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Die Riesen von Thalwil

Wenn Container plötzlich zu Mauerbrüstungen werden.

Die Korruption in diesem Land nimmt langsam ungeheuerliche Formen an.

Von Hans-U. Jakob, 5.3.2011

Eine Mauerbrüstung ist nach Regeln der Baukunst (SIA-Norm) eine Absturzsicherung für Menschen, damit diese nicht über den Rand eines Flachdaches oder eines Balkons hinausstolpern.

In der Schweiz weist eine Mauerbrüstung nach Vorschrift eine Höhe von 90cm auf. Bei Gebäuden über 12m Höhe eine solche vom 110cm.

Nicht so, wenn eine Mauerbrüstung gar keine Mauerbrüstung ist, sondern ein Container aus Kunststoff mit einer Grundfläche von 6.1×3.6m und darin eine vollständige Mobilfunk-Basisstation mit allen Apparatekasten, Kabelkanälen, Sektor- und Richtfunkantennen versteckt ist.  Ja dann darf die Mauerbrüstung gerne mal 2.7m hoch werden.




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Bild oben: Ausschnitt (Seitenansicht) aus dem Projektplan. Rot ausgezogen: Der 2.7m hohe Apparatecontainer welcher lediglich eine Mauerbrüstung sein soll. Rot gestrichelt: Der Inhalt des Containers



So geschehen in der Gemeinde Thalwil am Zürichsee, wo die Planungs- und Baukommission über ein Baugesuch der Firma Alcatel-Lucent für eine Mobilfunk-Basisstation auf dem Flachdach des Geschäfts-und Wohngebäudes Alte Landstrasse 127 zu befinden hatte.

Da bei der Überprüfung des Baugesuches bald einmal feststand, dass das Gebäude nach Baureglement der Gemeinde Thalwil bereits vor Jahren um 2 Stockwerke zu hoch gebaut worden war, ohne dass da jemals jemand interveniert hätte und jetzt nochmals um ein Stockwerk, in Form eines Containers in der Grösse einer 1½-Zimmer Wohnung, hätte aufgestockt werden sollen, war guter Rat teuer.

Wie lange die Damen und Herren über dem Problem gebrütet haben, der Mobilfunkgesellschaft das Bauen trotzdem zu erlauben,  ist nicht bekannt. Bekannt ist lediglich, dass plötzlich einem der Kommissionsmitglieder ein Kirchenlicht aufgegangen ist. Sagen wir doch einfach, der Container sei gar kein Container, sondern lediglich eine Mauerbrüstung, da dieser ja ohnehin an den Rand des Flachdaches zu stehen kommt.

Denn Mauerbrüstungen müssen nach Baureglement der Gemeinde Thalwil nicht an die Gebäudehöhe angerechnet werden. Ergo wird das Gebäude gar nicht höher als es schon ist.

Gesagt getan, die Basis-Station wurde mit der Ausrede bewilligt, es handle sich hierbei nicht um eine unzulässige Dachaufbaute, sondern lediglich um eine Mauerbrüstung. 

Die Riesen von Thalwil

Damit waren ein Duzend Anwohnerinnen und Anwohner  nicht einverstanden.

Denn so sagten sie sich, um als Mauerbrüstung von 2.7, statt lediglich 1.1m durchgelassen zu werden, müssten die Thalwilerinnen und Thalwiler eigentlich auch 2.4mal grösser sein als ein heutiger Standartmensche von 1.75m.  Das heisst, im Schnitt 4.2m.

Davon wollten aber weder die Baurekurskommission noch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich etwas wissen. Beide folgten der Argumentation der Alcatel-Anwälte, Badetscher und Consorten, welche in ihrer Duplik (Stellungnahme) vom 10.Mai 2010 tatsächlich erklärten, Zitat: „Die Planungs- und Baukommission Thalwil hat den technischen Container korrekt als Brüstung qualifiziert“. Zitat Ende

Diesen Nonsens, welcher in der Bevölkerung für grosse Heiterkeit sorgte, kaschierte daraufhin das Verwaltungsgericht am 17.Nov. 201 mit vollen 4 Seiten Juristenquatsch, aus welchem wahrscheinlich nicht einmal das Gericht selbst klug wurde.

Der technische Container bleibe eine Mauerbrüstung, entschied das Verwaltungsgericht. Die Beschwerdeführenden hätten nicht darlegen können, wieso eine Mauerbrüstung von 110cm Höhe und 20 cm Dicke nicht zugleich auch ein Apparatecontainer in der Grösse einer 1 ½ -Zimmer Wohnung sein könne. Basta.

Entscheid VB.2010.00499. Seiten 4-7

Noch dämlicher stellte sich das Bundesgericht am 18. Januar 2011 an. Dieses erklärte kurzerhand die Beschwerdeführer hätten für ihre Beschwerde keine Begründung liefern können, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletze. Dies obschon auf vollen 2 Seiten dem Bundesgericht klar zu machen versucht wurde, dass ein Container von 6.1×3.6m Grundfläche und 2,7m Höhe unmöglich eine Mauerbrüstung von 110cm Höhe und 20cm Dicke darstellen könne.

Ein solches räumliches Vorstellungsvermögen durfte trotz Planbeilage offensichtlich vom Bundesgericht nicht erwartet werden.

Auf die Beschwerde werde mangels Begründung gar nicht erst eingetreten, entschied das Bundesgericht.(!) Urteil 1C_17/2011.

Zu diesem juristischen Cabaret mag es gekommen sein, weil der Besitzer des Gebäudes, welcher sein Flachdach zur Verfügung stellte, nicht nur einen beträchtlichen Teil der Thalwiler Immobilien besitzt, sondern auch noch ein bekannter Millionen-Sponsor abhebender, hochtrabender Sportveranstaltungen ist. Bekanntlich sind alle Bürger und Bürgerinnen vor dem Gesetz gleich, ausgenommen Sponsoren ab einer gewissen Beitragshöhe.

Etwas Licht in das Debakel bringt vielleicht auch der Beitrag

unter /schmieren-und-salben-hilft-allenthalben-1682/

So ganz wohl bei der Sache war es dem Bundesgericht dann doch nicht. Es wurden nämlich keine Kosten gesprochen.

Übrigens: In der Region Thalwil-Oberrieden-Horgen gibt es heute insgesamt 61 Mobilfunkantennen. Mindestens 6 sind zur Zeit in Planung

Von Hans-U. Jakob

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