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8. Liste mutiger Kommunal- und Gerichtsentscheide

Trotzdem unsere kantonalen und eidgenössischen Behörden in völliger Verbrüderung mit den Mobilfunkbetreibern die letzten noch offenen Gesetzeslücken geschlossen haben, suchen mutige Gemeinden immer wieder von Neuem nach Auswegen, um dem wild wuchernden Antennendschungel Einhalt zu gebieten. Und wie nachstehende Beispiele zeigen, nehmen jetzt sehr Mutige den Konflikt sogar bewusst in Kauf, um die Gesundheit ihrer Bürger/Innen zu schützen. Unser Dank und unsere Bewunderung sind ihnen sicher. Hier einige Beispiele der letzten 3 Monate.

 

Zusammengestellt von einem Gigaherz-Mitglied.  Publiziert am 5.10.08

Eine Fortsetzung aus /7-liste-mutiger-kommunal-und-gerichtsentscheide/

 


Arbon.JPGArbon/TG:
Nachdem sich der Stadtrat intensiv mit dem Thema Mobilfunkantennen auseinandergesetzt hatte, beschloss er am 1. September 2008 den Erlass einer Planungszone für solche Bauprojekte. „Die Errichtung einer Planungszone dient der Sicherstellung von planerischen Massnahmen. Sie bedeutet, dass während drei Jahren im Gebiet der Planungszone Baugesuche für Mobilfunkantennen nur bewilligt werden dürfen, wenn sie nicht im Widerspruch zur vorgesehenen Zonenplanung stehen. Die Planungszone umfasst das gesamte Baugebiet der Stadt Arbon mit Ausnahme der Industrie- und Gewerbezonen.“  

 

Anlass dafür bot nebst einer Flut von Baubegehren seitens der Mobilfunkbetreiber für den Bau von Mobilfunk-Antennen die Motion von Erica Willi-Castelberg und 12 Mitunterzeichnenden, die vom Stadtrat eine Definition von möglichen Antennenstandorten fordert, welche der Bevölkerung den grösstmöglichen Schutz vor nichtionisierender Strahlung gewährt.  

 

Darin wird geltend gemacht, dass es bereits viele Erfahrungen von Anwohnenden solcher Antennen gebe, welche durch die Bestrahlung unter gesundheitlichen Störungen bis hin zu chronischen Erkrankungen leiden und dass elektrosensible Menschen, zu denen auch unsere Kinder gehören, kaum mehr wissen, wohin sie ziehen sollen, um sich zu schützen. Es gebe genügend Studien, welche die Probleme belegen – in der Schweiz möchte man sie aber oft lieber nicht zur Kenntnis nehmen. Noch nicht. Die Behörden seien aber dazu verpflichtet, der Bevölkerung grösstmöglichen Schutz vor dieser Strahlung zu bieten.

 

(www.arbon.ch, Zitat aus der Medienmitteilung vom 2. September 2008)

 

 

Maur/ZH: Die Baurekurskommission des Kantons Zürich wies die Beschwerde der Firma TDC/Sunrise ab und stützte damit den Entscheid des Gemeinderates Maur vom März 2007, der das Baugesuch des Mobilfunkbetreibers abgelehnt hatte, bei der Post Forch einen 25 Meter hohen Mobilfunk-Antennenmasten zu errichten.

 

Die Rekursinstanz hielt fest, dass die Wohngebäude in der Umgebung der geplanten UMTS-Basisstation durch deren höhenmässigen Dimensionen nicht nur visuell dominiert, sondern geradezu erdrückt würden. Dementsprechend ordne sich das Bauvorhaben ungenügend in die Umgebung ein und die Bewilligung sei zu Recht verweigert worden.

 

(www.maur.ch, 5. September 2008)

 

Gommiswald/SG: Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Revision der Richt- und Zonenplanung hat der Gemeinderat am 10. Juni 2008 für sämtliche Bauzonen des Gemeindegebietes eine Planungszone erlassen. Er stützt sich dabei auf die neueste Bundesgerichtspraxis, wonach die Gemeinden im Rahmen ihrer bau- und planungsrechtlichen Zuständigkeiten befugt sind, Bau- und Zonenvorschriften zu erlassen, solange die bundesrechtlichen Schranken (insbesondere Umwelt- und Fernmelderecht) beachtet würden.

 

Mit der Planungszone besteht vorläufig ein generelles Verbot für die Erstellung von Mobilfunkantennen bis zum Abschluss der vorgesehenen Richt- und Zonenplanungsrevision. Die Ergebnisse einer umfassenden Standortplanung werden direkt in rechtsverbindlicher Weise umgesetzt werden können. Die Planungszone gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss der Ortsplanungsrevision, längstens aber während dreier Jahre (Art. 105 uff. des kant. Baugesetzes BauG).

 

(Aus der Mitteilung des Gemeinderates vom 27. August 2008, publiziert in der Zürichsee-Zeitung am 8. September 2008)

 

Fürstentum Liechtenstein: Am 29. Mai 2008 beschloss der liechtensteinische Landtag ein neues Umweltschutzgesetz, das am 1. September 2008 in Kraft trat. Dessen Artikel 34, der die Anlagegrenzwerte von zellularen Mobilfunknetzen und von Sendeanlagen für drahtlose Teilnehmeranschlüsse mit einer gesamten äquivalenten Strahlungsleistung von mindestens 6 Watt festlegt, wurde mit den neuen Absätzen 4 und 5 ergänzt.

 

Absatz 4: „Inhaber einer Anlage sind verpflichtet, mit Hilfe geeigneter Massnahmen die tatsächliche elektrische Feldstärke auf den technisch niedrigst machbaren Wert zu senken und bis Ende 2012 im Mittel eine tatsächliche elektrische Feldstärke von 0.6 Volt pro Meter zu erreichen.“

 

Absatz 5: „Die Regierung regelt das Nähere mit Verordnung.“

 

Danach ist in unserem Nachbarland geplant, spätestens bis Ende 2012 die Strahlenbelastung an sogen. OMEN (= Orte mit empfindlicher Nutzung, also primär im Gebäudeinnern und an andern Orten, wo sich Menschen dauernd aufhalten) um 90 % zu reduzieren und wäre alsdann 10x niedriger als in der Schweiz.

 

Da allerdings noch nicht präzisiert wurde, wie dieser „im Mittel„ zu erreichende Wert genau gemessen werden soll, bleibt es vorderhand offen, ob es zu einer tatsächlichen Verbesserung kommen wird. Gemäss Absatz 5 werde „das Nähere“ durch die Regierung mit Verordnung geregelt.

 

(Liechtensteinisches Landesgesetzblatt, ausgegeben am 28.Juli 2008)

 

Anmerkung: gemäss den Schweizer Konzessionsbestimmungen genügen 0,00018 V/m (bei 900 MHZ) und 0,00035 V/m (bei 1800 MHZ), um eine Mobilfunkversorgung sicherzustellen.

 

Arbon/TG: Als der Stadtrat am 1. September 2008 den Erlass einer Planungszone für den Bau von Mobilfunkantennen-Anlagen beschloss, lagen ihm gleichzeitig drei konkrete Baugesuche für den Bau solcher Anlagen vor. Nun wurde bekannt, dass der Stadtrat am selben Datum alle drei Baugesuche abgelehnt hatte:

 

Eine UMTS-Antenne der Firma Sunrise war geplant auf der Parzelle 581 der Firma ASTAG AG, Niederfeld 48, Neuwiese, Stachen.

 

Eine zweite, gemeinsame UMTS-Antenne der Firmen Swisscom und Orange hätte auf die Parzelle 14 der EKT AG, Niederfeldstr. 52, Gries, ebenfalls in Stachen, zu stehen kommen sollen. Gegen beide Baupläne erhob sich Widerstand und Einsprachen wurden eingereicht.

 

Gegen die dritte geplante UMTS-Antenne der Firma Sunrise auf einem Wohn- und Gewerbehaus, Sonnenhügelstrasse 51/Berglistrasse, Parzelle 1955, wurden in Rekordzeit gar 400 Unterschriften gesammelt und dem Stadtrat übergeben.

 

(Thurgauer Tagblatt, 24. September 2008)

Von Hans-U. Jakob

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