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Technologieneutrale Angaben im Standortdatenblatt

Die Bevölkerung soll auf hinterlistige Weise erneut ausgetrickst werden

von Hans-U. Jakob, 28.9.2010


Mobilfunkantenne.png<<<Bild links:
Anwohner von Mobilfunkantennen dürfen künftig nicht mehr wissen, was hier genau abgestrahlt wird.

Zu einer Baupublikation einer Mobilfunk-Basisstation (Mobilfunkantenne) gehören die sogenannten Standortdatenblätter in welche Anwohner im Umkreis von 300 bis 1500m, je nach Sendeleistung der Anlage, Einsicht nehmen dürfen. Zu einer Einsichtnahme gehört das Recht auf Anfertigung und Mitnahme von Fotokopien. Dieses Recht erlischt nicht am Ende der Einsprachefrist, sondern bleibt während der ganzen Lebensdauer der Anlage bestehen. Seit 24. Mai 2006 gilt ebenfalls Art.5 Abs.1 der Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, wonach der Einsichtnehmer und nicht die Verwaltung darüber entscheidet ob eine blosse Einsichtnahme genügt oder ob ihm Kopien ausgehändigt werden müssen.

Funktechnische Laien haben mit der Interpretation dieser Standortdatenblätter oftmals etwas Mühe und sind auf Hilfe von mobilfunkkritischen Fachleuten angewiesen. Aus diesem Grund ist das Kopierrecht enorm wichtig. Gigaherz betreibt dazu seit 10 Jahren eine Fachstelle für nichtionisierende Strahlung, an welche sich Ratsuchende wenden können.

Darüber sind natürlich die Mobilfunkbetreiber gar nicht erfreut. In ihren offiziellen Verlautbarungen lassen sie dazu oft und gerne ihrem Ärger freien Lauf.

Bis dato mussten die Mobilfunkbetreiber im Standortdatenblatt in den Zusatzblättern 1-4 jeweils angeben bei welcher Funkfrequenz es sich um welchen Funkdienst handelt. Ob das ältere GSM, das neuere UMTS oder das künftige LTE.

Weil da punkto Bandbreite, Puls- und Modulationsart gewaltige Unterschiede bestehen, kommen verschiedene mobilfunkkritische Wissenschaftler zum Schluss, dass UMTS-Strahlung rund 10 mal schädlicher ist als GSM.

Siehe Schwarz C, Kratochvil E, Pilger A, Kuster N, Adlkofer F, Rüdiger HW (2008) „Radiofrequency electromagnetic fields (UMTS, 1’950 MHz) induce genotoxic effects in vitro in human fibroblasts but not in lymphocytes“. Internat’l Archives of Occ and Env Health, Volume 81, Number 6 / Mai 2008. UMTS-Strahlung verursacht eine 10-mal stärkere Genschädigung als GSM-Strahlung – Vorstufe einer möglichen Krebsentstehung.

Die Einspracheflut

Das hat natürlich zu einer erhöhten gerichtlichen Einsprache- Rekurs- und Beschwerdeflut von Anwohnern und zu einem enormen Verzug im Bauprogramm der Mobilfunkbetreiber geführt. Von den auf Ende 2010 geplanten 26‘000 Basisstationen in der Schweiz, konnten nur gerade mal 16‘000 realisiert werden.

Noch schlimmer für die Mobilfunkbetreiber dürfte die Situation bei der Einführung der neuen Mobilfunktechnologie dem LTE werden. Hier weis man noch nichts Genaues. Anhand der gigantischen Datenmenge die da durch die Luft übertragen werden soll, ist jedoch vorderhand gar nichts Gutes zu erwarten.

Deshalb dürfen jetzt neuerdings Anwohner von bestehenden und geplanten Basisstationen nicht mehr wissen, mit welcher Art von Technologie sie bestrahlt werden.

Ginge es nach dem Willen des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM), natürlich diktiert von den Mobilfunkgesellschaften, soll künftig in den Standortdatenblättern die Zeile „Funkdienst“ ersatzlos gestrichen werden. Es sollen lediglich noch das Frequenzband angegeben werden.

Damit soll den Mobilfunkern ermöglicht werden, die alten GSM-Frequenzen ab 800MHz für das neue UMTS und das künftige LTE umzufunktionieren, ohne dass die Anwohner darüber informiert werden müsse und ohne dass diese dazu Einsprache oder Rekurs erheben können.  Baurechtlich und gesundheitspolitisch ein neuer Riesenskandal.

Am Rande des Amtsmissbrauchs

Die Verantwortlichen im BAFU und BAKOM haben mit dem Rundschreiben vom 24.9.2010, in welchem sie den Mobilfunkbetreibern in den Standortdatenblättern künftig sogenannte „technologieneutrale Angaben“ erlauben wollen, ihre Kompetenzen einmal mehr überschritten. Denn diese Leute haben keinerlei Weisungsbefugnisse, sondern lediglich beratende Funktionen. Es wird ob kurz oder lang wegen dieser Anpassung der Standortdatenblätter an die Wünsche der Mobilfunkbetreiber, zu gerichtlichen Auseinandersetzungen bis vor Bundesgericht kommen. Das Rundschreiben finden Sie hier:

http://www.bafu.admin.ch/elektrosmog/01100/01108/01110/index.html?lang=de

Nachdem bei der Departementszuteilung die neue Bundesrätin  Simonetta Sommaruga auf Wunsch der Industrie von ihren Bundesratskolleginnen und Kollegen erfolgreich vom Umwelt,- Verkehrs,- Eneregie,- und Kommunikationsministerium ins Justizdepartement umplaziert wurde, können sich die Verantwortlichen im BAFU und BAKOM weiterhin beruhigt an der Grenze zum Amtsmissbrauch bewegen. Manchmal, je nach Wunsch der Industrie, auch etwas jenseits. Mehr zu Simonetta Sommaruga unter /simonetta-sommaruga/

Von Hans-U. Jakob

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