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Neue Studie des Schweizerischen Nationalfonds über die elektromagnetische Strahlungsbelastung der städtischen Bevölkerung

Neue Studie des Schweizerischen Nationalfonds über die elektromagnetische Strahlungsbelastung der städtischen Bevölkerung

…und wie die Medienmitteilung das Ergebnis der Studie verzerrt

 

von Peter Schlegel, http://www.buergerwelle-schweiz.org 28.05.09

publiziert bei gigaherz am 11.6.09

 


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<<<Bild links: Dipl. Ing. Peter Schlegel



Die neuste Studie 1) der Universitäten Bern und Basel
bestätigt endlich wissenschaftlich, was allein in der Schweiz Tausende Betroffene aus eigener, schmerzlicher Erfahrung längst wissen: Die Haupt-Strahlungsbelastung der Bevölkerung durch Funkwellen rührt sowohl von den Mobilfunkantennen als auch von den Handys und von den im eigenen Haus, Büro oder Betrieb funkenden Geräten her.

 

Antennen, Handys und Schnurlostelefone verursachen gemäss der Studie die stärksten Strahlungsbelastungen. Und in den Eisenbahnzügen ist die Belastung am grössten.

Allerdings wird der Wert der Studie geschmälert durch den Mangel, wonach das von den Forschern den 166 Probanden mitgegebene Messgerät, ein französisches Exposimeter, bloss die Mittelwerte misst.

Das aber genügt für die Bewertung des Gesundheitsrisikos nicht, denn das Geschehen in den menschlichen Körperzellen reagiert im Expositionsbereich unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte, d.h. bei der sogenannten „Niedrig“-Strahlung, auf die Spitzenwerte. Dieser Mangel der Messmethode wirkt sich nun vor allem bei der WLANStrahlung aus. Deren Einflussanteil wird dadurch stark unterschätzt. Dazu kommt, dass die Aggressivität der Strahlung für den Organismus von der Art und Frequenz einer Pulsung (oder Taktung) der Strahlung abhängt. Gerade die mit 10 Hertz getaktete WLAN-Standby-Strahlung wird von den immer zahlreicheren Menschen, die auf elektromagnetische Strahlung und Felder mit teils massiven Symptomen reagieren, als besonders aggressiv empfunden 2).



Von der Bedeutung des Einflusses der Pulsung (Taktung) der Strahlung ist in der Studie jedoch nirgends die Rede. Im Gegenteil, die Studie findet es „beruhigend“, dass die Strahlungsexpositionen „weit unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte 1998“ lägen 3), und sie betont das Fehlen eines wissenschaftlichen Nachweises der Schädlichkeit der Strahlung. Solche Aussagen sind angesichts der heutigen Evidenz dieser Schädlichkeit geradezu verantwortungslos, wenn man ihre unhinterfragte Weiterverbreitung durch die Medien bedenkt.

Trotz dieser Mängel könnte die Studie zum Aufwachen von Politik und Behörden beitragen. Aber…

 

Die Medienmitteilung des Schweizerischen Nationalfonds SNF 4), von dem man doch Unabhängigkeit erwarten müsste, verharmlost und verzerrt das Ergebnis. Ihr Titel „Strahlungsexposition ist vor allem selbst verursacht“ ist grob irreführend. Er ignoriert die Mobilfunkantennen, die in der Studie als gleichwertige Expositionsquelle genannt sind. Dies gleicht der Strategie der Mobilfunkbetreiber, auf die Selbstverantwortung der zugleich uninformiert gehaltenen Bevölkerung abzulenken.

 

Der SNF – unabhängig?

Die Medienmitteilung wird dann eingeleitet durch drei Standardformeln der Mobilfunkindustrie, die der Bevölkerung seit Jahren durch Medien und Behörden eingehämmert werden : „Die neuen Funktechnologien sind von unserem Alltag kaum mehr wegzudenken“ – „Diffuse Ängste in der Bevölkerung“ – „Bisher keine Schäden wissenschaftlich nachgewiesen“. – Was haben diese Formeln h i e r zu suchen?

Weiter: „Die Strahlung nimmt zu, aber liegt weit unter den Schweizer Grenzwerten.“ Ja, nur schützen uns diese Grenzwerte überhaupt nicht. Strahlungsempfindliche Menschen haben erst unterhalb eines Tausendstels des Schweizer Anlagegrenzwertes 5) Ruhe. Und – konservativ geschätzt – von einem Zehntel dieses Grenzwertes 5) an aufwärts könnte das langfristige Krankheitsrisiko für die ganze Bevölkerung steigen.

 

Dass der Kommentar der Swisscom, des grössten Schweizer Telekommunikationskonzerns, ebenso abwiegelt, beschönigt und verzerrt, wundert weit weniger 6). Sein Titel lautet: „Mobiltelefone und schnurlose Telefone strahlen am meisten“ – Auch hier: Wo sind die Antennen geblieben? – In dem zugehörigen, schönen Bild steht dann doch ein Antennenmast, poetisch verklärt, malerisch sich abhebend vor dem Widerschein der aufgehenden Sonne eines klaren Gebirgsmorgens. Die Raffinesse der Werbeabteilung…

 

Der Schlussatz „Bei der nichtionisierenden Strahlung handelt es sich um elektromagnetische Wellen, die im Gegensatz zur ionisierenden, radioaktiven Strahlung nicht die Energie aufweisen, Atome zu verändern“ ist ebenfalls eines der Dogmen der Mobilfunkindustrie. Es lenkt davon ab, dass elektromagnetische Wellen sehr wohl die Erbsubstanz schädigen können. Denn Chromosomen-Strangbrüche infolge Mobilfunkstrahlung sind erwiesen – Krebsförderung durch Mobilfunkstrahlung wird wahrscheinlich.

 

Nachzutragen ist, dass seit dem Abschluss der Messreihe dieser Studie (Februar 2008) noch mehr Belastung dazukam: Die Zahl der privaten WLAN-Anlagen ist gleichsam explodiert. Internetfähige Mobilgeräte wie das iPhone und dergleichen sowie Laptops mit USB-Steckmodem haben den Datenbetrieb über die UMTS-Mobilfunknetze vervielfacht. Das (kaum genutzte!) digitale Handyfernsehen DVB-H strahlt sehr leistungsstark von hohen Sendetürmen herunter. Und ein Ende der Steigerung ist nicht abzusehen.

 

 

1 Frei, P. et al: Temporal and spatial variability of personal exposure to radio frequency electromagnetic fields; doi:10.1016/j.envres.2009.04.015

2 Die Frequenz der im EEG gemessenen Alpha-Gehirnwellen beträgt 8-12 Hertz

3 ICNIRP: Für die Gesamtstrahlung an beliebigem Ort geltender Grenzwert von max. 61 V/m, in der Schweiz „Immissionsgrenzwert“ genannt

4 Medienmitteilung des SNF: www.snf.ch/D/NewsPool/Seiten/mm_09may27.aspx

5 Für eine einzelne Sendeanlage in den umliegenden Gebäuden geltender Grenzwert von 3 – 6 V/m, in der Schweiz „Anlagegrenzwert“ genannt

6 Kommentar der Swisscom zur Studie siehe www.bluewin.ch/de/index.php/408,151288/

Anmerkung von Gigaherz:

Mehr zu untauglichen Dosimetermessungen finden Sie hier unter:

/das-dosimeter-ein-peut-eterli-oder-ninueterli-/ und

/elektrosensiblen-hetze-unter-dem-wappen-der-eidgenossenschaft-folge-3/

Von Hans-U. Jakob

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