News

0.1, 100 oder 10’000Grad? Das ist hier die Frage

 

 

BildK.jpg

Spitzenwerte bis zu 120 Volt pro Meter (und 150mA/m) in der Gebrauchsdistanz zum menschlichen Schädel. Der PC links im Bild rückt den Strahlungswert lediglich um 0.2V/m nach oben. Die Schädelwand eines Erwachsenen dämpft die Strahlung lediglich um 30%. Der Rest gelangt auf die Hirnoberfläche. Die Schädelwand eines Kindes ist noch wesentlich dünner.
Bild aus dem Gigaherz-Labor, aufgenommen bei schlechten Empfangsbedingungen.
Die weisse Messsonde (rechts) ist in der Gebrauchsdistanz zum Schädel angeordnet worden.
Siehe auch:
Beitrag Nr.419 (Aus dem Gigaherz-Archiv)

von Hans-U. Jakob, 2.9.06

Ein Artikel in der Hamburger Morgenpost vom 23.8.03 unter dem Titel
Telefonieren wir uns zu Tode?
Mit dem Hinweis „Handys erhitzen Hirnteile während Sekundenbruchteilen bis auf 10‘000 Grad!“

hat auf einen Schlag sämtliche Besserwisser Westeuropas auf den Plan gerufen.

Vielleicht ging aus dem besagten Artikel nicht klar genug hervor, dass es sich bei den genannten Hirnteilen um Teilchen im subzellulären Bereich im Gewicht eines Nanogrammes, das heisst eines milliardstel Grammes handelt. Das geht aus der Bezeichnung Nanotröpchen aber eindeutig hervor. Ebenso eindeutig war auch die Zeitangabe mit „für den Bereich von Sekundenbruchteilen“.

Der Trompeter von Murr liess sich natürlich nicht lange bitten und stimmte seine Melodien noch gleich 3 Oktaven tiefer an als sonst, das heisst noch weiter unter der Gürtellinie. Was ängstliche Naturen unter den Mobilfunkkritikern soweit erstarren liess, dass sie voreilig und völlig unüberlegt von Druckfehlern zu schwafeln begannen und die 10’000 Grad flugs eigenmächtig in 100 umwandelten.

Es regnete Zuschriften wie die folgende
Die 10‘000 Grad sind eine Falschmeldung!
Markus Antonietti, Direktor des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm bei Potsdam, leitet Deutschlands bekannteste Forschungsgruppe in der Materialwissenschaft, er ist ein nüchtern argumentierender Wissenschaftler, kein Panikmacher. Aber er macht sich Sorgen: dass Handystrahlung die Synapsen im Gehirn aufheizt. Nicht um 1 Grad, sondern auf 100. Das folgt aus einem neuen Experiment am Max-Planck-Institut.
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/05/Handy-Strahlung.xml?page=all

oder
Ich bitte dringend um Richtigstellung! Die Verbreitung solcher „Enten“ schadet der Glaubwürdigkeit der Mobilfunkkritiker, welche die Meldung aus Unwissenheit weiterverbreiten und führt zu weiterer Emotionalisierung des Themas.
Mit freundlichen Grüssen
Franz Titscher, Bürgerinitiative Gesund Leben in Allach
http://www.franz-titscher.de/mobilfunk/

10’000 oder 100 Grad? Klar ist bis heute nur Eines.
Eine Hirnmasse von 1,5kg Gewicht (sofern überhaupt vorhanden) lässt sich mit einem Handy mit Sicherheit nicht auf 10’000 Grad erhitzen.
Aber wie steht es mit einem Nanotröpfchen? Einem Teilchen aus der Erbsubstanz im Gewicht von einem Milliardstelgramm? (=0.000000001 Gramm)

Wir wollten es genau wissen und fragten bei Markus Antonietti, Direktor des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm bei Potsdam direkt nach. Doch mehr als eine fadenscheinige Presserklärung, die vor lauter Druckversuchen der Mobilfunkbetreiber nur so stinkt, ist da nichts zu erfahren. Weder eine Bestätigung noch ein Dementi der 10’000 oder der 100 Grad. Und erst recht gar nichts über eine eventuell andere Temperaturerhöhung. Bitte lesen Sie selbst.

Presseinformation:
Durch auf einem Artikel in dem Magazin „Zeitwissen“ basierende Mitteilungen in einigen online-Nachrichtendiensten und der „Hamburger Morgenpost“ ist der Eindruck entstanden, dass eine akute Gefährdung durch Mobilfunkstrahlung besteht.
Diesem Eindruck möchten wir entschieden widersprechen. Die angegebenen Temperaturen sind wissenschaftlich bedeutungslos, Gehirne werden keineswegs „verkocht“, und wir haben auch keine Experimente mit künstlichen Gehirnen durchgeführt.
Die in dem Artikel beschriebenen Experimente werden im Moment mit den zuständigen Behörden und Fachgremien diskutiert, lassen aber keine Notwendigkeit zu einem direkten Handeln erkennen.
Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Panikmache und unsachgemässer Instrumentalisierung wissenschaftlicher Befunde: telefonieren Sie also beruhigt weiter.

Prof. Dr. Markus Antonietti
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
Abteilung Kolloidchemie
Wissenschaftscampus Gom
D-14424 Potsdam

Zitat Antonietti : Jedes technische Gerät erfordert einen sachgemässen Umgang.
Für Antonietti heisst das offenbar beruhigt weitertelfonieren?
Für uns hingegen heisst das: Handy sofort sachgemäss entsorgen.
Denn die Hamburger Morgenpost scheint da einen etwas glaubwürdigeren (erpressungssichereren) Draht zu Antoniettis Institut zu haben.

Stellungnahme der Hamburger Morgenpost
Die Angaben in „Zeit Wissen“ sind nach Aussage von Herrn Antonietti nicht korrekt, da sich die Temperatur nicht um das hundertfache von 1 auf 100 Grad erhöht, sondern hundertmal mehr Energie absorbiert wird, was ein Unterschied ist. Aus diesem Umstand ergibt sich nach Aussage von Herrn Antonietti, dass sich, wie im Artikel dargestellt, bestimmte Zellteile in Sekundenbruchteilen auf 10000 Grad und mehr Grad erhitzen. Klargestellt?
Mit freundlichen Grüssen
Mathis Neuburger
Hamburger Morgenpost
Griegstrasse 75
22763 Hamburg
Tel.0049 40/ 80 90 57 385

Dass die Ausführungen der Hamburger Morgenpost zutreffen könnten, ist auch der Reaktion der Schweizer Mobilfunkbetreiber zu entnehmen.
Bereits 5 Tage später marschierten sie in der Sendung Espresso von Radio DRS-1 mit ihren gewohnten, bereits legendären Marionetten auf.
Dr. Gregor Dürrenberger von der von den Mobilfunkbetreibern getragenen Forschungsstiftung Mobilkommunikation, als Deckmantel eingemietet in Räumen der ETH Zürich, berichtete über Temperaturerhöhungen von lediglich einigen Zehntelgrad und stellte das als völlig unbedenklich hin. Von Nanotröpfchen im subzellulären Bereich war selbstverständlich nicht die Rede.
Und Sonja Bietenhard vom ForumMobil, einem Verein der Schweizer Mobilfunkbetreiber mit Jahresbeiträgen von 1 Million sfr pro Mitglied, erklärte weshalb man die Strahlungsgrenzwerte für Handys in der Schweiz nicht reduzieren und schon gar nicht deklarieren könne. Eine Helvetisierung von Handynormen und Verpackungsvorschriften wäre ein Handelshemmnis und würde den EU-Richtlinien zuwiderlaufen, meinte Frau Bietenhard.
Frau Bietenhard hat dabei geflissentlich „übersehen“, dass genau diese Helvetisierung von Normen auf dem Medikamentenmarkt stattfindet und hier die Preise verdoppelt bis verdreifacht. Praktisch jedes Medikament muss wegen der Deklarationspflicht für den Schweizer Markt umgepackt werden.
Mobilfunkkritische Organisationen waren selbstverständlich bei dieser „sachlichen“ das heisst der Sache dienenden Sendung nicht zugelassen. Denn diese dienen der Sache „Handy“ nicht und sind demnach als „unsachlich“ einzustufen.

Und hier finden Sie die Vorgeschichte
Dicke Post in der Hamburger Morgenpost (unter Gesundheit und Leben)

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet