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5G: So misst der Kanton Thurgau

Das ist die Story von einem versau(er)ten Messbericht über 5G. «Wer misst, misst Mist» lautet ein gängiges Sprichwort unter Messtechnikern.
Im Obstbau-Kanton Thurgau tönt das etwas anders. Dort sagt man offenbar: «Wer misst macht Most». Hier lesen Sie, wie die Thurgauer Vollzugsbehörden einen 5G-Messbericht bis zur Ungeniessbarkeit vermostet haben.

von Hans-U. Jakob (Gigaherz.ch)
Schwarzenburg, 10.April 2021

Die Vorgeschichte:
Im August des letzten Jahres fanden durch angeblich dazu speziell zertifizierte und akkreditierte Messfirmen erste Abnahmemessungen an adaptiven 5G-Antennen statt. Angeblich nach der höchst umstrittenen Messanleitung im Technical Report: «Measurement Method for 5G NR Base Stations up to 6 GHz» des Bundesinstituts METAS vom 18. Februar 2020.
Höchst umstritten, weil kritische Ingenieure und Messtechniker, dieser Anleitung jegliche Praxistauglichkeit abgesprochen hatten. Siehe https://www.gigaherz.ch/5g-adaptive-antennen-sind-immer-noch-nicht-messbar/

«Sollen wir die überhaupt in unsere Wohnung lassen», wurde Gigaherz oft angefragt, wenn die Akkreditierten einen Termin vereinbaren wollten . «Ja, gerne aber nur unter der Bedingung, dass Ihnen dann der vollständige, ungekürzte Original-Messbericht zugestellt wird», war stets unsere Antwort.
Was den betroffenen Wohnungsinhabern dann auch ehrenwörtlich zugesagt wurde. Wir von Gigaherz und den andern Schutzorganisationen waren nämlich brennend daran interessiert, wie und wo und mit welchen Geräten und unter welchen Bedingungen die Akkreditierten jetzt 5G messen wollen. Und vor allem wie sie die höchst umstrittene Hochrechnung von den Signalisierungsbeams (SS/PBCH) zu den nicht fassbaren Datenbeams (PDSCH) vorzunehmen gedenken.
Vergleichen Sie mit https://www.gigaherz.ch/5g-achtung-hurrikan-im-anmarsch-auf-die-schweiz/

Die Realität sah dann ganz anders aus. Die Akkreditierten wussten es offenbar auch nicht. Denn die Auslieferung der Messberichte verzögerte sich weiter. Sie kamen trotz 14-täglicher Nachfrage im September nicht, im Oktober nicht, im November nicht und ebenso wenig im Dezember. Erst Mitte Januar 21 regte sich im Kanton Thurgau etwas in der Form einer Mitteilung an die betroffenen Wohnungsinhaber: Eine direkte Auslieferung sei ihnen nicht mehr gestattet, man möge sich an das zuständige kantonale Umweltamt in Frauenfeld richten, welche die Berichte jetzt erhalten hätten.

Gesagt getan, Und wie lautete jetzt die Antwort aus Frauenfeld? Zitat: «Der Messbericht ist vergangene Woche beim Amt für Umwelt eingetroffen. Wir werden den Messbericht kontrollieren und darüber einen Prüfbericht verfassen. Den Prüfbericht senden wir an den Mobilfunkbetreiber und die Standortgemeinde. Den Messfirmen ist es untersagt, eigenständig Messberichte auszuhändigen, weder an die Mobilfunkbetreiber noch an andere Personen. Messberichte sind ausschliesslich an die NIS-Fachstelle des Amtes für Umwelt zu übermitteln. Wir kontrollieren und verifizieren diese durch unser Amt, ob die NISV eingehalten wurde. Wir bitten Sie diesen Ablauf zu respektieren.

Respektlose Romanshorner
Im Kanton Thurgau respektierten die Anwohner einer im Mai 2020 in Betrieb gegangen Multiband-Antenne mit einem adaptiven 5G-Teil, diesen «Ablauf» nicht, und beharrten nach wie vor auf der Auslieferung des Original-Messberichtes der akkreditierten Messfirma. Dieser traf dann, weil die gesetzlichen Grundlagen dafür bestehen, am 11.Februar 2021 auch ein. Aber oh weh: Im Messbericht des Akkreditierten fehlte die Hälfte der Seiten. Zudem waren auf den verbliebenen Seiten zahlreiche relevante Partien schwarz abgedeckt.

Der Messbericht war auf diese Weise nicht nachvollziehbar. Wie die 5G-Messungen vorgenommen worden sind schon gar nicht. Die zahlreichen schwarzen Abdeckungen liessen eine massive Schummelei vermuten.
Aus den noch verbliebenen, nicht abgedeckten Parametern liess sich immerhin berechnen, dass die Anlage zum Zeitpunkt der Messung mit Sendeleistungen betrieben wurde die rund 70% über dem bewilligten Wert lag. (blaue Abdeckung durch Gigaherz)

Jetzt schien es an der Zeit, die NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch. mit einer Beschwerde gegen diese unerhörte gesetzwidrige Geheimhaltung einzuschalten. Als Beschwerdeinstanz wurde das dafür gemäss Organigramm des Kantons zuständige Departement Bau und Umwelt des Regierungsrates des Kantons Thurgau ausgewählt.

An die Falschen geraten
Doch da gerieten wir offensichtlich an die Falschen. Anstatt die in der Beschwerde gemeldeten Schummeleien und das kriminelle Verhalten einer kantonalen Fachstelle zu untersuchen, sollte eine Untersuchung gegen unseren Verein gestartet werden. Wir hätten als erstes unsere Statuten, sowie die letzten Tätigkeitsberichte und das Mitliederverzeichnis einzureichen und einen Kostenvorschuss in in der Höhe von Fr. 700.- zu leisten.
Das kommt selbstverständlich nicht in Frage! Wer mit Beilage von Beweismaterial ein strafbares Verhalten einer Amtsstelle zur Anzeige bringt, soll bestimmt nicht vorerst einmal 700 Franken einzahlen müssen, ansonsten man die Untersuchung gar nicht an die Hand nehme? Wo leben wir denn da eigentlich? Und was wollen die mit einem Mitgiederverzeichnis mit hunderten von Adressen aus der ganzen Schweiz  anfangen? Dankbarer Abnehmer wäre natürlich der Nachrichtendienst des Bundes. Siehe https://www.gigaherz.ch/5g-die-fichenaffaere-ist-zurueck/
Aber da geraten sie jetzt bei uns an die Falschen.

Ein wunderschönes Beispiel dafür, wie die von Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga angekündigten vertrauensbildenden Massnahmen zu verstehen sind.

 

Von Hans-U. Jakob

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