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Effiziente Liquidierung von Einsprechern

Wie unser Bundesamt für Umwelt (BAFU), das Bundesamt für Energie (BFE) und das Eidg. Starkstrominspektorat (ESTI) die Rechte der Bevölkerung drastisch einschränken wollen.

Hans-U. Jakob, 23.1.09

Bis anhin konnte jedermann/frau welche/r sich durch eine projektierte Hochspannungsleitung beeinträchtigt fühlte, sei es rein visuell oder auch gesundheitlich, gegen ein Hochspannungsleitungsprojekt Einsprache oder Beschwerde führen.

Das führt in den meisten Fällen zu einer Flut von Einspracheverfahren, wobei die meisten bis vor Bundesgericht gezogen werden.

Weil sich grosse regionale Gruppierungen zu sogenannten Streitgenossenschaften zusammenschliessen, ist die Finanzierung solcher Verfahren heute kein Problem mehr. Abgesehen davon, dass die Verfahren vor den ersten 2 Instanzen (Starkstrominspektorat und Bundesamt für Energie) gratis sind.

Das Ganze führt natürlich zu riesigen Verzögerungen in der Realisierung solcher Bauprojekte.  Die Schuld für diese Verzögerungen, die in der Grössenordnung bis zu 10 Jahren liegen, ist jedoch mitnichten bei den Einsprechern und Beschwerdeführern zu suchen, sondern eindeutig bei den Behörden und Bundesämtern.  So dauert es in der Regel volle 5 Jahre (!), bis so ein Projekt bei den ersten 2 Instanzen durchgelaufen ist.

Bei der projektierten neuen Hochspannungsleitung von Wattenwil nach Mühleberg zum Beispiel, lief die erste Einsprachefrist bis Ende Januar 2004.  Heute, 5 Jahre später liegt das Projekt auch bei der 2.Instanz (Bundesamt für Energie) immer noch in der Schublade und kann später nochmals an das Bundesverwaltungsgericht und dann noch an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Dies ist nicht etwa auf Behörden-Schlendrian zurückzuführen, sondern auf den Sparfimmel unserer Wirtschaftspolitiker, die sich mit dem Personalstopp bei den Bewilligungsbehörden selbst ein ganz dickes Ei gelegt haben.

Opponenten hören, nachdem sie ihre Einsprache oder Beschwerde deponiert haben, meistens volle 18 Monate überhaupt nichts mehr davon.

Vielfach Schuld am Schlammassel sind auch die Projekt-Ersteller selber.  Weil sie die Bevölkerung als dumm und unwissend betrachten, wird in den Projektauflagen und Umweltverträglichkeitsberichten gelogen und gemogelt, dass die Balken krachen.  So musste das Projekt Wattenwil-Mühleberg zu 2 Malen neu aufgelegt werden.

Jetzt will der Bundesrat die Verfahren damit beschleunigen, dass anstatt die Behörden aufgestockt, die Volksrechte eingeschränkt werden sollen.

In einem Entwurf zu einer Vollzugshilfe zu Hochspannungsleitungen, welche noch bis Juni 2009 in Erprobung steht, will das BAFU den Kreis der Einspracheberechtigten massiv dezimieren.


Einspracheradius.jpg 



Bild oben (aus BAFU Vollzugshilfe): Zu Einsprachen und Beschwerden soll nur noch berechtigt sein, wer maximal auf der doppelten Distanz zum neuen Anlagegrenzwert von 1Mikrotesla (uT) wohnt. Bei einem Stromfluss von 2000Ampère wären das lediglich noch 124m. Wer weiter weg wohnt hätte sozusagen nichts mehr zu sagen.

Das geht aber so nicht:

Das BAFU hat keine Weisungsbefugnisse und darf lediglich Empfehlungen abgeben, an welche sich niemand zu halten braucht, solange diese nicht in einer vom Bundesrat herausgegebenen Verordnung stehen.

In der zur Zeit in der Vernehmlassung stehenden Aenderung der NISV (Verordnung über nichtionisierende Strahlung) ist jedenfalls nichts in dieser Richtung zu finden.

Die vom BAFU empfohlene Lösung stellt auch noch eine Rechtsungleichheit zu Einsprechern gegen Mobilfunkanlagen dar. Diese haben nämlich ein Einspracherecht, wenn sie innerhalb des Kreises wohnen oder arbeiten, in welchem die Strahlung 10% des Anlagegrenzwertes beträgt.  Ueberträgt man diese Regel auf Hochspannungsleitungen von zB. 2000 Ampère Stromfluss, wäre die Distanz von vollen 500m links und rechts der Leitung gegeben, anstatt nur von 124m.

Einen weiteren Schabernack erlaubt sich das BAFU bei der Parallelführung von alten und neuen Leitungen.

Alte Leitungen sind solche die vor dem Februaur 2000, das heisst vor Inkrafttreten der NISV (Verordnung des Bundesrates über nichtionisierende Strahlung) erstellt worden sind, das heisst mit einem damals erlaubten Strahlungsgrenzwert von 100uT (Mikrotesla)

Neue Leitungen sind solche, die nach Inkrafttreten der NISV im Februar 2000 erstellt worden sind und nur noch einen Strahlungsgrenzwert (Anlagegrenzwert) von maximal 1 Mikrotesla (100mal tiefer) aufweisen dürfen.

 


Parallelleitung.jpg

 

Jetzt möchte das BAFU im Entwurf zur Vollzugshilfe aus der Parallelführung von alten und neuen Leitungen, eine alte Anlage machen, die lediglich den Grenzwert von 100uT einhalten muss.  Das kommt häufiger vor, als man denkt. Etwa in unseren engen Alpentälern oder auf der Nord-Süd-Achse, wo der Stromexport nach Italien floriert.  Und aus solchen Parallelführungen möchte das BAFU jetzt gerne eine alte Anlage machen, welche mit den vorsintflutlichen Grenzwerten von 100uT betrieben werden darf

Auch das geht nicht:

In der NISV, auch in der Aenderung, welche sich noch in der Vernehmlassung befindet, steht wohl, dass, wenn ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen 2 Leitungen bestehe, dieser strahlungstechnisch als eine gemeinsame Anlage zu betrachten sei.  Davon, dass jetzt aus einer alten und einer neuen Leitung plötzlich eine alte Anlage werden soll, steht keine Silbe. Weder in Gesetzen noch in Verordnungen.

Hier arbeitet das BAFU unbefugterweise den Stromhändlern in die Hände,  was soeben (am 22.Januar 09) zu einer Beschwerde einer betroffenen Gemeinde im Kanton Schwyz beim Bundesverwaltungsgericht geführt hat. Hier hätten Anwohner bis zum 10-Fachen des Grenzwertes für neue Leitungen, das heisst, bis zu 10uT erdulden müssen.  Auf das Gerichtsurteil über diese mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbare Idee des BAFU, darf man gespannt sein.  Zumal unsere Richter oft in einer Welt weitab von den berechtigten Anliegen der Bevölkerung leben und die Formaljuristerei bekanntlich mit gesundem Menschenverstand oft nicht mehr viel zu tun hat.


Weitere Infos zu Hochspannungsleitungen unter:

/pressekonferenz-erdverlegung-von-hochspannungsleitungen/

/was-sich-die-medien-nicht-zu-sagen-getrauten/


Von Hans-U. Jakob

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