News

Die Glaubwürdigkeit einer Personalie

Neue Aspekte zur Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlung?
Die nachstehend beschriebene Arbeit von Prof. A. Lerchl und Mitarbeitern setzt die Fachwelt zumindest in Deutschland in Erstaunen, denn seit vielen Jahren ist Prof. L. als vehementer Verfechter der Unbedenklichkeit von Mobilfunkstrahlung bekannt und unermüdlich im Sinne von Industrie und Politik im Einsatz. Welche Ursachen/Gründe diese Kehrtwende auch immer haben mag, die Glaubwürdigkeit dieser Personalie ist damit nicht wiederherzustellen.

Ein Bericht von Dipl.-Biol. Isabel Wilke
Wiedergabe bei Gigaherz.ch mit freundlicher Erlaubnis der Autorin
und des elektrosmogReports http://www.elektrosmogreport.de
am 5.5.2015

Isabel_WilkeDipl.-Biol. Isabel Wilke (im Bild Links) hat in Köln Molekularbiologie studiert (Genetik, Biochemie und Botanik). Seit 1994 arbeitet sie beim Katalyse Institut für angewandte Umweltforschung Köln im Bereich Elektromagnetische Felder. Vom Katalyse Institut wurde das erste größere Werk zum Thema Elektrosmog in Deutschland herausgegeben, das 1994 in der 1. Auflage erschien: „Elektrosmog – Grundlagen, Grenzwerte, Verbraucherschutz“. Die 4. und 5. Auflage wurde von I. Wilke überarbeitet und erweitert (letzte Auflage 2002). Ebenfalls 2002 erschien beim KiWi Verlag Köln „Das große Strahlen – Handy & Co“, dass sie für das Katalyse Institut geschrieben hat. Im Januar 2006 hat sie die Redaktion des monatlich erscheinenden ElektrosmogReports übernommen.

Unter „Brisante Daten – Handy-Strahlung verstärkt Tumorbildung in Mäusen“
erschien in der Süddeutschen Zeitung (SZ) am 24. März 2015 auf Seite 16 ein Beitrag, in dem davon berichtet wurde, dass „das Team um Alexander Lerchl von der Jacobs University in Bremen …“ die Erkenntnisse gewonnen hat, dass die Versuchstiere 2- bis 3-mal mehr Tumoren in Lunge, Leber oder Lymphknoten entwickeln als die unbestrahlten Tiere, wenn sie mit einer mutagenen (erbgutverändernden) Chemikalie behandelt werden und permanenter Handystrahlung ausgesetzt sind. Die SZ weiter: „Damit kommt Bewegung in eine Diskussion, die zuletzt eingeschlafen war:“ Angeblich fehlte es laut SZ an einer „Bestätigung durch Tierversuche“, als die WHO Mobilfunkstrahlung als „womöglich krebserregend“ einstufte. Bemerkenswert sei, dass es „sich um die erste erfolgreiche Replikation …“ einer Studie aus Hannover 2010 handele (die selbst keine Aufmerksamkeit in den Medien erhielt!).

Eingeschlafen war wissenschaftlich gar nichts,
nur die Medien schwiegen sich aus oder ließen gegenteilige „Ansichten“ verbreiten. Denn etwas anderes als Ansichten oder Meinungen war es nicht, wenn sie der Industrie und der Politik das Wort redeten. Wussten sie es nicht besser? Hätten die Berichterstatter etwas Zeit aufgewendet und objektiv recherchiert, hätten sie seit Jahren berichten können, dass die unabhängige Forschung Schäden durch Mobilfunkstrahlung an Membranen, Erbgut, Stoffwechselprozessen u. a. festgestellt hat.

Warum also jetzt diese Aufmerksamkeit? Es werden die Ergebnisse eines Mannes der Industrie zitiert. Wurde dem vielleicht eine Imagekampagne verordnet, weil dessen Ruf arg ramponiert ist? Zum großen Teil ist das eigenes Verschulden, aber will „man“ (Industrie und Politik) sich in ein besseres Licht setzen? Findet man keinen anderen Tanzbär, der sich am Nasenring herumführen lässt? So schnell wird man keine Glaubwürdigkeit erreichen, weder an der Jacobs University Bremen noch bei der Industrie, nachdem jahrelang Leugnen und Lügen angesagt war.

Warum wurden die Wiederholungsstudie vom BfS ausgerechnet an dieses Labor der Jacobs University Bremen vergeben? An den Mann mit dem schlechtesten Ruf in der Forschergemeinde? Das Image des Prof. L. ist unter Null. Eine Arbeit bereinigt kein über Jahre bewusst „erarbeitetes“ schlechtes Image. Oder war das etwa nicht bewusst? Es ist schon bemerkenswert, dass ein Prof. Lerchl, dem in zwei Prozessen untersagt wurde, Plagiatsvorwürfe und Fälschungsbehauptungen weiter zu verbreiten (s. u.), solche Aufmerksamkeit in den Medien erhält. Die internationale seriöse Forschungsgemeinde weiß seit Jahrzehnten, dass Strahlung eine Krebs promovierende Wirkung hat, dass bereits vorhandene Tumorzellen im Wachstum beschleunigt werden. Es ist also absolut nichts Neues, und die Medien hätten schon vor Jahren solche Studien aufgreifen können. Stattdessen wird seriöse Forschung ignoriert, seriöse Forscher diffamiert oder lächerlich gemacht.

Das ganze Elend des Professor L.

Kaum läuft es schlecht und schlechter, Prozesse werden verloren, da werden die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Hut gezaubert, die vom BfS in Auftrag gegeben und bezahlt und die von den Printmedien wahrgenommen werden. Und die noch dazu frei im Internet zu bekommen sind. Soll damit eine Rehabilitation bewirkt werden? Die ist zumindest zweifelhaft.

In den letzten Jahren nahm die Unglaubwürdigkeit von Prof. L. immer mehr zu, das Agieren des Professors wurde immer absurder, lächerlicher, peinlicher. Wenn man einmal von dem ungenierten Wirken im Sinne von Industrie und Politik absieht, ob in seinen Forschungsaussagen oder als Mitglied der Strahlenschutzkommission, sind generelle, und eines Professors im Besonderen unwürdige Stellungnahmen und Diffamierungen zu nennen, die Prof. L. im niveaulosen Internetforum Informationszentrum gegen Mobilfunk (IZgMF), nicht zu verwechseln mit dem Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) der Mobilfunkindustrie, abgibt. Das Ausmaß der Peinlichkeiten gipfelte in den letzten Jahren in zwei juristischen Auseinandersetzungen, die sich in Stuttgart und Hamburg zutrugen.

In Stuttgart wurden Plagiatsvorwürfe verhandelt,
die Lerchl gegen Peter Hensinger von Diagnose-Funk und Dr. Ulrich Warnke von der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, erhoben hatte. Lerchl diffamierte den Forschungsbericht von Warnke/Hensinger, der den Titel „Steigende „Burn-out“-Inzidenz durch technisch erzeugte magnetische und elektromagnetische Felder des Mobil- und Kommunikationsfunks“ trägt und der von der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V. herausgegeben worden war, im Internetforum des IZgMF als Plagiat. Im Juni 2014 entschied das Landgericht Stuttgart, dass Lerchl diese Anschuldigung zurücknehmen muss. So steht nun auf dem Blog als Eintrag von Lerchl: „Die Äußerungen in meinem Blogbeitrag vom 31.01.2013, 20:01, halte ich nicht weiter aufrecht.“

Zur Erklärung des vermeintlichen „Plagiats“: Die beiden Autoren hatten Formulierungen zu gleichen Sachverhalten aus früheren eigenen Veröffentlichungen verwendet.

Der zweite Prozess begann am 19.12.2014 vor dem Landgericht Hamburg. Da ging es um die haltlosen Fälschungsvorwürfe, die Prof. Lerchl über Jahre, wo immer er konnte, wiederholte, obwohl nichts davon stimmte und dies von mehreren Gremien auch festgestellt wurde. Es ging um für Industrie und Politik „unpassende“ Ergebnisse zur Gentoxizität von 1800-MHz-Strahlung, die an der Medizinischen Universität Wien erarbeitet worden waren und 2004 in der REFLEX-Studie und in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht worden waren. Angeblich sollte die durchführende Wissenschaftlerin ein Gerät manipuliert haben. Zur Verhandlung in Hamburg kam es, weil die der Fälschung Beschuldigte, Frau Kratochvil, erreichen wollte, dass dieser Vorwurf sowie andere Äußerungen nicht mehr behauptet werden dürfen. Ende Januar 2015 wurde ein Schriftsatz von Prof. Lerchl beim Landgericht Hamburg eingereicht, der weitere absurde Behauptungen enthielt. Das Gericht verurteilte die Beklagten, Prof. Lerchl und die Zeitschrift Laborjournal, am 13. März 2015, einige Behauptungen bezüglich der Fälschungen und andere Aussagen nicht mehr zu wiederholen. Zuwiderhandlungen werden mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft (im Einzelfall höchstens 250 000 € oder insgesamt höchstens 2 Jahre Haft) geahndet. Die Kosten tragen die Beklagten, der Streitwert beträgt 60 000 €.

Eine Übersicht über zweifelhafte Forschung und über die juristischen Auseinadersetzungen ist bei der Stiftung Pandora zu lesen. Eine gute Chronologie der Unseriosität und der Peinlichkeiten ist von Prof. Adlkofer erstellt worden, der als Koordinator der Reflex-Studie direkt in die Auseinadersetzungen involviert war. Da ist auch der Verlauf des Prozesses zu den Fälschungsvorwürfen dokumentiert. Prof. Adlkofer hat dann auch in seiner unnachahmlich treffenden Art eine Stellungnahme zu der neuen Lerchl-Studie abgegeben: „Das Unerwartete geschieht immer – Eine schmerzhafte Lektion für den notorischen Verleumder Alexander Lerchl und noch mehr für Industrie und Politik, die sich seiner „Expertise“ seit vielen Jahren bedienten“.

Die unabhängige Stiftung Pandora ist und war es auch, die die Forschung des unabhängigen Epidemiologen Prof. Lennart Hardell und Mitarbeiter in Schweden unterstützt, damit seriöse statistische Daten in die Welt gelangen können und eine Chance haben, von unabhängigen Geistern gelesen zu werden. Vielleicht wird unabhängige Forschung auch eines Tages von den Medien wahrgenommen. Dazu gibt es aktuell einen Aufruf zu Spenden, damit Prof. Hardell weiter forschen kann, denn die Mittel für Forschung im Sinne der Gesundheit werden immer weniger.

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass Prof. Adlkofer im August 2014 auch einen Kritischen Kommentar zu einer anderen BfS-Studie verfasst hat, der angeblichen Reproduktion der REFLEX-Studie durch eine Forschergruppe der TU Darmstadt. Darin entlarvt er mit fundierten Belegen die offensichtlichen Unzulänglichkeiten der Studie und der Arbeit des Forscherteams. Das Ergebnis der Studie war ganz im Sinne des BfS, das sollte vielleicht noch angemerkt werden. Wurde das Labor gerade deshalb als Auftragnehmer ausgesucht, weil dort keine Sachkenntnis vorhanden war?

Die Rolle der Industrie, der Politik und der Medien

Wo sind die Berichte zur fraglichen Seriosität eines Prof. L.? Hat man nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen, dass Prof. L. seit Jahren falsche Anschuldigungen wegen angeblicher Fälschungen in einem Wiener Forschungslabor (Der SPIEGEL berichtete genüsslich und wohl gern darüber), obwohl mehrere Gremien die Anschuldigungen als haltlos befunden hatten? Und dass er kürzlich vor dem Landgericht Hamburg dazu verurteilt wurde, diese Lügen einzustellen? Ein Professor arbeitet an einer privaten Universität, die immer Geld braucht. Ein Prof. L. wird in den Medien dargestellt, die gern auch Geld von der Industrie in Form von Werbung nehmen. Und ein Prof. L. war lange Mitglied der Strahlenschutzkommission, wurde aber von der IARC (eine Abteilung der WHO) für eine EMF-Arbeitsgruppe als nicht unabhängig weil industrienah abgelehnt.

Zu solchen Sachverhalten gab es keine Berichte in den Medien,
nur die unabhängigen Institutionen, z. B. Diagnose-Funk, www.diagnose-funk.de, Stiftung Pandora, www.pandora-stiftung.eu, die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V., www.kompetenzinitiative.net und auch der ElektrosmogReport berichteten und berichten ständig.

Selbstverständlich ist die neue Arbeit von Prof. L. nicht in den letzten Monaten geplant und durchgeführt worden – hat man die Steigerung der Misere mit der Galionsfigur Prof. L. schon länger kommen sehen? Was oder wer auch immer den Sinneswandel eines Prof. L. in Sachen Mobilfunk und Krebs herbeigeführt hat – glaubwürdig ist er nicht, nach so vielen Jahren der unseriösen, peinlichen und verleumderischen Tätigkeit. Es ist die Frage, ob überhaupt und wenn wie die Glaubwürdigkeit wiederhergestellt werden kann.

Wir werden die Erinnerung an die Vergangenheit dieser Person wach halten – und das Internet vergisst sowieso nicht.

Isabel Wilke

Sehen Sie dazu bitte auch:
https://www.gigaherz.ch/die-sendung-mit-der-maus/
https://www.gigaherz.ch/luegen-haben-lange-beine/
https://www.gigaherz.ch/der-perfekte-bumerang/

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet