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Lichtblicke

Mobilfunkantennen in Wohnzonen müssen einen engen Bezug zu der Zone aufweisen in welcher sie erstellt werden und müssen im wesentlichen Bauzonenland abdecken. (Art. 22 Abs. 2 lit. a des Raumplanungsgesetzes, SR 700, abgekürzt RPG).
Um diesen Grundsatz futierten sich bis anhin praktisch sämtliche Baubewilligungsbehörden in Gemeinden und Kantonen. Jetzt greifen einige kantonalen Verwaltungsgerichte endlich durch.

von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 14.4.2014

Im kleinen Weiler Ifwil in der Gemeinde Balterswil-Bichelsee im Kanton Thurgau sollte eine kleine Dachantenne durch einen Sendemast von 21m Höhe und 4 mal höherer Sendeleistung als bisher, ersetzt werden. Die neue Anlage sollte nicht nur den 0.08 Quadratkilometer umfassenden Weiler abdecken, sondern ein Landwirtschaftsgebiet von 2.4 Quadratkilometern mitsamt den darin enthaltenen Hauptverkehrsstrassen und vor allem der IC-Bahnlinie Zürich-St.Gallen. Zudem sollte auch noch der Handy-Empfang in den 2 Nachbarortschaften Guntershausen und Eschlikon verbessert werden.

Gartenzwerg<<<Bild links: Der Gartenzwerg, wie der NIS-Fachstellenleiter von Gigaherz etwa auch genannt wird, beim Studium der Gerichtsurteile.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
ist nun der Argumentation der beschwerdeführenden Anwohner gefolgt, die sich von der NIS-Fachstelle von Gigaherz hatten beraten lassen und bestätigte, dass hier weder der nötige Bezug zu der Zone in welcher die Antenne errichtet werden solle, bestehe, noch dass diese im Wesentlichen Bauzonenland abdecke.

In der Vorinstanz hatte die kantonale Baudirektion noch behauptet, weil die Strahlung an der Zonengrenze von Ifwil nicht Halt machen könne, sei die Antenne trotzdem in erster Linie für den Weiler Ifwil mit seinen 35 Häusern bestimmt.
Ebenfalls nichts wissen wollte die Vorinstanz dass der Anblick der Monsterantenne das Bild des in der Nähe stehenden, denkmalgeschützten thurgauer Riegelhauses schwer störe. Die Vorinstanz hatte sich sogar grosszügig über ein Gutachten der kantonalen Denkmalpflege hinweggesetzt.

Das muss wohl die kantonalen Verwaltungsrichter so in Rage gebracht haben, dass diese erstmals in der Geschichte des Schweizerischen Mobilfunkwesens den Anwohnern, die sich nicht durch einen Anwalt hatten vertreten lassen, sondern lediglich die Hilfe der NIS-Fachstelle von Gigaherz in Anspruch genommen hatten, eine Spesenentschädigung von Fr. 450.-zusprach. Zu bezahlen durch die Baugesuchstellerin Swisscom, welche auch sämtliche Gerichtskosten der Vorinstanzen übernehmen muss. Die Kostenvorschüsse in der Höhe von einigen Tausend Franken werden den Beschwerdeführenden zurückerstattet.

Über einen ähnlich gelagerten Fall gibt es im Kanton Aargau zu berichten.

In Wohlen (AG) wollte die Swisscom 3 Fliegen mit einer Klappe schlagen und von einem kleinen Wohnquartier aus gleich 2 Industriezonen eine Landwirtschaftszone sowie eine Hauptverkehrsachse Bahn und Strasse abdecken.
Auch hier kassierte das kantonale Verwaltungsgericht den vorinstanzlichen Entscheid der Bau-Verkehrs- und Umweltdirektion des Kantons.

Nicht nur wegen mangelnder Zonenkonformität, sondern weil überhaupt keine Ersatzstandorte geprüft worden sind.
Durch ein neues kantonales aargauisches Baugesetz sind nämlich Gemeinderäte dort jetzt verpflichtet, nach besseren Standorten Ausschau zu halten und die Mobilfunkbetreiber sind dann ihrerseits wiederum verpflichtet, entweder einen Ersatzstandort anzunehmen oder mittels gerichtstauglichen Netzabdeckungskarten zu beweisen, dass nur der von ihnen gewählte Standort in Frage komme und alles andere funktechnisch nicht möglich sei.

Über diese neuen Bestimmungen, aufbauend auf dem kantonale Einführungsgesetz zum Umweltrecht EG UWR §26, hatten sich sowohl der Gemeinderat von Wohlen, wie der Regierungsrat des Kantons Aargau ziemlich arrogant hinweggesetzt, indem sie erklärten, die Swisscom werde schon wissen wo sie ihre Antennen aufstellen müsse und das Projekt sei zu bewilligen. Punkt.
Auf die Argumente der Anwohner, die auch hier die Hilfe der NIS-Fachstelle von Gigaherz angefordert hatten, mochte man schon gar nicht eintreten.

Es braucht schon viel, dass ein Verwaltungsgericht eines Industriekantons, die Vorinstanzen dermassen massregelt, wie das in Wohlen geschah. Erstmals in der Schweiz wurden in Sachen Mobilfunk ein Gemeinderat und ein Regierungsrat dazu verdonnert, die halben Gerichtskosten zu bezahlen. Normalerweise gehen Fehlentscheide voll zu Lasten der Staatskasse, ausser bei groben Verstössen. Selbstverständlich muss Swisscom auch die Kosten ihres Staranwaltes selber berappen, welchen sie für diesen Musterfall speziell engagiert hatte.

Von Hans-U. Jakob

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