News

Swisscom setzt auf dubiosen Strahlen-Guru (aus Sonntagsblick)

Aus dem Sonntagsblick vom 10.8.03

Mit Biozauber gegen Handy-Antenne in Hemberg SG

Swisscom setzt auf dubiosen Strahlen-Guru

von Gina Kern, Redaktion Sonntagsblick

Hemberg SG – Seltsames spielt sich in der Kirche von Hemberg ab. Mit dem Segen der Swisscom wird die dort stationierte Handy-Antenne mit bio-geometrischen Figuren abgeschirmt – von einem Strahlen-Guru. Dies, nachdem Anwohner über gesundheitliche Probleme klagten.

Mittwochmorgen, 10 Uhr. Im Restaurant „Löwen“ warten die strahlengeplagten Anwohner auf ihre letzte Hoffnung. Professor Doktor Ibrahim Karim aus Ägypten soll ihnen das Leben endlich wieder lebenswert machen. Mit einer silbernen Luxuslimousine fährt der Guru vor. Begleitet von FDP-Ständerätin Erika Forster, der Ombudsfrau für Mobilkommunikation in Bern. Mit dabei auch ein Mitarbeiter der Swisscom.

Seit Juni 2002 strahlt die Mobilfunkantenne aus dem Kirchturm im idyllischen Hemberg. Von diesem Moment an wurden die Nachbarn rund um die Kirche kollektiv krank. Sie leiden unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen, unter Kopfschmerzen und Ohrensausen. Der Kantonsarzt, die Swisscom und die Ombudsfrau sind hilflos. Denn die Antenne strahlt unter dem maximalen Grenzwert. Ein Abschalten kommt für die Betreiberin nicht in Frage.

„Niemand hilft uns“, schreibt Anwohner T K (39) im letzten Februar an die FDP-Politikerin Erika Forster. „Oder sollen auch bei Ihnen einmal Taten wie in Zug vorkommen?“ Harte Sätze. Jetzt sitzt der Familienvater ebenfalls im „“Löwen“. Die erste Skepsis gegenüber Ibrahim Karim ist verflogen. Denn der Strahlen-Guru lässt hoffen: „Ich kann mit geometrischen Formen negative Energiefelder so beeinflussen, dass die Umgebung positiv harmonisiert wird,“ sagt er. Und er behauptet forsch: „Ich mache aus dem verstrahlten Hemberg einen Höhenkurort“. Nach zwei Stunden Referat sind die Anwohner begeistert.

Gegen Mittag nimmt der studierte Architekt im Glockenturm seine Arbeit auf. Mit vielen kleinen Plastikteilen in der Tasche besteigt er den Glockenturm. Ombudsfrau Erika Forster schaut dem Zauber zu und sagt lakonisch: „Nützt es nichts, so schadet es nichts.“ Immerhin habe Karim sich aus eigener Initiative bei der Ombudsfrau gemeldet, und die Arbeit im Glockenturm verrichte er gratis.

Im ersten Stock des Glockenturms verläuft ein Kabelgewirr zur strahlenden Antenne. An jedem Kabel bringt Karim eine seiner 30 bio-geometrischen Formen an – hergestellt aus billigem Plexiglas. „Aber mit Patent“, wie er betont. Klar ist: Karim wittert das grosse Geschäft mit der Swisscom. Hemberg ist für ihn nur ein „Forschungprojekt“. Dafür hat er einen Monat Urlaub in der Schweiz gebucht.

Hansjörg Znoj ist Assistenzprofessor an der Uni Bern. Der Forscher für Psychotherapie ist empört über die Vorgehensweise der Swisscom-Ombudsstelle. „Ich finde das Ganze absolut unseriös. Als Bewohner von Hemberg würde ich mich verarscht fühlen, sagt er und kritisiert den Professor aus Ägyten scharf. „Dieser Karim ist für mich ein Scharlatan. Er macht die Anwohner zu Komplizen.“

Guru Karim mit seinen abstrusen geometrischen Zeichen kümmert solche Kritik wenig. Er verspricht: „In zehn Tagen wird es allen hier in Hemberg besser gehen.“ Bei der Familie K hat er jedenfalls auch bio-geometrische Figuren deponiert. Ob es K’s aber besser geht, weiss niemand. Sie haben von der Ombudsstelle Redeverbot erhalten. Und darum will sich auch die Swisscom nicht zu dem dubiosen Projekt äussern.

Anmerkung von gigaherz.ch:
Das Gigaherz-Team legt grossen Wert auf die Feststellung, dass mit der in diesem Artikel zitierten Ombudstelle Mobilfunk, geleitet von FDP-Ständerätin Erika Forster, keinesfalls die „Ombudsstelle Mobilfunk und Gesundheit“ der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener gemeint ist, welche von unserem Verein getragen und betrieben wird.
Obschon alles in diesem Artikel der vollen Wahrheit entspricht, bedauert das Gigaherz-Team das Vorprellen des „Sonntagsblick“ in dieser höchst dubiosen Angelegenheit.
Hinter diesem Artikel verbirgt sich nämlich ein noch weit grösseres Skandalpotenzial.

hemberg005.jpg

Bild: Die Kirche von Hemberg. Die Apparatekasten befinden sich im 1.Stock des Turms. Die Antennen ganz oben in der „Zwiebel“. Die Zwiebel ist eine Holzkonstruktion und deshalb für Mobilfunk-Strahlung voll durchlässig. Die Kirche steht unter Denkmalschutz. Das heisst, unter dem Schutz des Bundes, was diesen nicht daran hindert, eine gefährliche Strahlenquelle daraus zu machen! (Bild Gigaherz)

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet