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Irrtümer rund um den Oekostrom

Gigaherz erhält laufend Anfragen zum sogenannten Oekostrom. Die wichtigsten Irrtümer der Konsumenten sind deshalb hier aufgelistet.

Hans-U. Jakob, 18.8.06

Irrtum 1: Unser Strom strahlt nicht, er kommt aus Wasserkraftwerken.
Strom wird in Generatoren produziert. Ob ein Generator durch die Dampfturbine eines Atomkraftwerkes oder durch eine Hochdruckturbine aus einem Stausee, oder durch eine Niederdruckturbine eines Flusskraftwerkes angetrieben wird, hat auf die Stromqualität nicht den geringsten Einfluss. Wechselstrom 50Hz, wie er in den Generatoren der Kraftwerke erzeugt wird, bildet rund um die Stromleiter in welchen eben dieser Strom zum Konsumenten fliesst, immer ein Magnetfeld. Je höher die Stromstärke, in Ampère gemessen, ist dieses Magnetfeld von mehr oder weniger hoher Intensität und von mehr oder weniger grosser Ausdehnung. Die Spannung unter welcher diese Freileitungen stehen, in Kilovolt oder Volt gemessen, spielt für die Magnetfeldbildung praktisch keine Rolle.
Auch wenn dieser Strom von der Dampfturbine eines Kohlekraftwerkes oder einer Kehrichtverbrennungsanlage stammt, ist er deswegen nicht „dreckiger“ als Oekostrom aus einem Wasserkraftwerk. „Dreckiger“ ist nur dessen Erzeugung.
Verantwortlich für Gesundheitsschäden in der Nähe von Hochspannungsleitungen ist nicht die Erzeugungsart der Energie sondern die Stromstärke in Ampère welche durch diese Leitung fliesst.

Irrtum 2: Oekostrom fliesst in separaten Leitungsnetzen
Vom Polarkreis bis Südspanien, speisen alle Kraftwerke, auch kleine und kleinste, in ein und dasselbe Netz. Die einen Kraftwerke produzieren den Strom ökologisch mit Wasser, Wind oder Sonne, weitaus der grössere Teil jedoch weniger umweltfreundlich, denn sie heizen ihre Dampfturbinen mit Kernkraft, Gas, Oel oder Kohle. Aber sie speisen alle in ein und dasselbe gigantische Stromnetz ein. Der Konsument weis deshalb nie, wie das Gemisch, welches er seiner Steckdose entnimmt, gerade zusammengesetzt ist. Rein technisch gesehen, kann es ihm im Grunde auch egal sein. Denn Strom ist Strom. Nur wie dieser Strom erzeugt worden ist, ist für die Umwelt von ausschlaggebender Bedeutung.

Irrtum 3: Strom aus Wasserkraftwerken ist immer Oekostrom
Weil der Bau von Atomkraftwerken in der Bevölkerung auf immer breitere Ablehnung stösst, möchten die Stromhändler, vor allem diejenigen in den Alpenländern, wieder vermehrt auf Wasserkraft aus Stauseen zurückgreifen.
Wir zitieren aus einem Artikel in der Berner Zeitung vom 15.August 06

Die Nutzung der erneuerbaren Wasserkraft gilt als umweltfreundlich. In Wirklichkeit aber schaffen die aktuellen Wasserkraft-Projekte einen Sachzwang um zusätzliche Gas- oder Atomkraftwerke. „Ohne zusätzliche Bandenergie (also ohne neue Gas- und Atomkraftwerke) in der Schweiz können die neuen Pumpspeicherkraftwerke nicht betrieben werden, sagte AXPO-Entwicklungschef Niklaus Zepf an einem Mediengespräch. Ende Zitat.

Strom aus projektierten und laufenden Pumpspeicherwerken wie Linth-Limmern(GL), Grimsel-Ausbau (KWO-plus) Emosson (VS) und Cleuson-Dixence (in Reparatur) wird wie folgt produziert: Das während der Stromnachfrage zu Spitzenzeiten (mittags) zu Tal gelassene Wasser wird nachts mit Billigstrom aus Atomkraftwerken wieder in die Berge hinaufgepumpt um tags darauf wieder Spitzenenergie zu Höchstpreisen zu produzieren. Aeusserste Eckwerte dabei sind: Ankauf Atomstrom 1Rp pro kW/h (Kilowattstunde) und Verkauf von Spitzenernergie bis 30Rp pro kWh. Auch wenn die Pumpen nachts rund 20% mehr Energie verschlingen als sie tagsüber produzieren, ist dies wegen den horrenden Preisunterschieden zwischen Band- und Spitzenenergie immer noch ein äusserst lukratives Geschäft.

Leidtragende sind die Anwohner von Hochspannungsleitungen, die in Richtung Alpen verlaufen. Blieben diese bis anhin wenigstens nachts vor den immensen Magnetfeldern verschont, wird dieser Zustand vorüber sein, sobald vom Unterland und vom Ausland her die Pumpspeicherwerke mit billigstem Atomstrom gespiesen werden.

Irrtum 4 lautet deshalb: Hochspannungsleitungen würden nur tagsüber Magnetfelder von Bedeutung erzeugen

Und die Schlussfrage lautet:
Wer kontrolliert eigentlich den Verkauf von sogenanntem teurerem Oekostrom an umweltbewusste Konsumenten? Ist da sichergestellt, dass kein Strom aus Pumpspeicherwerken, der im Grunde genommen nichts anderes als gewaschener Atomstrom ist, dem Konsumenten zu erhöhtem Preis ebenfalls als Oekostrom verkauft wird? Diese Frage muss erlaubt sein!

Von Hans-U. Jakob

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