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9. Liste mutiger Kommunal- und Gerichtsentscheide

Trotzdem unsere kantonalen und eidgenössischen Behörden in völliger Verbrüderung mit den Mobilfunkbetreibern die letzten noch offenen Gesetzeslücken geschlossen haben, suchen mutige Gemeinden immer wieder von Neuem nach Auswegen, um dem wild wuchernden Antennendschungel Einhalt zu gebieten. Und wie nachstehende Beispiele zeigen, nehmen jetzt sehr Mutige den Konflikt sogar bewusst in Kauf, um die Gesundheit ihrer Bürger/Innen zu schützen. Unser Dank und unsere Bewunderung sind ihnen sicher. Hier einige Beispiele der letzten Monate.

 

Zusammengestellt von einem Gigaherz-Mitglied.  Publiziert am 7.10.09

Eine Fortsetzung aus /8-liste-mutiger-kommunal-und-gerichtsentscheide/



Mörschwil/SG:
Seit 2006 wehren sich sowohl der Gemeinderat als auch die über 120 Mitglieder zählende IG Mörschwil Nord gegen eine 40 Meter hohe Mobilfunkantenne beim Bahnhof, die die Swisscom AG zusammen mit der Orange SA bauen und betreiben möchte. Die Antennengegener/innen erzielten nun einen Teilerfolg im laufenden Rechtsprozess, der vor dem Verwaltungsgericht des Kantons angelangt ist. Dieses entschied, dass die Firma Orange SA das Verfahren nicht weiterziehen darf, da sie es versäumt hatte, einen Kostenvorschuss rechtzeitig zu bezahlen.

(Tagblatt, 15. Januar 2009)

 


Wattwil_SG.jpgWattwil/SG:
 Der Gemeinderat Wattwil hat am 24. März 2009, gestützt auf die neueste Bundesgerichtspraxis, für das ganze Gemeindegebiet eine Planungszone für Mobilfunkantennen erlassen. Im Rahmen des geltenden Umwelt- und Fernmelderechts ist die Gemeinde befugt, Bau- und Zonenvorschriften für die Errichtung neuer Mobilfunkanlagen zu erlassen. Zeitlich fällt die Mobilfunk-Thematik mit der Entwicklungsplanung der Gemeinde zusammen; dabei sind auch Änderungen am Zonenplan erforderlich. Die Auswirkungen von Mobilfunkantennen auf neue oder wesentlich geänderte Bauzonen sind noch nicht absehbar. Mit der Planungszone besteht ein befristetes Verbot für die Erstellung von Mobilfunkantennen. Der Gemeinderat erwägt, das Baureglement insofern zu ändern, dass die Erstellung von Mobilfunkantennen an eine nachvollziehbare Standortevaluation gebunden ist. Die Planungszone gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entwicklungsplanung, längstens aber während dreier Jahre (mit Verlängerungsmöglichkeit gemäss Art. 107 BauG).

(Medienmitteilung des Gemeinderates Wattwil vom 22. April 2009)

 

Mönchaltorf/ZH: Nachdem der Gemeinderat  letztes Jahr die Baubewilligung für eine 20m hohe Mobilfunkantenne der Firma Sunrise Communication AG an der Isenrietstr. 23 bereits zum zweiten Mal verweigert hatte, legte die Baugesuchsstellerin Rekurs ein. Die Baurekurskommission des Kantons Zürich hat diesen nun nach einem Augenschein vor Ort abgelehnt. Sie ging damit mit dem Gemeinderat einig, dass die Mobilfunkantenne nicht in die Umgebung passt, wobei sich der Gemeinderat auf den Aesthetikartikel im Planungs- und Baugesetz gestützt hatte.

Seit 2 Jahren hegt die Sunrise AG diese Bauabsicht und ebenso lange wehren sich die Anwohner/innen des Südstrasse-/Mülibachquartiers dagegen.

(Zürcher Oberländer, 19. Juni 2009)

 

Maur/ZH: Nach der Rekurskommission des Kantons Zürich stützt nun auch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich den ablehnenden Entscheid des Gemeinderates vom März 2007 gegen den Bau einer 25 m hohen Mobilfunk-Sendeanlage durch die Firma Sunrise AG bei der Post Forch. Es kam zum Schluss, dass eine solch ungewöhnlich hohe Antennenanlage in einer reinen Wohnzone nicht zonenkonform sei. Siehe auch Eintrag vom 5. September 2008.

Der Gemeinderat Maur bezeichnet dieses Urteil als „Pilotentscheid“, da das Verwaltungsgericht aufgrund der gemeinderätlichen Argumentation erstmals Gelegenheit gehabt habe, sich zur Qualifikation einer Mobilfunk-Antennenanlage als gewerbliche Anlage zu äussern. Sunrise akzeptiert den ablehnenden Entscheid.

(Zürcher Oberländer, 7. August 2009)

 

Wattwil/SG: Gegen die am 24. März 2009 vom Gemeinderat beschlossene Planungszone (siehe Meldung weiter oben vom 22. April 2009) haben zwei Mobilfunkbetreiber beim Gemeinderat Einsprache erhoben. Diese Einsprachen wurden in der Folge vom Gemeinderat abgewiesen. Mittlerweile haben die Einsprecher gegen die Gemeinderatsentscheide beim Kantonalen Baudepartement Rekurs erhoben. Dieses Verfahren ist noch im Gange. Da die Einsprachen keine aufschiebende Wirkung haben, bleiben die hängigen Baugesuche für Mobilfunkanlagen bis auf weiteres sistiert. (Medienmitteilung des Gemeinderates vom 2. September 2009)

 

Krummenau/SG: Mobilfunkanbieter dürfen in der Landwirtschaftszone von Nesslau-Krummenau vorderhand keine neue Antennenanlage aufstellen. Das Bundesgericht verlangt eine neue Standortevaluation.

Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hatte 2008 das Projekt bewilligt, doch das Bundesgericht schob nun einen Riegel: die drei Mobilfunkanbieter Swisscom, Orange und Sunrise dürfen im Gebiet Brüggli in der Landwirtschaftszone von Nesslau-Krummenau zumindest vorderhand keine neue Mobilfunkantenne aufstellen.

 

Bald sieben Jahre dauert das Seilziehen um eine neue Mobilfunkanlage. Im April 2003 hatten die drei Mobilfunkbetreiber ein Baugesuch für die Erweiterung bzw. Neuerstellung einer Mobilfunkanlage im Gebiet “Brüggli“ eingereicht. Zu diesem Zweck sollte der bestehende, 21 Meter hohe Gittermast, auf dem heute eine Polizeifunk-Anlage installiert ist, abgebrochen und durch einen neuen Masten von 29,2 Metern Höhe ersetzt werden. Zusätzlich zur bestehenden, nordöstlich des Mastes gelegenen Gerätekabine sollte südwestlich des Mastes eine zweite Gerätekabine mit einer Grundfläche von rund 21 Quadratmetern erstellt werden.

Insgesamt 15 Personen erhoben gegen die Baubewilligung Beschwerde ans Bundesgericht. Dieses gab ihnen nun Recht und hob die Baubewilligung auf.

Offen ist einerseits, ob in den umliegenden Wohngebieten von Krummenau und Ennetbühl sowie auf der Verbindungsstrasse von Wattwil auf die Schwägalp, wie von den Mobilfunkbetreibern behauptet, überhaupt eine Versorgungslücke besteht. Laut Bundesgericht hätte Anlass bestanden, das Ausmass der Versorgungslücke abzuklären. Andrerseits war für das Bundesgericht von Bedeutung, dass die geplante Anlage „in nicht unerheblichem Umfang Nichtbauzonenland“ beansprucht hätte. Unter diesen Umständen hätte das Verwaltungsgericht die Standort-Gebundenheit der Antennenanlage nicht einfach unter Hinweis auf die bestehende bauliche Nutzung des Standortes „Brüggli“ bejahen dürfen, befand das Bundesgericht. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob dieser Standort klar besser wäre als mögliche Standorte innerhalb der Bauzonen. Das Bundesgericht verlangt deshalb eine neue Standortevaluation. (St. Galler Tagblatt, 23, September 2009)

 

Bubikon/ZH: Der Gemeinderat verweigert die Baubewilligung für eine geplante Mobilfunkanlage mit Kombiantennen für GSM und UMTS sowie Richtfunkspiegel von Swisscom und Sunrise beim Geschäftshaus an der Kapfstrasse 44.

Der vorgesehene Standort liegt am südlichen Rand der Wohnzone W2 und grenzt an die Wolfhauserstrasse. Östlich angrenzend erstreckt sich ein kleinmassstäbliches, homogenes Einfamilienhausquartier mit hoher Wohnqualität in der Wohnzone W1.

 

Die Prüfung des Gesuchs habe gezeigt, dass die geplante, ohne Blitzfangstab 20,3 m hohe Anlage nicht ausschliesslich der Quartierversorgung, sondern einem viel grösseren Versorgungsgebiet hätte dienen sollen, schreibt der Gemeinderat. Damit sei diese, gestützt auf die geltenden Bestimmungen der Bauordnung, als „mässig störend“ zu qualifizieren. Dies stehe aber im Widerspruch zur zulässigen Nutzweise in der Wohnzone, die nur nicht störende Betriebe erlaubt. Die geplante Antennenanlage erweise sich am vorgesehenen Standort zudem aus Sicht des Orts- und Landschaftsschutzes als ungünstig und würde das Gesamtbild optisch belasten. Deshalb erfülle sie auch die Einordnungsvorschrift des kantonalen Planungs- und Baugesetzes nicht. (www.bubikon.ch, 2. Oktober 2009)

Von Hans-U. Jakob

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