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Pseudofortschritt bei der Basler Sanität

Zur Sendung von SF1-Schweiz aktuell vom 25.9.06
Handy-Ortung bei Sanitäts-Notrufen

Von unserem Basler Korrespondenten, 13.10.06

Basel plustert sich mit Handy-Ortung auf.

In der Medienmitteilung vom 26.9.2006 der Schweiz aktuell steht: Als erste Einsatzzentrale der Schweiz und ganz KONTINENTALEUROPA, verfügt die Sanität des Kantons Basel-Stadt über eine Software zur Handy-Ortung.

Mit dieser Innovation können Personen schneller gefunden werden, die in einer Notlage sind, aber nicht wissen, wo sie sich befinden.
Die Standortidentifikation bei Notrufen über 144 passiert über eine zentrale landesweite Datenbank der Swisscom, in der der Aufenhaltsbereich der Handy-Benutzer registriert wird.

Vorsicht liebe Handyaner! Es ist ausdrücklich von einem Aufenthaltsbereich die Rede, nicht aber von einem Aufenthaltsort. Das ist ein wesentlicher, für eine Rettung geradezu lebenserhaltender Unterschied. Denn der Aufenthaltsbereich, der in der Ueberwachungszentrale visualisiert werden kann, umfasst in städtischen Gebieten 50m im Durchmesser und auf dem Lande sogar 200m. In Basel gibt es innerhalb der möglichen 50m sicher über 20 Hauseingänge à 5 Stockwerke mit 3 Wohnungen. Das wären dann schon mal an die 300 Wohnungstüren, welche die Sanität abklopfen müsste um den Notrufer eventuell zu finden.
Hier wird eine völlig falsche Sicherheit suggeriert, denn eine solche Suchaktion kann Stunden dauern und beschäftigt die Sanität unnützerweise. Von Effizienz keine Spur! Die Lehre Daraus: Für Notrufe immer das Festnetz benützen. Da steht bei der Identifikation immer die genaue Adresse.

Die Mitteilung in „20 Minuten“ vom 11. Oktober 2006 ist dann allerdings viel interessanter.
Zitat: „Auch die Polizei hat Interesse an der Handy-Ortung.“

Das ist nichts Neues, liebe Basler, da war sogar die Bundespolizei in Bern noch viel schneller als ihr. Weshalb mussten denn alle Handybesitzer bereits vor Jahresfrist ihre Rufnummern zwangsweise registrieren lassen? Sicher nicht um neuartige Lottospiele damit zu erfinden. Nein, die geben ganz einfach eure geliebte Handynummer ein, und schon wissen die, bei welcher Antenne ihr euch gerade aufhaltet. Oder die können eure Reise durch das ganze Land auf dem Bildschirm verfolgen.

Vielleicht wird Basel jetzt sicherer? Die Polizei könnte die Handys potentieller Schlägertypen frühzeitig orten und so verhindern, dass diese Massenschlägereien per Handy organisieren. Vermutete Einbrecher, Bankräuber und andere Kriminelle könnten auf dem Bildschirm verfolgt werden und nicht mehr bei Nacht und Nebel durch die zahlreichen Nick-Knattertons mit hochgeschlagenen Regenmantelkragen.
Das funktioniert natürlich nur dann, wenn es den dunklen Gestalten nicht etwa einfällt, ihr Handy auszuschalten. Aber die sind ja bekanntlich zu blöd dazu. Oder etwa nicht?

Dass die Swisscom ihren Kunden sogar einen kostenpflichtigen Dienst anbietet, um Familienmitglieder wie etwa allzujugendliche Discobesucher oder untreue Ehemänner jederzeit zu orten, hat sich in Basel möglicherweise noch gar nicht so herumgesprochen? Der Grund mag darin liegen, dass die Basler im Allgemeinen viel braver sind, als die Erfinder dieser Innovation.

Bilder aus der künftigen Praxis
Da steht also der Sanitätswagen vor einem Wohnblock und sucht in den 50 Wohnungen nach dem Anrufer, der in einer Notlage ist, aber nicht weiss wo er sich befindet. Falls er in der eigenen Wohnung ist und das Handy-Abo mit dem Schildchen der Sonnerie an der Haustüre zufällig übereinstimmt, fragt man sich wieso er nicht übers Festnetz angerufen hat. Falls keine Uebereinstimmung besteht, müssen Klinken geputzt werden bis man den armen Handynutzer findet.

In Baselland gibt der Polizeisprecher zu bedenken, dass die Antennendichte auf dem Land viel kleiner ist als in der Stadt und deshalb die Ortung noch ungenauer.

Für den armen Anrufer, „der in einer Notlage ist, aber nicht weiss wo er ist“ sinken die Chancen gefunden zu werden rapide.

Die Beschaffung des Systems kostet bis zu Fr 70’000.–
Wenn die Sanität sich schon die Fr. 70’000.– leistet, ist es naheliegend, dass auch andere Departemente und natürlich bald andere Kantone und andere Länder diese Software kaufen. Damit ist dann sicher gewährleistet, dass sich die Handybesitzer nach „Big Brother is watching you“ kontrollieren lassen.

Intelligenz lässt sich nicht orten
Was man leider mit der neu angeschafften Software nicht orten kann, ist die Intelligenz der Ueberwachungsbehörden. Sonst könnte das Lufthygieneamt beider Basel nicht weiterhin ungestraft behaupten: „Ob Handystrahlung krank macht, ist fast eine Glaubensfrage!“

So gelesen in der BaZ vom 10. Oktober 2006 Seite 17 unter „Der Antennenwald wächst“.

Von Hans-U. Jakob

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