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Woher die elektromagnetische Belastung der Bevölkerung stammt

Eine neue Studie der Universitäten Bern und Basel:

Publiziert bei Gigaherz am 27.6.09


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Zeitliche und räumliche Variabilität der persönlichen Exposition

gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern

 

[Temporal and spatial variability of personal exposure to radio frequency electromagnetic fields]

 

Patrizia Freia,b, Evelyn Mohlera,b, Georg Neubauer c, Gaston Theis d, Alfred Bürgi e, Jürg Fröhlich f, Charlotte Braun-Fahrländer b, John Bolte g, Matthias Egger a und Martin Rööslia b

 

a Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern

b Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Basel, Steinengraben 49, 4051 Basel

c Smart Systems Division, Austrian Research Centers GmbH-ARC, Seibersdorf, Österreich

d Lufthygieneamt beider Basel

e ARIAS Umwelt-Forschung-Beratung, Bern

f Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenzelektronik, ETH Zürich

g Laboratory for Radiation Research, National Institute for Public Health and the Environment (RIVM), Bilthoven, The Netherlands

 

Eingegangen 15. Dezember 2008; überarbeitet 17. April 2009; angenommen 27. April 2009; online 23. Mai 2009.

 

Zusammenfassung

 

Hintergrund: Über die Exposition der Bevölkerung gegenüber hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (HF-EMF) in industrialisierten Ländern ist wenig bekannt.

 

Ziele: Untersuchung der Expositionsniveaux sowie des Einflusses verschiedener HF-EMF-Quellen und -Anordnungen anhand einer repräsentativen Anzahl von Probanden in einer Schweizer Stadt.

 

Methoden: Die HF-EMF-Exposition von 166 Freiwilligen aus Basel, Schweiz, wurde mit individuellen Geräten für die Aufzeichnung der Strahlungsexposition (Exposimeter) gemessen. Die Teilnehmer trugen ein Exposimeter eine Woche lang mit sich herum (bei 32 Teilnehmern waren es zwei separate Wochen) und führten ein Tagebuch über ihre Aktivitäten. Die Mittelwerte wurden mit der Methode der „Robust Regression on Order Statistics“ (ROS) berechnet.

 

Ergebnisse:  Die mittlere wöchentliche Exposition gegenüber der Gesamtheit der HF-EMF-Quellen betrug 130 ?W/m2 (0.22 V/m) (Bereich der individuellen Mittelwerte 14–881 ?W/m2). Die Exposition wurde hauptsächlich verursacht durch Mobilfunk-Basisstationen (32.0%), Mobiltelefone (29.1%) und schnurlose DECT-Telefonapparate (22.7%). Personen, die ein DECT-Telefon (gesamter Mittelwert 150 ?W/m2 0.24Vm) oder ein Mobiltelefon (140 ?W/m2 0.23V/m) besassen, waren stärker exponiert als solche, die kein DECT- oder Mobiltelefon hatten (100 ?W/m2 0.19V/m). Die Mittelwerte waren am höchsten in Eisenbahnzügen (1’160 ?W/m2 0.66V/m), Flughäfen (740 ?W/m2 0.53V/m) und Strassenbahnen oder Bussen (360 ?W/m2 0.37V/m), und höher während des Tages (160 ?W/m2 0.25V/m) als nachts (80 ?W/m2 0.17V/m). Der Spearman-Korrelationskoeffizient der mittleren Exposition zwischen der ersten und der zweiten Woche betrug 0.61.

 

Schlussfolgerungen: Die Exposition gegenüber HF-EMF variierte beträchtlich von Person zu Person sowie an den verschiedenen Orten, war aber bei den einzelnen Personen ziemlich konsistent. Mobiltelefone, Mobilfunk-Basisstationen und Schnurlostelefone waren in einem städtischen Gebiet in der Schweiz bedeutende Expositionsquellen.

 

Übersetzung: www.buergerwelle-schweiz.org 28.05.09

Die in der Studie verwendete Einheit mW/m2 haben wir ersetzt durch die gebräuchlicheren ?W/m2. Unrechnung in V/m durch Gigaherz.ch

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Ein Kommentar von Dipl. Ing Peter Schlegel

http://www.buergerwelle-schweiz.org



Die wichtigste Folgerung aus der Studie
ist diejenige, dass die heutige Hauptbelastung der städtischen Bevölkerung mit elektromagnetischer Strahlung zu je etwa einem Drittel von den Mobilfunkantennen, den Handys und den häuslichen Strahlungsquellen wie Schnurlostelefone und WLAN-Anlagen stammt. Das bedeutet, dass eine Verringerung der Strahlungsbelastung der Bevölkerung bei allen drei Kategorien von Strahlungsquellen ansetzen muss.

 

Es handelt sich um die durchschnittliche Belastung. Die individuelle elektromagnetische Belastung kann im Einzelfall stark davon abweichen. Beispiele:

1. In Mehrfamilienhäusern und Büros ist die Belastung durch eigene und nachbarliche DECT-Telefone und WLAN-Anlagen oft die stärkste.

2. Umgekehrt kann in einer Dachwohnung die Belastung durch einen GSM-/UMTS-Antennenmast auf dem Nachbargebäude bei weitem überwiegen.

3. In Quartieren, die nahe bei einem Sendeturm mit Radio- und TV-Antennen liegen, ist der Belastungsanteil vor allem infolge DVB-Strahlung (digitales Fernsehen) höher als hier gezeigt.

Die Strahlungsbelastung an den verschiedenen Aufenthaltsorten

kann grob folgendermassen eingeteilt werden (Strahlung in abnehmender Reihenfolge):

weitaus am stärksten im Eisenbahnzug; stark am Flughafen; in Strassenbahn/Bus – vor allem wegen der Mobiltelefonverbindungen und wegen der Handover-Signale1 im Standby.

mittel beim Einkaufen; im Auto; im Freien; im Restaurant; im Spital/Arzt; am Arbeitsplatz.

weniger an der Uni; zu Hause; im Sportzentrum; bei Besuchen; im Kino/Theater/Konzert; in Kirchen; in Schule/Kindergarten – vor allem wegen fehlender Mobiltelefonverbindungen.

 

Die Selbstbestrahlung durch die eigene drahtlose Kommunikation (Handy und DECT-Mobilteil) wurde bei der Mittelwertberechnung nicht berücksichtigt. Die publizierten Strahlungswerte repräsentieren die Belastung, die man aus der Umgebung erhält (ähnlich dem Passivrauchen).

Mittelwerte statt Spitzenwerte

Das in dieser Studie von 166 Teilnehmern eine Woche lang mitgetragene französische Exposimeter 2 misst bloss die Mittelwerte 3. Die bio-elektromagnetischen Vorgänge in den Körperzellen reagieren jedoch auf die
Spitzenwerte. Dieser Mangel der Messungen wirkt sich vor allem bei der DECT- und noch stärker bei der WLAN-Strahlung aus, die wesentlich unterschätzt wird.

Pulsung nicht berücksichtigt

Dazu kommt, dass die Aggressivität der Strahlung für den Organismus von der Art und Frequenz einer Pulsung (oder Taktung) der Strahlung abhängt. Gerade die mit 10 Hertz getaktete WLAN-Standby-Strahlung wird von elektrosensiblen Personen als besonders aggressiv empfunden 4. Von der unerlässlichen Gewichtung aller gemessenen Strahlungswerte anhand des Einflusses der Pulsung (Taktung) der Strahlung sprechen die Studienautoren jedoch nirgends.

 

Befremdlich hingegen ihre Wiederholung der üblichen Formel: „Die bisherigen Studien stützen die Annahme gesundheitsschädigender Effekte durch derart niedrige Strahlung nicht.“

Abgesehen von den erwähnten Mängeln bestätigt die Studie immerhin, was aus der Erfahrung tausender Betroffener bereits bekannt ist. Aber es zeigt auch, wie weit die Wissenschaft der Realität hinterherhinkt.

Ein Warten auf den Konsens in der Wissenschaft ist nicht verantwortbar.

Die Hinweise aus vorhandenen Studien, die Warnungen mutiger Ärzte und Wissenschaftler sowie die Praxiserfahrungen genügen längst. Es muss j e t z t gehandelt werden.

 

www.buergerwelle-schweiz.org, 07.06.09

1 Handover = Übergabe des im fahrenden Verkehrsmittel empfangsbereiten Mobiltelefons von einer Zelle (Antenne) zur nächsten

2 Ein deutsches Exposimeter misst auch Spitzenwerte, kann aber die Radio- und TV-Frequenzen nicht messen.

3 Mittelwerte der Strahlungsimmissionen, in dieser Studie als Leistungsflussdichte z.B. in ?W/m2

4 Die Frequenz der im EEG gemessenen Alpha-Gehirnwellen beträgt 8-12 Hertz. WLAN taktet mit 10 Hertz in demselben Frequenzbereich.

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Eine Ergänzung von Hans-U. Jakob (Gigaherz.ch)

Einigermassen zuverlässig ausgeräumt wird in der Studie, dass der weitaus grösste Teil der hochfrequenten elektromagnetischen Belastung der Bevölkerung aus Radio- und TV-Sendern stamme. Eine Irrmeinung die bislang stets mit grosser Vorliebe von allen Verhamlosern der Handy- und übrigen Schnurlostechnologie mit Vehemenz verbreitet wurde.

Die Darstellung des Kuchens ist insofern brauchbar, weil die Anteile der verschiedenen Quellen von hochfrequentem Elektrosmog über den gesamten dargestellten Frequenzbereich ungefähr gleich falsch, erfasst worden sind.

Die absolute Messwerte dagegen, sind viel zu tief angegeben.

Weshalb die in der Zusammenfassung der Studie in uW/m2 oder in V/m viel zu tief ausgefallen sind und je nach Messort mit dem Faktor 10 bis 100 multipliziert werden müssten, ist in /das-dosimeter-ein-peut-eterli-oder-ninueterli-/ (Das Dosimeter ein Peut-êterli oder Ninüterli) eingehend beschrieben.

Hier nur so viel, dass es sich in der Studie um die Mittelwerte der Mittelwerte handelt, die über eine ganze Woche gemittelt bei einem Probanden aufgezeichnet wurden.

 

Das darf niemals für einen Vergleich mit den amtlichen Grenzwerten herangezogen werden. Denn bei der Grenzwertkontrolle geht es um gesuchte Spitzenwerte im höchst belasteten Raum einer Wohnung zu einer Zeit mit Spitzenauslastung der Sender. Kein Wunder, dass das Dosimeter zum Lieblingsspielzeug der Elektrosmogleugner und Verhamloser geworden ist.

Von Hans-U. Jakob

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