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Trügerisches Qualitätssicherungssystem

Mit der Einführung und dem Einbau eines softwareseitigen Qualitätssicherungssystems in die Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber, wird zur Zeit die Bevölkerung in falsche Sicherheit gewiegt.
In falsche Sicherheit darüber, dass die Mobilfunkgesellschaften ihre in den Baugesuchen deklarierten Sendeleistunmgen und Senderichtungen nicht mehr einfach nach Belieben ferngesteuert verändern können, wie es ihnen gerade passt.

Hans-U. Jakob, 30.11.06

In neuesten Bauentscheiden und Bauvorschriften von Gemeinden und Kantonen wird neuerdings folgender Satz eingefügt:

Für die Antennen-Anlagen ist ein Qualitätssicherungssystem einzurichten, welches sämtliche Komponenten, Geräte-Einstellungen und Betriebsabläufe erfasst, die einen Einfluss auf die NIS-Immissionen ausüben.

Nimmt man diesen Satz ernst, darf die Anlage nicht gebaut werden, denn das von den eidg. Behörden geforderte QS-System überprüft lediglich alle 24 Stunden 1 mal die eingestellten vertikalen elektrisch fernsteuerbaren Winkel und die zur Zeit der Erfassung mögliche Sendeleistung.

Zur Einhaltung der NIS-Immissionen gehören jedoch jede Menge weiterer Parameter, die von einem QS-System gar nicht erfasst werden können. Dies sind:

a) die vertikalen mechanischen Einstellwinkel
b) die horizontalen mechanischen Einstellwinkel
c) die tageszeitlich bedingten ferngesteuerten Aenderungen ausserhalb der Zeit der Abfragung
d) das absichtliche Vertauschen der Kabel zwischen Senderendstufen und Antenneneingängen. Das heisst, vertauschen von starken mit schwachen Senderichtungen.
e) die Kabeldämpfung zwischen Senderendstufe und Antenneneingang

a) und b) werden von einem seitlich am Mast hängenden Monteur mit dem Schraubenschlüssel mit „mehr oder weniger Gefühl“ eingestellt und sind höchst ungenau und deshalb fragwürdig. Kontrolliert wird dies bei der amtlichen Abnahme (wenn überhaupt) vom Boden aus mit dem Opernglas und lediglich nach Augenmass, was wohl kaum ernst genommen werden kann. Denn bereits eine Abweichung der vertikalen Senderichtung um nur 2° kann bereits zu einer 10-Fachen Erhöhung der Strahlung bei einem betroffenen Anwohner führen. (In V/m gerechnet um die 3.3-Fache)

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Zu der tageszeitlich bedingten, ferngesteuerten Aenderung der Sendeleistung hat einer unserer Messtechniker dem BAFU einige unangenehme Fragen gestellt.

An das Bundesamt für Umwelt BAFU
Abteilung Recht
3003 Bern

Betr. laufendes Bundesgerichtsverfahren 1A.142/2006

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit Datum vom 6. November haben Sie dem Bundesgericht eine Stellungnahme zugestellt, die mit einem lockeren Satz die ganzen bisherigen Vorstellungen über das Funktionieren des zukünftigen Qualitätssicherungsystems QSS über den Haufen wirft. Es entsteht eine völlig neue Situation, die unbedingt geklärt werden muss: Ist das ein Missverständnis ? Ist das technisch zu realisieren ? Ist das so überhaupt beabsichtigt ?

Wir möchten Sie bitten, zum unten dargestellten Sachverhalt Stellung zu nehmen, und Ihre Erwägungen dem Bundesgericht und uns erneut zuzustellen.

Es geht um den letzten Satz Ihrer Stellungnahme des BUWAL vom 6. November 2006:

Es ist deshalb völlig ausreichend, die eingestellten maximalen Sendeleistungen und –richtungen jeder Antenne einnmal pro Arbeitstag mit den bewilligten Sendeleistungen bzw. Winkelbereichen zu vergleichen, wie dies durch das QS-System geschehen wird. (Hervorhebung: BAFU)

Dieser Satz ist inhaltlich völlig anders als die bisherige Vorgabe des BAFU vom 16.1.2006:

Das QS-System muss über eine automatisierte Überprüfungsroutine verfügen, welche einmal pro Arbeitstag die effektiv eingestellten ERP und Senderichtungen sämtlicher Antennen des betreffenden Netzes mit den bewilligten Werten bzw. Winkelbereichen vergleicht.

Hier ein mögliches Beispiel, anhand dessen Zahlenwerte Sie bitte genauer erklären möchten, ob beim QSS tatsächlich die maximale, an jedem Tag abgestrahlte Leistung verglichen wird mit den bewilligten Werten. Wie häufig die Computerprogramme die Sendeleistungen und Winkel verstellen, ist der Geschäftsphilosophie des Betreibers überlassen, von aussen aber nicht erkennbar. Das QSS muss unter allen Umständen funktionieren und Überschreitungen der bewilligten Werte feststellen können. Wir erinnern daran, dass bei UMTS die sog. „Zellatmung“ zum normalen Betriebszustand gehört, und dass die sog. „intelligenten Antennen“ oder smart antennas in den Startpflöcken stehen, die ohnehin mehr-mals pro Sekunde (vielleicht hundert oder tausend mal pro Sekunde ?) die abgestrahlte Leistung ver-ändern.

Beispiel möglicher Zahlen:
Die Endstufe des Verstärkers bringt maximal 30 W heraus.
Abzüglich Kabelverluste etc. kommen maximal 25 W zur Antenne. Das ist hardwaremässig nicht zu überschreiten, bis ein neuer Verstärker eingebaut wird.
Mit dem Antennengwinn resultiert eine maximal mögliche abgestrahlte Leistung von 1500 W ERP.
Behördlich bewilligt für die Anlage sind 1000 W ERP.
Vom Computer ferngesteuert einstellbar ist jede Leistung zwischen 0 und 1500 W ERP. Die Geschäftsphilosophie des Betreibers erfordert vielleicht folgenden Tagesgang (die Leistungen werden ev. immer gekoppelt sein mit dazu passenden Abstrahlwinkeln):

24h – 04h = 500 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
04h – 06h = 800 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
06h – 12h = 1500 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
12h – 15h = 1000 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
15h – 16h = 800 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
17h – 21h = 1500 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind
21h – 24h = 900 W ERP abgestrahlt, wenn alle Kanäle voll besetzt sind

Die Messung der abgestrahlten Leistung erfolgt jeweils um 03h00.

Resultat der QSS-Überwachung bei der bisherigen Philosophie: Immer um 03h00 ist die Maximal mögliche Sendeleistung (wenn alle Kanäle voll besetzt wären) geringer als behördlich erlaubt. Es erfolgt keine Meldung an die Behörden.

Resultat der QSS-Überwachung bei der neuen Philosophie, wo Sie die maximale eingestellte Sendeleistung über den ganzen Tag im Auge behalten: Die maximal eingestellte Leistung (wenn alle Kanäle voll besetzt wären) ist höher als die behördlich erlaubten Werte. Es erfolgt eine Meldung an die Behörden.

Wenn Sie die maximal eingestellte Sendeleistung über den ganzen Tag im Auge halten wollen, so muss jede Anlage andauernd überwacht werden – genau so, wie wir es gefordert haben! Ob das sekündlich ist oder noch häufiger, bleibe anheim gestellt. Ist das Ihr Wille ? Wird beim QSS jeden Tag einmal die maximale Leistung (wenn alle Kanäle voll besetzt wären) des ganzen Tages verglichen mit den behördlich vorgegebenen Werten ? Wenn das so ist, reicht ein Vergleich einmal pro Tag durchaus – aber jede Anlage muss zusätzlich andauernd überwacht werden, um das Maximum festzustellen.

Wir bitten Sie, dem Bundesgericht klar mitzuteilen, auf welcher dieser beiden Philosophien das QSS aufgebaut wird. Bitte berücksichtigen Sie nicht nur die heute üblichen und Ihnen bekannten Usanzen der Mobilfunkfirmen, sondern alle vom Computer her möglichen Modelle. Nehmen Sie bitte auch zu heutigen und künftigen kontinuierlichen Leistungsregelungen Stellung, wie es bei UMTS und Smart Antennas zu erwarten ist. Gibt es überhaupt eine technische Möglichkeit, den Maximalwert der abgestrahlten Leistung genügend oft abzufragen, und diesen Maximalwert einmal pro Tag auszuwerten ? Was sind typische Werte für „genügend oft“ ?

Vielen Dank, wenn Sie diese Präzisierungen bald dem Bundesgericht weiterleiten, mit Kopie an uns. Es geht nicht an, mit einem zufällig eingeschmuggelten Wort der „maximalen Sendeleistungen“ Hoffnungen zu erwecken, die sich technisch nicht realisieren lassen.

Näheres dazu unter:
Aktualisierter Mustereinsprachetext vom Nov.06 (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

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