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Sao Paulo verabschiedet sich von den ICNIRP-Grenzwerten

Sao Paulo, die fünftgrösste Stadt der Welt mit über 11 Millionen Einwohnern im Stadtgebiet und zusammen mit der Region 21 Millionen, setzt die Grenzwerte für niederfrequente Magnetfelder, ausgehend von Hochspannungsleitungen, von 200 auf 1 Mikrotesla zurück.

von Hans-U. Jakob,
Schwarzenburg, 7. Mai 2014
nach einer Meldung von
Frau Dr. Adilza Condessa Dode
Belo Horizonte (Brasilien)

Sao PauloBild links: Ein Blick auf Sao Paulo, den grössten Ballungsraum Lateinamerikas.

Um Hochspannungsleitungen mitten durch dicht besiedelte Gebiete und aus Kostengründen sogar direkt über die Hausdächer führen zu können, hat der private Verein, welcher sich Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) nennt, in seinen Richtlinien, den sogenannten LF-Gidelines vom 25.11.2010, die Grenzwerte für niederfrequente Magnetfelder für die Allgemeinbevölkerung von 100 auf 200Mikrotesla heraufgesetzt.
Im Gegensatz dazu reduzierte die internationale Krebsagentur der WHO, die IARC, an ihrer Konferenz vom Juni 2001 solche Magnetfelder ab 0.4Mikrotesla und höher auf Stufe 2B, das heisst Krebsentstehung möglich. 1) Also 500mal tiefer als die ICNIRP. (!)
Wer die ICNIRP ist, lesen am besten Sie unter /icnirp-oder-die-todesengel-von-oberschleissheim-d/ Weitere Kommentare erübrigen sich.

Wurden bisher die Schweizer Behörden wegen den Grenzwerten von „nur“ 1 Mikrotesla, die seit dem Februar 2000 rechtsverbindlich sind, von andern Industrienationen, von Industrie-gesponserten Wissenschaftlern und von der Industrie selbst aufs wüsteste beschimpft und unter Druck gesetzt, so erreichte uns am 5. Mai 2014 folgende erfreuliche Meldung aus Brasilien:
Der Entscheid des TRIBUNAL DE JUSTICA DE SAO PAULO bestimmt, dass das Niveau der elektromagnetischen Verschmutzung, hervorgerufen durch Hochspannungsleitungen auf 1 Mikrotesla gesenkt wird, entsprechend der schweizerischen Gesetzgebung.

Der Entscheid des Gerichtes von Sao Paulo folgt der Brasilianischen Verfassung Art. 5 und 225 die den Schutz des Menschen und einer gesunden Umwelt enthalten.

Und wohl das Grossartigste an diesem Entscheid ist, dass das Elektrizitätswerk das elektromagnetische Feld von mehreren Hochspannungsleitungen, welche durch zwei wichtige Distrikte der Stadt führen, reduziert werden muss.
Es gibt also keine Besitzstandgarantie wie in der Schweiz, welche es den Werken erlaubt, Leitungen, die vor dem Februar 2000 errichtet worden sind, weiterhin mit bis zu 100Mikrotesla zu betreiben. (Seite 20 des Urteils) Als FAZIT daraus, wird wohl nichts anderes als eine strahlungsarme Erdverlegung mit bewährten Abschirmmassnahmen übrigbleiben.

Das Gerichtsurteil wurde von 2 Bürgerinitiativen „City Boaçava“ und „Alto dos Pinneiros“ erstritten, welche die Rechte ihrer Quartiere erfolgreich verteidigt haben. Die Bewohner einer elektromagnetischen Belastung auszusetzen, sei mit der menschlichen Gesundheit nicht vereinbar.

Das Urteil mache das Vorsorgeprinzip wirksam, welches in der Deklaration von Rio 1992 zu Umwelt und Entwicklung ECO 92, enthalten ist und vorsieht, die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren und die Umwelt zu schützen, heisst es weiter in der Meldung.
Und das Gericht habe zahlreiche ausländische Rechtsprechungen und die Expertenaussagen der Professoren Elsa Antonia Preira Cunna und Fernando Boiteux der Universität Sao Paulo zu Rate gezogen. Das Hauptargument sei vom beisitzenden Richter Renato Nalini geliefert worden, der bereits mehrere Werke zum Umweltschutz publiziert habe.

Das Urteil könnte zu einem wegweisenden Fall für eines der grössten Länder der Welt werden, falls es zu einem Prozess vor der obersten brasilianischen Justiz kommt. Hoffentlich klappt es!

1) IARC MONOGRAPHS ON THE EVALUATION OF CARCINOGENIC RISKS TO HUMANS; Volume 80 (Lyon 2001) 430 Seiten Englisch

Von Hans-U. Jakob

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