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Vollzugsnotstand bei Mobilfunkantennen

von André Masson, 14.4.07

Orange hat sichtlich Mühe, die Spielregeln einzuhalten. Fast immer finden sich Unregelmässigkeiten, von sorgfältiger Arbeit kann nicht gesprochen werden. Hier folgen einige Beispiele aus dem Kanton Zug. Sie zeigen, wie mühsam es wird, wenn man Betreibern und Behörden genau auf die Finger schauen will.

Das BAKOM veröffentlicht unter www.funksender.ch eine Karte mit den Mobilfunksendern in Betrieb. Im September 2006 habe ich dem BAKOM mitgeteilt, dass eine Orange-Antenne ganz falsch eingezeichnet sei. In Steinhausen ZG wurde im August 03 eine Orange-Anlage auf dem Hochspannungsmasten Nr. 147

ausgeschrieben, nördlich der Autobahn. Dort wurde sie nicht gebaut – im Einspracheverfahren wurde ein ganz anderer Standort (Sumpfstrasse) südlich der Autobahn gefunden. Dort wurde sie gebaut und im August 06 in Betrieb genommen.

Auf der BAKOM-Karte fand sich die Antenne aber dort, wo sie ursprünglich geplant war:

So ein Irrtum ist ja noch verständlich. Das BAKOM antwortete mir, sie könnten selber nichts tun, die Gemeinde oder der Kanton müssten bei Orange vorstellig werden, damit die Antenne richtig eingezeichnet wird. Ich habe das der Gemeinde und dem Kanton gemeldet. Wieso das BAKOM nicht einmal ein Mail an Orange

weiterleiten kann, bleibt rätselhaft.

Orange teilt der Gemeinde Steinhausen mit, bis Ende 2006 werde die Korrektur erfolgen.

Bis Ende 2006 hat sich gar nichts verändert, die Antenne wird weiterhin am falschen Standort publiziert. Anfangs Februar wird die falsch publizierte Anlage aus der BAKOM-Karte entfernt….aber am richtigen Standort

nicht mehr eingezeichnet. Erst Ende März ist sie dort aufgetaucht. Es vergeht ein halbes Jahr, bis Orange ihre eigenen Anlagen richtig auf die Liste bringt!

Mit derselben Verzögerung erschien auf der BAKOM-Karte auch die Orange-Antenne auf dem Bahnhof Walchwil. Die Antennen wurden im August 06 montiert, die Abnahmemessung erfolgte im Oktober 06. Auch diese Anlage ist erst seit Ende März beim BAKOM verzeichnet.

An der Bahnhofstrasse 23 in Zug hängt in einem orangen Würfel eine versteckte UMTS-Antenne – diese Station ist bis heute weder beim BAKOM noch in der Karte des  Kanton Zug verzeichnet. Dabei strahlt diese Antenne schon über ein Jahr lang! Wieso kennt Orange die eigenen Standorte nicht, oder verschweigt sie ?

Unter der Orange-Frequenz 927.0 MHz ist zwischen Zug und Baar ein grossflächig wirkendes Signal sichtbar, das auf keine der bekannten und verzeichneten grossen oder kleinen Antennen passt. Die Lokalisierung dieser Antenne ist nicht gelungen. Sie ist nicht nur nicht gemeldet, sondern vermutlich auch illegal, d.h. ohne Baubewilligung erstellt worden: In einem Kreis von ca. 4 km Durchmesser im dicht bebauten Gebiet von einer bewilligungsfreien Mikrozelle unter 6 W ein derart klares Signal zu erkennen, erachte ich als ausgeschlossen.

Und selbst wenn diese Antenne einmal gefunden wird, so bleiben noch viele weitere Frequenzen, deren Quellen man auch finden müsste: 925.2 (eher gegen Cham ?), 925.4, 926.0, 926.2, 927.8, 928.2 MHz. Wir müssen damit rechnen, dass es viel mehr Antennen gibt, als publiziert wurden!

Ganz neu baute Orange auf dem Hochspannungsmasten Nr. 138 in Baar ihre Antennen ein – ein Standort, der ca. sieben Jahre lang bestritten wurde, schon zweimal vor Bundesgericht war. Hier hat sich Orange eine dreiste Sache erlaubt. Im neuen Standortdatenblatt vom 22.5.05 wurde die Strahlung mit den Antennentypen

Kathrein 742 234 berechnet, darauf beruht die Baubewilligung. Eingebaut haben sie jedoch Antennen, die schon vom Gehäuse her anders aussehen, als bei Kathrein publiziert.

Ein astronomisches Teleskop zeigte klar: Es wurden falsche Antennentypen montiert, nämlich 742 236. Es gelangen recht scharfe, beweiskräftige Bilder. Die neueren Typen können steiler nach unten strahlen, was für Orange ev. ein Vorteil ist, für die Anwohner gar nicht.

Die aufwändigen Bilder wären nicht nötig gewesen. Kurz nachher lese ich bei der Abnahmemessung der Orange-Antenne an der Sumpfstrasse (erstes Beispiel dieses Berichtes), dass auch dort falsche Antennen montiert wurden – der Antennentyp 742 234 sei gar nicht mehr erhältlich. Aber auch das stimmt nicht: Beim

Produzenten  www.kathrein.de erfährt man im „Kundenportal“, dass der Typ 742 234 noch immer ganz normal in der Serienproduktion steht!! Datum der Kathrein-Seite: März 2007 und auch April 2007 (nur für registrierte Benutzer mit Passwort zugänglich). Orange vertraut darauf, dass die Behörden alles glauben, und dass die Firma für ihre Verdrehungen und Fehler nie zur Rechenschaft gezogen wird, nie mit Konsequenzen zu rechnen hat.

Bei der Sumpfstrasse wird gesagt, dass der Ersatz-Typ 742 236 gleich strahle wie der vorgesehene Typ 742 234. Auch das stimmt nicht: Bei UMTS (2140/P45/08/R) hat die montierte Antenne in der Abstrahlrichtung 14° unterhalb horizontal ca. 9.5 dB Dämpfung, der ursprüngliche Typ hat 16.2 dB. Das gibt also ca. die doppelte

Feldstärke bei einer Neigung der Hauptkeule von -8°. Bei anderen speziellen Winkeln strahlt der neue Typ auch schwächer als der alte. Der Kanton hat verlangt, dass mit den neuen Antennentypen alles ganz neu gerechnet werden muss – auch nach erfolgter Baubewilligung und mitten im Sendebetrieb. Immerhin!

Diese neuen Antennen (beide Typen) eignen sich übrigens dazu, gleichzeitig mit zwei Keulen  verschieden steil nach unten zu strahlen – alles auch ferngesteuert, sofern das kleine Motorkästchen direkt unter der Antenne befestigt ist (per Feldstecher gut sichtbar).

Für die korrekte Abnahmemessung der Antenne auf der Brauerei Baar (inkl. Hochrechnung auf die maximale Sendeleistung) liess sich Orange sehr viel Zeit:

23 Monate ab Sendebeginn bis zur Messung / 29 Monate bis zur Publikation der Messung. Das ist das Siebenfache resp. fast das Zehnfache der vom Bundesgericht genau bei dieser Anlage geforderten Frist von drei Monaten. Die Behörden sind machtlos, willenlos, tatenlos. Selbst ein BG-Urteil braucht nicht vollzogen zu

werden, die Anwohner können sich nicht darauf berufen. Bei UMTS hat’s ein Jahr bis zur Messung gedauert, weil Orange immer behauptet hat, der Sender stehe noch nicht in Betrieb. Nie kann die Firma für ihre Unwahrheiten belangt werden.

Das der reichen Gemeinde Baar von privater Seite geschenkte Bargeld, um mit einem eigenen Gerät die UMTS-Strahlung mindestens nachweisen zu können (unabhängig von Orange, unabhängig vom Kanton!) – ist sofort unbenützt wieder zurückgekommen. Die Gemeinde tut lieber gar nichts, als die Interessen der

Anwohner zu vertreten und diejenigen von Orange anzukratzen.

Man spricht heute viel vom neuen Qualitäts-Sicherungs-System QSS. Wie soll die Qualität gesichert werden, wenn zahlreiche Antennen nicht einmal verzeichnet sind ? Wie sollen  Stichproben genommen werden bei einer Antenne, welche die Behörden gar nicht kennen ? Statt QSS gilt bei Orange eher KKS: Kriegt die Kurve selten!

Von Hans-U. Jakob

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