), herausgelesen aus den Ausführungsplänen (Konstruktionszeichnungen) der BKW.
Die grünen Maste und die gelben Marken wurden von uns angebracht
Mast Nr. 319 wächst von 45 auf 60m und Mast 320 ist jetzt eingefügt. Dieser wird sage und schreibe 82m hoch. Ein guter Grund für die „Vergesslichkeit“ der Sigmaplaner.

Oberbalm-4.jpg

Bild 9: Eigenaufnahme beim Weiler Leimen 1km östlich der Ortschaft Oberbalm, aber immer noch innerhalb des Schutzgebietes von nationaler Bedeutung.

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Bild 10: Eigenaufnahme des Hofes Bärenried, 1km östlich der Ortschaft Oberbalm, und innerhalb des Schutzgebietes von nationaler Bedeutung.
Die Fotomontage zeigt den von 45 auf 60m Höhe „angewachsenen“ Mast Nr.319.
Hier nicht hinein montiert sind die 6 Doppelseile (Stromleiter) mit je 2x400mm2 Querschnitt, welche dieses einmalige Landschaftsbild noch mehr verunstalten würden. Die Seile werden nicht etwa waagrecht gespannt, sondern weisen wegen ihrem hohen Gewicht einen enormen Durchhang auf, der zeitweise bis knapp über die Baumwipfel herunter reicht.

Weiermatt-1.jpg

Bild 11: Eine Farbkopie aus dem Umweltverträglichkeitsbericht 2004
Die weissen und gelben Marken wurden durch uns angebracht.
Bereits damals wurde mit den Masthöhen gewaltig gemogelt. Anhand der Konstruktionszeichnungen der BKW, welche auf den betroffenen Gemeindeverwaltungen zur Einsichtnahme auflagen, konnte nachgewiesen werden, dass die 70 und 78m hohen Masten 293 und 294 auf der Fotomontage von Sigmaplan rund 20m zu wenig hoch dargestellt worden sind.
Und der Kahlschlag von 2/3 des hier sichtbaren Waldes wurden als dringend notwendige Waldrandaufwertung deklariert(!)

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Bild 12: Ausschnitt aus dem Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK.
Die ENHK ist eine politisch zusammengesetzte Kommission des Bundesamtes für Umwelt BAFU.
Beim Lesen dieses Gutachtens kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus und man fragt sich, ob diese Leute denn nicht im Stande sind Pläne zu lesen, oder ob sie die Mogeleien der BKW resp. der Sigmaplan einfach decken wollten? Im letzteren Fall müsste man von einem Amtsmissbrauch nach Art.312 StGb. sprechen, welcher mit bis zu 5 Jahren Zuchthaus bestraft wird.

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Bild 13: Das grosse Schlussbouquet dieser Bilderserie, welche nur die berühmte Spitze des Eisberges darstellt. Eigentlich hätten wir alle 110 Maste kontrollieren und nachrechnen müssen. Dazu fehlte uns schlicht die Zeit und das Geld.
Wenn die ENHK von 30 bis 40m hohen Masten spricht, die in den Ausführungsplänen dann 45 bis 88m, das heisst im Schnitt 67m hoch werden, muss man sich schon fragen, wie stark dann in der „Berechnung“ der Intensität und der Ausbreitung der Magnetfelder gemogelt wurde.
Der 88m hohe Mast soll übrigens in Niederwangen an der Neueneggstrasse, direkt neben einem Wohnhaus zu stehen kommen.

Gigaherz und die Interessengemeinschaft Umweltfreundliche Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg, IG-UHWM, danken allen Gemeinderäten der betroffenen Gemeinden die sich Zeit genommen haben, uns anzuhören und in der Folge erneute Einsprachen gegen das Projekt deponiert haben.
Wir sind nicht prinzipiell gegen ein gut funktionierendes Hochspannungsnetz. Wir fordern einzig und allein eine umweltfreundliche sowie magnetfeldfreie Verlegungsart und diese heisst nach wie vor: „In den Boden mit solchen Leitungen!“ Die Zeit ist reif dafür und die Technologie dazu ist seit 10 Jahren vorhanden und ausgereift. Sie heisst GIL (Gas-Isolierte Leitungen) und wartet nur darauf endlich angewendet zu werden. Auch wenn dadurch die Milliardengewinne der Stromhändler ein kleines Bisschen schrumpfen.

Die Vorgeschichte kann hier angeklickt werden

Baudirektor stolpert über Hochspannungsleitung (unter Historisches)

Beitrag Nr. 883 (wird aus dem Archiv geholt)

Beitrag Nr. 827 (wird aus dem Archiv geholt)

Beitrag Nr. 799 (wird aus dem Archiv geholt)

Besuchen Sie auch die direkt Betroffenen bei:

www.ig-uhwm.ch Interessengemeinschaft für eine umweltfreundliche Hochspannungsleitung Wattenwil BE – Mühleberg BE

Von Hans-U. Jakob

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