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Der Gemeinderat von Wängi verweigert den zivilen Gehorsam

Der Gemeinderat von Wängi TG hat bei einem hängigen Antennenbaugesuch der Firma Orange Communications SA selber Einsprache erhoben.

von Markus Lauener, 16.1.07

Seit dem Jahr 2000 bewilligte der Gemeinderat von Wängi keine einzige Antenne mehr. Insgesamt sind fünf Antennenbaugesuche betroffen. In zwei Fällen konnte der Bau verhindert werden. Einmal wegen nicht eingehaltener Grenzwerte sowie massivem Widerstand der Bevölkerung und einmal wegen dem Ortsbildschutz.

In zwei anderen Fällen hat das kantonale Departement für Bau und Umwelt den Entscheid der Gemeinde umgestossen und Baubewilligungen für die zwei Antennen erteilt. Brisanterweise kassiert der Kanton Thurgau in beiden Fällen gleich selber den Mietzins für die betreffenden Antennenstandorte. Es stellt sich schon die Frage, in wie vielen anderen Gemeinden verfährt das zuständige Departement nach dem gleichen Muster?

Begründet hat die Gemeinde Wängi ihre Verweigerung unter anderem mit folgen-den Argumenten:

  • Netzabdeckung schon mehr als ausreichend vorhanden
  • Wertzerstörung der umliegenden Liegenschaften und damit Mindereinnahmen an Steuern
  • Die bislang bekannten Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung  auf die Gesundheit geben Anlass zur Besorgnis
  • Verweise auf das Umweltschutzgesetz, das kantonale Gesundheitsgesetz und die Bundesverfassung
Wie schon erwähnt, entschied das Departement für Bau und Umwelt (Oder müsste man hier eher von der „Kantonsvogtei“ sprechen?) bisher in zwei Fällen, und zwar über die Köpfe der Gemeinderäte und Bevölkerung von Wängi hinweg. Die wirtschaftlichen Interessen der Betreiberfirmen seien höher zu gewichten als Bundes- und Kantonsverfassung (u.a. Recht auf körperliche Unversehrtheit).

Zur Strafe für den zivilen Ungehorsam (Könnte man auch sagen, weil keine gebührliche Verneigung vor dem „Gessler-Hut“ erfolgte?), wurden der Gemeinde jeweils Entschädigungszahlungen in der Höhe von zwei- bis dreitausend Franken aufgebrummt.

Es fragt sich, was passieren würde, wenn laufend weitere Gemeindebehörden so couragiert gegen Antennen vorgehen würden wie in Wängi. Wenn immer mehr lokale Behörden und Politiker erkennen würden, dass die Gesundheit der eigenen Bevölkerung und die wirtschaftliche Unversehrtheit (Wertverluste bei Liegenschaften und Steuereinbussen) wesent-lich mehr Gewicht haben, als das Gewinnstreben einer handvoll Mobilfunkbetreiber. Könnte damit der zementierte Instanzenweg zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden bezüglich des Antennenbaus aufgebrochen und die kantonalen Regierungen hinsichtlich Wert- und Lebenszerstörung mehr in die Pflicht genommen werden? So wie die kantonalen Regierungsräte einzuschätzen sind, dürften sie ein solches Vorgehen der Gemeinden scheuen wie der Teufel das Weihwasser und äussert vorsichtig mit der Bewilligung weiterer Antennen umgehen, was dann auch im Sinne der Bevölkerung wäre.

Auf jeden Fall kann zum couragierten, zivilen Ungehorsam des Gemeinderates von Wängi nur eines gesagt werden: „Chapeau!“

Wikipedia: Ziviler Ungehorsam ist der aus Gewissensgründen und gewaltfrei vollzogene, bewusste Verstoss gegen ein Gesetz, eine Pflicht oder den Befehl eines Staates oder einer anderen Macht. Im Gegensatz zu einem Streik ist er, nach geltender Rechtsauffassung zum Zeitpunkt seiner Ausübung, nicht rechtlich abgesichert, und der Ungehorsame nimmt bewusst in Kauf, dafür bestraft zu werden. Der Ausübende beansprucht jedoch in der Regel ein Widerstandsrecht für sich. Wer zivilen Ungehorsam ausübt, gilt nicht selten als Staatsfeind, da er eine von ihm als unrechtmässig und unmoralisch angesehene Herrschaft über seine Aktivitäten ablehnt….

Namhafte Vertreter zivilen Ungehorsams waren Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Martin Luther King und die Brüder Philip und Daniel Berrigan.

Von Hans-U. Jakob

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