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1C_661/2012 – Ein Bundesgerichtsurteil wird ignoriert

Mobilfunkbetreiber und kantonale Umweltfachstellen stellen sich taub und blind.

von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 5. April 2014

Am 5. September des letzten Jahres schickte das Bundesgericht das Baugesuch für die Mobilfunkantenne auf der Schützenmatte in Murten mit der Aufforderung an die Vorinstanz zurück, in Zukunft Baugesuche einzureichen, die bei den Antennendiagrammen keine, für mehrere Antennentypen gültigen Hüllkurven, sondern Einzeldiagramme enthalten. Zugleich solle für amtliche Abnahmemessungen zuerst abgeklärt werden, ob es im Jahre 2013 nicht endlich Messverfahren gebe, die genauer als ±45% messen können.
Näheres dazu unter 68 Anwälte gegen einen Gartenzwerg

Die Vorgeschichte:
Die Beschwerdeführenden hatten sich für die Vorinstanzen durch eine nahmhafte Anwaltskanzlei vertreten lassen, wo man sehr viel von Juristerei aber leider sehr wenig von Mobilfunk verstand.
Mit den letzten paar Franken in der Kriegskasse wandten sich die Beschwerdeführenden dann an die NIS-Fachstelle von Gigaherz, um noch zu retten, falls es noch etwas zu retten gab.
Hier rollte man das Verfahren von Grund auf mit neuen Argumenten komplett neu auf.
Als Erstes fragte man das Bundesgericht, wie lange es sich noch zum Gespött der Bevölkerung machen wolle, indem es zulasse, dass die in den Baugesuchen deklarierten, das heisst, berechneten Strahlungswerte, die an Orten empfindlicher Nutzung oft nur 1-2% unterhalb der Anlage-Grenzwerte liegen, mit Messverfahren überprüft werden, die nicht genauer als ±45% sind.
Als Zweites wies Gigaherz dem Bundesgericht nach, dass die für die exakte Vorausberechnung der Strahlungswerte an Orten empfindlicher Nutzung notwendigen Antennendiagramme, aus sogenannten Hüllkurven bestanden, die für 5 verschiedene Antennentypen gleichzeig gelten sollten. Und dass diese Hüllkurven gegenüber Einzeldiagrammen die Berechnungen um 58% zu Ungunsten der Anwohner verzerrten.

Neue Argumente erst auf Ebene Bundesgericht einzubringen, hilft im Allgemeinen wenig bis gar nichts, ausser diese Noven seien wirklich von ausschlaggebender Bedeutung. Bingo! Das Bundesgericht liess sich überzeugen

Als Erste reagierten die deutschen Antennenhersteller Kathrein, indem sie der NIS-Fachstelle von Gigaherz den Internetzugang zu den Hunderten von Einzeldiagrammen sperrten. Diese sind nur im Internet und nur mit der Vergabe eines Passwortes durch Kathrein einsehbar und als gerichtliches Beweisdokument auch druckbar. Sachverständige in Beweisnotstand zu bringen, wirft nicht gerade ein günstiges Licht auf einen Antennenlieferanten. Das Bundesgericht wird sich demnächst auch zu dieser Sperre äussern.

Nicts SHSAusser nichts sehen, nichts hören, nichts sagen geschieht gar nichts.
Die Kantonalen Umweltschutzfachstellen und die kantonalen Verwaltungsgerichte winken Baugesuche, die Hüllkurven enthalten, massenweise durch, als ob sie weder lesen noch hören könnten. Zur Ausrede wird etwa gebracht, es handle sich um Hüllkurven für mehrere Frequenzen und nicht für mehrere Antennentypen. Dabei übersehen sie geflissentlich dass es bei Hüllkurven für mehrere Frequenzen bei der Berechnung noch grössere Verzerrungen geben kann, als bei den Hüllkurven für verschiedene Antennentypen. Oder volksnaher ausgedrückt: Ob pro Sektor 3 verschiedene Antennengehäuse auf dem Mast hängen oder pro Sektor bis zu 3 Antennen in einem Gehäuse untergebracht sind, läuft auf das Selbe hinaus. Auch dazu wird sich das Bundesgericht schon bald wieder zu äussern haben. Entsprechende neue Beschwerden sind unterwegs.

Auch 7 Monate nach dem Urteilsspruch des Bundesgerichtes kümmert sich niemand, weder das Bundesamt für Umwelt, noch das Eidg. Institut für Metrologie (nicht Meteororlogie) noch die Kantonalen Umweltfachstellen um die Aufforderung des Bundesgerichts, für amtliche Abnahmemessungen endlich Messgeräte zu wählen, die genauer als ±45% messen können. Im Gegenteil, man behauptet hier mit nicht mehr zu überbietender Arroganz, die bisherigen Messverfahren seien bestens brauchbar. Tja, fragt sich nur für wen?
Bei der NIS-Fachstelle von Gigaherz hat man sich längstens daran gewöhnt, erst vor Bundesgericht Recht zu bekommen. Darum sind auch in dieser Sache bereits wieder neue Beschwerden nach Lausanne unterwegs. Beim 3. Urteil hat man dann in den Kantonen draussen vielleicht begriffen, dass es ernst gemeint war.

Übrigens: In der Schweiz besteht kein Anwaltszwang. Hier kann sich jede Bürgerin oder jeder Bürger direkt an die Gerichte wenden. Die Gerichte sind angewiesen, in einer Sprache zu antworten, die Otto Normalbürger auch verstehen kann, ohne vorher Kurse in Juristen-Chinesisch zu besuchen. Wie das Beispiel Murten zeigt, ist man in Mobilfunkfragen auch ohne Anwalt gut beraten, einen technischen Sachverständigen beizuziehen. Und weil Gigaherz ein gemeinnütziger Verein ist, arbeitet deren NIS-Fachstelle zu den Selbstkosten. So dass selbst ein Bundesgerichtsverfahren in ein normales schweizerisches Haushaltbudget passt.

Von Hans-U. Jakob

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