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Die kooperative Standortevaluation

Der Kanton Luzern ist derjenige Kanton mit den meisten Gemeindeinitiativen zur Bekämpfung des Wildwuchses im Mobilfunk-Antennenwald.  Mit einer haarsträubenden Vereinbarung mit den Mobilfunkbetreibern möchte die Kantonsregierung jetzt den Initianten den Wind aus den Segeln nehmen.

Hans-U. Jakob, 15.11.08

Art 68 Abs.2 der Luzerner Kantonsverfassung lautet:

Die Autonomie der Gemeinden ist gewährleistet. Die Gesetzgebung bestimmt ihren Umfang und gewährt einen möglichst grossen Handlungsspielraum.

Und was die Luzerner Regierung unter Autonomie der Gemeinden und einem möglichst grossen Handlungsspielraum versteht, legt sie in einer vertraglichen Vereinbarung mit den Mobilfunkbetreibern gleich selber fest. In den Erläuterungen zu diesem Vertragswerk heisst es in einem schier unglaublichen Zitat:

Ausgeschlossen sind zum vorneherein zusätzliche Vorschriften bau– oder planungsrechtlicher Art, die auch auf den Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung abzielen. Auch dürfen die kommunalen Vorschriften nicht die in der Fernmeldegesetzgebung konkretisierten öffentlichen Interessen verletzen, d.h. sie müssen den Interessen an einer qualitativ guten Mobilfunkversorgung und an einem funktionierenden Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern Rechnung tragen. Ende Zitat.

 

Ein wahres Meisterwerk politischer Verdrehungskunst

Was die Luzerner Regierung unter Autonomie der Gemeinden und unter Mitspracherecht weiter versteht, macht sie in der Vereinbarung mit den Mobilfunkbetreibern vom Oktober 2008 noch deutlicher.  Hier ein Zitat aus Art. 3 dieser Vereinbarung.

Die nachfolgend beschriebene kooperative Standortevaluation gelangt bei neuen Standorten zur Anwendung. Sie ermöglicht den kommunalen Bewilligungsbehörden unter gewissen Voraussetzungen den Baustandort im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzulegen, was zu einer Optimierung der Standorte führen kann. Mit diesem Instrument wird die Einflussmöglichkeit der Gemeinde erhöht und der Weg führt über eine verbindliche Zusammenarbeit.



Was unter Erhöhung der Einflussmöglichkeit der Gemeinde zu verstehen ist, wird mit diesem Bild, ebenfalls der Vereinbarung entnommen, deutlich dargestellt.


Standortevaluation_LU.jpg



Die Mobilfunkbetreiber legen einen Punkt fest, wo genau sie eine neue, zusätzliche Antenne haben möchten.  Die Gemeinden dürfen dann von dort aus einen Kreis von 200m ziehen und innerhalb dieses Kreises weitere Standorte vorschlagen. Mit der Bezeichnung im Umkreis von 200m ist jedoch nirgends festgelegt, ob es sich um den Kreisradius oder den Kreisdurchmesser handelt.  Fragt man die Frau oder den Mann aus dem Volk, heisst es, klar ist da der Radius gemeint.  Betrachtet man jedoch die Grundrisse der Häuser in obiger Grafik, handelt es sich ganz klar nur um den Kreisdurchmesser.  Sei dem wie es wolle, strahlungstechnisch ist die ganze Uebung wertlos.



So oder so ein höherer technischer Blödsinn

Denn, wer unterhalb einer Antenne von 3000Watt ERP (pro Sektor) wohnt geniesst bei einem radialen Abstand (Wohnung zu Unterkante Antenne) von 25m in Folge der Abweichung zur vertikalen Senderichtung und in Folge der Betondecke über seiner Wohnung eine Strahlungsintensität von „nur“ 0.84V/m

Wer jedoch 200m entfernt wohnt, verliert sowohl die Abweichung zur vertikalen Senderichtung als auch die Gebäudedämpfung, weil jetzt die Antenne seitwärts durch die Fenster hereinstrahlt.  Dadurch ergibt sich hier eine weit höhere Feldstärke von 2V/m.  Bei einem Abstand von 100m wären es dann 4V/m

Achtung Besserwisser: Die Berechnung wurde mit der offiziellen BUWAL-Formel der amtlichen Standortdatenblätter durchgeführt. 

Fazit: Durch die seitliche Verschiebung einer Antenne von 100 oder auch 200m ist strahlungstechnisch überhaupt kein Problem gelöst.  Denn die biologischen Grenzwerte, welche für alle Menschen verträglich sind liegen bei 0.06V/m aussen und bei 0.02V/m in Innenräumen.

Fazit: Die Vertragliche Lösung der Luzerner Regierung mit den Mobilfunkbetreibern ist reiner Etikettenschwindel.

Etwas Gutes hat der hinterlistige Vertrag doch noch an sich: Die Mobilfunkbetreiber müssen jetzt den Gemeinden 8 Wochen vor Einreichen des Baugesuches bekanntgeben, wo sie am Suchen sind.  Dadurch erhalten die Widerstandsgruppen vor Ort etwas mehr Zeit um sich zu organisieren. (falls es dem Gemeinderat nicht etwa einfällt, die Sache geheim zu halten)

Sehen sie dazu auch: /die-antennen-zu-den-hintersassen-und-plebeyern/  Die Antennen zu den Hintersassen und Plebeyern

Den vollständigen Vertragstext finden Sie unter http://www.rawi.lu.ch

Von Hans-U. Jakob

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