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Das Bundesgerichtsurteil von Urtenen-Schönbühl

Kein Grund zum Jubeln – dafür umso mehr zum Schmunzeln

Was da letzte Woche einige Schreihälse von Journalisten in der gedruckten wie in der elektronischen Presse verkündet haben, nämlich dass fortan in Wohnzonen keine Mobilfunkantennen mehr erstellt werden dürfen, ist leider absoluter Mumpitz.

Von Hans-U. Jakob, 16.4.2012

Geschützt wurde vom Bundesgericht lediglich eine Anpassung des Gemeinde-Baureglementes der Gemeinde Urtenen-Schönbühl BE , welches eine sogenannte Kaskaden-Lösung vorsieht. Das heisst, Mobilfunkantennen müssen gemäss diesem Reglement –  und nur in dieser Gemeinde – in erster Priorität in der Industriezone aufgestellt werden. Und sollte es aus funktechnischen Gründen von dort aus nicht möglich sein, die reinen Wohnzonen der Gemeinde zu verstrahlen, (pardon, zu versorgen) darf in gemischte Wohn/Gewerbezonen ausgewichen werden. Und erst wenn es auch von hier aus funktechnisch – mittels Netzabdeckungskarten zu beweisen – nicht klappen sollte, darf in einer Wohnzone eine Mobilfunkantenne errichtet werden.

Nur weil die Gemeinde Urtenen Schönbühl von einem schmalen Industriegebiet entlang von Autobahn und Kantonsstrassen quasi halbiert wird, so hält das Bundesgericht fest, eignet sich diese Gemeinde für die Anwendung dieses Kaskadenmodells. Denn von diesem Streifen aus können die Wohnzonen vorzüglich verstrahlt, (pardon versorgt werden)

Das Kaskadenmodell könnte auch für etliche andere Gemeinden passen. Etwa für Konolfingen BE , wo sich Wohn- und Arbeitszonen wie auf einem Schachbrettmuster abwechseln, weil der Zonenplan historisch bedingt, während Jahrzenten einfach den Gegebenheiten angepasst wurde. Standen da von alters her ziemlich verstreut Mühlen, Sägereien, Werkstätten, Spinnereien, Webereien oder Molkereien konnten diese nicht einfach aus den Wohngebieten herausgerissen werden, weil lange vor einer Zonenplanung rings um diese herum die Wohnhäuser von oder für die dort Arbeitenden gebaut worden sind.  So entstand auf dem Zonenplan ein buntes Schachbrettmuster. Und von den zahlreichen Arbeitszonen aus könnten nun die Wohnzonen ringsum vorzüglich verstrahlt, (pardon versorgt) werden.




Strahlenkeule.jpg<<<Bild links: 3D-Darstellung eines Strahlenkegels einer Mobilfunkantenne mit Bodenberührung nach 150-250Metern. Bild Bundesamt für Kommunikation Schweiz

Mobilfunkantennen strahlen nicht kugelförmig, wie sich das etliche Schreihälse von Journalisten oder etwa auch überforderte Gemeinderäte vorstellen. Mobilfunkantennen strahlen wie Beleuchtungsmaste mit riesigen ausrichtbaren Scheinwerfern, deren Strahlenkegel nach 150 bis 250m Bodenberührung bekommen. So bringt es für die Bewohner von Wohnzonen wenig bis gar nichts, wenn sie von Antennen bestrahlt (pardon versorgt) werden, die am Rande einer Industrie- oder Arbeitszone stehen. Ganz im Gegenteil. Das kann unter Umständen strahlungstechnisch sogar schlimmer enden.

Also: Bevor in anderen Gemeinde eine solche Kaskadenregelung zur Anwendung kommt, muss zuerst das Gemeinde-Baureglement entsprechend abgeändert werden. Und bevor dies geschehen kann, muss sich im Gemeinderat eine entsprechende Mehrheit dafür bilden. Das dürfte im Zeitalter, in dem eine Mehrheit der Handysüchtigen regiert, schon mal sehr schwierig sein. Dann müsste sich der Zonenplan der Gemeinde, entweder Streifen- oder Schachbrettmuster, auch noch dafür eignen, sonst wird das Ganze von den Gerichten abgeschmettert.

Trotzdem immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber

zum Schmunzeln, wenn nicht gar zum laut Lachen ist die Begründung, welches das Bundesgericht für die Absegnung eines Kaskadenmodells abgibt.

Da sich das Bundesgericht an den heiligen Strahlungs-Grenzwerten nicht vergreifen darf, muss es sich eine recht fantasievolle Umschreibung der gentoxischen Wirkung der Funkstrahlung zum Schutz der Zonen für gehobenes Wohnen einfallen lassen. Bundesrichter wohnen halt auch gerne „gehoben“.

Statt der giftigen Strahlung, welche eine Mobilfunkantenne abgibt, ist es jetzt laut den Urteilen 1C_449/2011 und 1C/451/2011 der Anblick einer Antenne, welche die Wohnqualität herabsetzt. Und krankmachende Strahlung wird mit „unguten Gefühlen“ umschrieben, welche eine Antenne bei den Anwohnern auslöse. Diese unguten Gefühle, seien jedoch psychologischer  Natur und deshalb nicht als biologische, sondern als ideelle Effekte zu bezeichnen. Mobilfunkantennen können deshalb, so das Bundesgericht, nicht wegen strahlungstechnischen Immissionen, sondern ausschliesslich wegen ideellen Immissionen von gehobenen Wohnquartieren ferngehalten werden.

Dass diese ideellen Immissionen tatsächlich vorhanden seien, könne wegen der nicht abnehmenden Einsprachenflut kaum mehr abgestritten werden. Das sei unterdessen als gerichtsnotorisch bekannt.

Ja keine strahlungstechnischen Immissionen!

Wenn also eine Gemeinde das unkontrollierte Wachstum des Antennenwaldes in den Griff bekommen will, darf sie unter keinen Umständen mit möglichen Gesundheitsschäden argumentieren, sondern muss auf die gerichtsnotorisch bekannten, unguten Gefühle in der Bevölkerung, das heisst, auf die sogenannten ideellen Immissionen zurückgreifen.

Denn das hohe Gericht vertritt nach wie vor die Auffassung, dass Strahlungswerte von 4.99V/m (Volt pro Meter) völlig harmlos und solche ab 5.01V/m absolut tödlich sind. (auf gemischte Anlagen bezogen) Und das mit akkreditierten Messgeräten gemessen die nicht genauer als ±45% sein müssen.

Das Bundesgericht verursacht selber ideelle Immissionen.

Denn ungute Gefühle in der Bevölkerung entstehen bereits beim Anblick gewisser Bundesrichter.

Von Hans-U. Jakob

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