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Aus Durchwinken wurde Zitterpartie

Das nicht ganz Unerwartete ist leider eingetreten. Der Nationalrat hat gestern die Motion der KVF, welche eine Erhöhung (Verschlimmerung) der Strahlungsgrenzwerte für Mobilfunkantennen um das 3-fache anpeilt,  mit 96:89 Stimmen nur äusserst knapp angenommen. 

Von Hans-U. Jakob, Präsident von Gigaherz.ch
Schwarzenburg 17.6.2016

Verloren ist zwar verloren. Aber dieses Resultat ist für die Mobilfunklobby trotzdem höchst beschämend. Denn die Kommission Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) hatte zuvor die Motion in ihrer internen Abstimmung mit 23 gegen 2 Stimmen gutgeheissen. Das heisst, mit einer erdrückenden Mehrheit von 90%. Und jetzt das. Die Illusion der KVF, im Nationalrat spielend dasselbe Resultat erreichen zu können, zerplatzte wie eine Seifenblasse.  Die Kommission KVF brachte im Nationalrat nicht einmal eine Mehrheit von 5% zustande. Beschämend!

Der Bundesrat wird bei seiner Arbeit zur Aenderung der NISV zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Hälfte der Schweizer Bevölkerung keine Erhöhung (Verschlimmerung) von Grenzwerten für Mobilfunksender akzeptieren will.

Nationalratssaal
Bild oben:
Nationalratssaal im Bundeshaus zu Bern

Das war ein deutlicher Schuss vor den Bug. Mit nur 7 Stimmen Vorsprung sind die Forderungen der Mobilfunkkonzerne nicht realisierbar.
Anhand des arroganten Auftretens der Mehrheit der Kommissionsmitglieder der KVF hätte man meinen können, die Abstimmung im Nationalrat würde mit mindestens 180 zu 10 zu ihren Gunsten ausfallen. Dann bleibt erst noch abzuwarten, was der Ständerat dazu meint.

Noch dürftiger sieht es bei der Abstimmung für die Erleichterungen bei Baubewilligungen für Mobilfunkantennen aus. Hier ergab sich nur gerade eine 0.5%-Mehrheit.

Alle Ratsmitglieder die den Motionen zugestimmt haben, werden demnächst auf unsere Empfehlung hin von Standortsuchern für Mobilfunkantennen heimgesucht werden, die ihnen einen solchen Dauerstrahler für ihr Grundstück oder ihr Hausdach andrehen wollen. Wetten dass, kein einziges Ratsmitglied, welches auch da wohnt, einen Vertrag abschliessen wird. Du heiliger St. Florian……….

Wie geht es jetzt weiter?
Die Zustimmung des Nationalrates zu den Motionen bedeutet noch lange nicht, dass schon nächste Woche die Grenzwerte erhöht werden, sondern dass der Bundesrat innerhalb von 6 Monaten einen Entwurf für die diesbezügliche Änderung der Verordnung über nichtionisierende Strahlung (NISV) an die Hand nehmen soll.
Kommt der Bundesrat dieser Aufforderung nach, muss der Bundesrat diese Änderung zuerst in die Vernehmlassung schicken. Vorausgesetzt der Ständerat hat den Motionen unterdessen auch noch zugestimmt. In der Vernehmlassung können dann alle Verbände, Vereine, Organisationen, Konzerne und betroffene Einzelpersonen ihre Bemerkungen dazu abliefern. Erst dann beschliesst der Bundesrat ob und wie die NISV definitiv geändert und wann genau diese in Kraft gesetzt wird.
Passt uns diese Aenderung nicht, was anzunehmen ist, können wir im konkreten Anwendungsfall ans Bundesgericht gelangen, damit dieses die Konformität zu übergeordneten Gesetzen (Umweltschutzgesetz, Baugesetz, Raumplanungsgesetz, Bundesverfassung usw.) überprüft. Was wir auf jeden Fall machen werden, weil nach unserer Auffassung diese Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Es wäre nicht das erste mal, dass das Bundesgericht korrigierend in die NISV eingreift.

Also die Ohren jetzt nicht hängen lassen, sondern die Messer wetzen. Es ist noch lange nicht Feierabend.

Einen herzlichen Dank an alle Vereine, Gruppierungen und Einzelpersonen welche die Nationalräte persönlich angeschrieben und über den wahren Sachverhalt orientiert haben. Ein ganz besonderer Dank gehört den Ärztinnen und Ärzten für Umwelt (AefU) welche direkt im Bundeshaus eine Orientierungsveranstaltung für Parlamentarier durchführten.

Übrigens: SP und Grüne haben geschlossen (ohne Absenz und Enthaltung) für unsere Anliegen gestimmt. Herzlichen Dank an Nationalrätin Margret Kiener Nellen (SP), die in den Fraktionssitzungen viel zu diesem selten gesehenen Resultat beigetragen hat.
Und herzlichen Dank an die Bauernvertreter, die ganz gegen die Empfehlung ihrer Partei für uns gestimmt haben.

Links zur Vorgeschichte:
https://www.gigaherz.ch/grenzwerterhoehung-die-wahnsinnsidee-einiger-motionaere/
und
https://www.gigaherz.ch/angriff-auf-die-grenzwerte/
und
https://www.gigaherz.ch/nationalrat-ruedi-nosers-husarenritt-gegen-lausanne/
oder
https://www.gigaherz.ch/das-konzept-zum-emf-monitoring-ein-schlechter-silvesterscherz-des-bundesrates/

Von Hans-U. Jakob

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