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5G: Lichtblicke in dunklen Zeiten

Es geht in kleinen Schritten hin zur Gerechtigkeit. In manchen Gerichtssälen und Amtsstuben dämmert es langsam.


Bild oben:
Und irgendwo scheint immer die Sonne. Riggisberg, Eybrünnen über dem Nebel

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 12.12.2022

Andelfingen ZH:

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat sich gegen die Empfehlungen der Kantonalen Umweltdirektorenkonferenz gewandt. Wollten doch diese Schlaumeier die nachträgliche Anwendung des sogenannten Korrekturfaktors für adaptive 5G-Antennen, gemäss NISV Ziffer 63 Anhang 1, jeweils mit Bagatellbewilligungen erlauben.
Genauer: Bagatellbewilligungen werden von kantonalen oder städtischen Umweltämtern erteilt, ohne dass die Bevölkerung etwas davon erfährt.
Und die Anwendung des Korrekturfaktors erlaubt es den Mobilfunkbetreibern, je nach Bauart der Sendeantenne (Anzahl Subarrays) mit 2.5 mit bis 10mal höherer Leistung zu senden als im Baugesuch, das heisst im Standortdatenblatt, Zusatzblatt 2 deklariert wird.

Um die Bevölkerung hinters Licht zu führen, hatten die Mobilfunkbetreiber damit angefangen, in ihren Baugesuchen den sogenannten Korrekturfaktor, nicht geltend zu machen. Liebe Leute, seht her, wir wollen euch gar nicht mit adaptiven 5G-Antennen pisaken!
Und dann, kaum 3 Monate nach Inbetriebnahme der Anlage, mittels Nachreichen eines korrigierten Zusatzblattes 2 beim Kantonalen Amt für Umwelt, diesen Korrekturfaktor für adaptive Antennen nachträglich doch noch geltend zu machen und sich mittels einer Bagatellbewilligung bewilligen zu lassen.

Mit dieser doch «recht sonderbaren» Praxis hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich nun Schluss gemacht: Die Anwendung des Korrekturfaktors sei mit einer Zunahme der Immission verbunden. Der Anlagegrenzwert (in der Regel 5V/m) dürfe gemäss NISV Ziffer 63 Absatz 2 für eine gewisse Zeit bis zum 3.2-Fachen überschritten werden. Demnach sei bei nachträglicher Geltendmachung des Korrekturfaktors nach wie vor ein neues offizielles Baugesuch erforderlich. Die betroffene Bevölkerung habe ein Recht, dies zu erfahren.
Urteile VB.2021.00740 und VB.2021.00743 vom 27.Okt.2022 mit Versanddatum 25.Nov.2022

Ostermundigen BE:

Gemäss dem neuesten Bundesgerichtsurteil in Sachen Zonenkonformität dürfen Anlagen, die in Folge gesetzlichen und technischen Neuerungen illegal geworden sind, durch Nach- und Hochrüstungen in ihrer Illegalität nicht noch verstärkt werden. Die Besitzstandgarantie erlaubt bestenfalls den Weiterbetrieb im bestehenden Umfang. Urteil 1C_591/2021 vom 8. Okt.2022.

In Ostermundigen wurde nach dem Bau der strittigen Anlage das sogenannte Kaskadenmodell ins Baureglement aufgenommen. Das neue Baugesuch für die Hochrüstung auf zusätzliche 5G-Antennen, entsprach diesem Modell nicht mehr. (Prioritäten liegen heute auf Höhe der Bauten)

Demnach ist bei Baugesuchen für die Um- und Hochrüstung bestehender Anlagen immer abzuklären ob nach heutigem Stand der Gesetze und der Technik die bestehende Anlage noch legal wäre, das heisst, noch bewilligt werden könnte.
Diese Frage ist vor allem bei Baugesuchen für Mobilfunkantennen ausserhalb des Baugebietes enorm wichtig. Denn Standortgebunden im nicht-Baugebiet ist laut konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Anlage nur dann, wenn diese mehrheitlich auch nicht-Baugebiet versorgt. Was früher selten bis nie abgeklärt wurde.
Heute nicht mehr ausreichend sind dagegen wirtschaftliche Vorteile des gewählten Standortes (zB. BGE 133 II 321 S. 326) oder zivilrechtliche Gründe für die Standortwahl, wie zB. die Weigerung von Eigentümern, einer Mobilfunkantenne auf ihrem Grundstück innerhalb der Bauzone zuzustimmen. (Urteile des Bundesgerichts 1A.120/2006 vom 12.Februar 2007, E3.1 und 1A186/2002 vom 23. Mai 2003, publ. in ZIB105/2004 S.103; E3.1)
Wenn heute aus berechtigten Gründen niemand mehr neue Mobilfunk-Sendeanlagen haben will, müssen die Mobilfunkbetreiber halt auf den Bau solcher Anlagen verzichten.

Wildhaus-Alt St.Johann SG:

Aus der Pressemitteilung:
Den Einsprechenden von Wildhaus-Alt St. Johann ist es mit Hilfe ihres Sachverständigen und mit neuem Beweismaterial gelungen, klar nachzuweisen, was die Schutzorganisationen vor NIS seit Jahren feststellen, nämlich dass keine der kantonalen oder städtischen Vollzugsbehörden auf die in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber eingestellten Sendeparameter, wie Sendeleistung, vertikale Senderichtung (Tilt), Antennendiagramme, Korrekturfaktoren und Leistungsbegrenzungen, Online-Zugriff hat.
Diesen Zugriff hat nicht einmal das BAKOM (Bundesamt für Kommunikation). Dieses muss sich mit den von den Betreibern eingereichten Datenblättern und von den Betreibern freiwillig mitgeteilten Mutationen zufriedengeben. Wie weit die in den Steuerzentralen eingestellten Parameter mit der Datenbank des BAKOM übereinstimmen bleibt völlig offen.

Das neue Beweismaterial
Dazu, dass kantonale und städtische Vollzugsstellen keinerlei direkten Zugriff auf die in den Steuerzentralen gefahrenen Parameter haben,  sondern nur gegen Voranmeldung und mit tatkräftiger Mithilfe der Mobilfunkbetreiber hier Einblick nehmen können, ist nämlich neues Beweismaterial aufgetaucht: Es ist dies das Protokoll des Treffens der Spitzen des BAFU (Bundesamt für Umwelt) mit Delegierten der Schutzorganisationen vom 31.März 2022. Anlässlich welchem das BAFU solches erstmals schriftlich zugeben musste.

Der Gemeinderat von Wildhaus-Alt St.Johann fand diese sonderbare Regelung zu dürftig, um die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger weiterhin garantieren zu können und hat unter diesem Aspekt die Baubewilligung für den Ausbau und Umbau des Mobilfunksenders WHTZ der Swisscom an der Hauptstrasse 17 in 9658 Wildhaus verweigert.

Schwarzenburg BE

Die Baubewilligungsbehörden der Gemeinde Schwarzenburg glaubten, Einsprachen und Repliken von Einsprechenden gegen Baugesuche von Mobilfunk-Sendeanlagen nicht behandeln zu müssen, da diese ihrer Ansicht nach Zitat: Haltlose Vorwürfe gegenüber Behörden und Verfahrensbeteiligte enthalten und Anstand und Respekt vermissen lassen. Ende Zitat.

Diesen Satz hatte die Baubewilligungsbehörde von Schwarzenburg nicht etwa selber erfunden, sondern von der Swisscom diktiert erhalten, als sie diese in völliger Ratlosigkeit anfragten, was sie mit dieser 10 seitigen Einsprache und ebenso langer Replik machen sollen, wenn sie doch Zitat: nicht über das Fachwissen verfügen um die Datenblätter zu überprüfen. Ende Zitat.

Irgendwann glaubten sie dann doch noch über das nötige Fachwissen zu verfügen, indem sie unter jeden Einwand der Einsprechenden den lapidaren Satz schrieben, Zitat: Da die Baubehörde nicht über das nötige Fachwissen verfügt, um die Datenblätter zu überprüfen, wurde das Baugesuch an das Amt für Umwelt und Energie, Abteilung Immissionsschutz zur Stellungnahme weitergeleitet. Der Fachbericht liegt vor, der Einsprachepunkt wird als öffentlich-rechtlich unbegründet beurteilt und abgewiesen. Ende Zitat.
Das Dumme an der Sache war dann allerdings, wie sich später herausstellte, dass das Amt für Umwelt sowie die Abteilung Immissionsschutz die Einsprachen erst lange nach der Ausstellung ihres Fachberichtes  zu Gesicht bekommen hatten. Diese haben einfach auf Vorrat blindlings alles bewilligt, ohne die Einsprachen nur gesehen, geschweige denn gelesen zu haben.

Das war dann für die nächste Instanz, den Rechtsdienst der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, an welche dieser Entscheid mittels Beschwerde weitergezogen wurde, doch des Guten zu viel.

Der Entscheid der Bau- und Verkehrsdirektion zur Sendeanlage Granegg, 17 Seiten in Kleinschrift, lautet kurz zusammengefasst folgendermassen.
Die Beschwerde wird abgewiesen, zum Sonderpreis von Fr. 1600.- statt der erwarteten üblichen 4000.-
Weil die Baubehörde Schwarzenburg den Einsprechenden in zweierlei Hinsicht das rechtliche Gehör verweigert habe, indem sie erstens deren Einsprachepunkte in rechtswidriger Weise nicht behandelt und zweitens den Einsprechenden etliche wichtige Dokumente nicht ausgehändigt habe. Das sei bei den Kosten zu berücksichtigen. Die restlichen Kosten übernehme deshalb der Staat. (warum nicht die Mitglieder der Baubehörde von Schwarzenburg?)

Deshalb habe jetzt die Bau- und Verkehrsdirektion die Arbeit gemacht, welche die Baubewilligungsbehörde von Schwarzenburg hätte machen müssen und das «abverheite» Verfahren «geheilt». Dann folgen 10 Seiten in Kleinschrift, weshalb man Jakobs Argumente nicht gutheissen könne. Denn dieser habe ja den Einsprechenden geholfen und mit seiner beträchtlichen Erfahrung hätte wissen können, Komma dass.

Eigentlich zum Lachen, für die Anwohner weniger. Denn diese dürfen jetzt den Entscheid der Bau- und Verkehrsdirektion beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern wegen dem unbefriedigenden Ausgang anfechten. Was übrigens schon beschlossene Sache ist. Fortsetzung folgt.

Von öffentlichem Interesse ist das Urteil trotzdem. Denn es weist die Nachbargemeinden von Schwarzenburg, die diesen Unfug mit dem Nicht-behandeln von Einsprachepunkten bereits übernommen haben, in die Schranken. Verweigerung des rechtlichen Gehörs geht gar nicht und macht sich nicht bezahlt.
Schwarzenburg ist kein Einzelfall. Schwarzenburg zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, woran das Rechtswesen in Sachen Mobilfunk landesweit erkrankt ist. Es urteilen Leute, die von Funktechnik schlicht keine Ahnung haben.

Von Hans-U. Jakob

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