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Zur Informationsveranstaltung der Stadt Sursee LU

Zur Informationsveranstaltung der Stadt Sursee LU:

Viele Gemeinde- und Stadträte glauben immer noch, mit möglichst einseitiger Zusammensetzung von Podiumsteilnehmern den Mobilfunkbetreibern Tür und Tor öffnen zu können. Dass das meistens in die Hose geht, beweist einmal mehr die Veranstaltung vom 22.9.03 in Sursee LU

Berichterstatter für Gigaherz, 24.09.03

Anlass:
Ausschreibung einer UMTS-Antenne auf einem Silo in Sursee.
Veranstalter:
Stadtpräsident Sursee
Podium:
Hr. Amrhyn, Standortvermieter
Dr. Nosetti, Kinderarzt AefU
A. Amrein, Vertreter der Einsprechergruppe
Hr. Berz, „selbstständiger Forscher“, Berater der Swisscom
Hr. Zumbühl, Redakteur, Gesprächsleiter
Hr. Aschwanden, Fa. Orange
Hr. Willy Koch, Swisscom
Hr. Zosso, Amt für Umweltschutz Kt. Luzern
im Saal:
Ein grosses, interessiertes Publikum

Gesamteindruck:
Auf dem Podium war kein einziger E-Smog-Sachverständiger vorhanden. Nachdem die Herren auf dem Podium ihre Vorträge gehalten hatten, kam das Publikum zwar des öfteren zu Wort, der Gesprächsleiter gab Fragen und Aussagen jedoch kaum weiter und baute daher keinen Dialog auf.

Eindruck zu den Beiträgen:
Der Stadtpräsident war zurückhaltend und stand der Situation eher hilflos gegenüber. Er forderte keine Fakten von den Teilnehmern um eine Entscheidungsgrundlage zu bilden.

Die Orange (Hr. Aschwanden) beschränkte sich mehr oder weniger auf die Darstellung des Bedarfs („Handys retten Leben???“), nach dem Motto „Bedarf ist da, also müssen die Antennen her.“ Er überliess den Rest Herrn Berz. Herr Koch hielt sich anfänglich zurück.

Der Standortvermieter vertrat die Betreiber mehr schlecht als recht mit Beispielen aus dem nicht vergleichbaren Niederfrequenzbereich-Bereich.

Das Umweltschutzamt bestätigte, dass man alles förmlich korrekt durchziehen wird und klammerte sich an den Grenzwert.

Der Märchenprinz des Abends: Herr Berz, ehem. Werksarzt bei der Daimler Benz („Betreuung von Schweissern bei bis zu 2000 V/m“), hat sich „seinen Traum verwirklichen können, und ist nun selbstständiger Forscher“. Er steht nicht bei Swisscom auf der Gehaltsliste, aber er ist „Berater der Swisscom“. (Wer finanziert bloss sein privates Labor mit EEG???). Er spielt bei 120 V/m etwas mit dem EEG herum und legte Diagramme mit EEG-Signalen auf. Seine besten Knaller:

– TV und Radio wären für die Bevölkerung eine etwa gleichwertige Belastung
– Zusammenhang Leukämie & Starkstrom wäre nicht nachgewiesen
– Wir verwenden ja auch einen Rasierapparat, Nachtwecker, etc.
– Epidemiologische Studien sind nicht aussagekräftig.

Im Gespräch nach der Sitzung wurde er mit Fragen zu epidemiologischen Studien etwas überfordert. Dabei kam heraus, dass er schon die bedeutendsten Studien von Selvin (Sutra Towers) und die von Hocking (Nord-Sidney) gar nicht einmal kannte. Sein Studien-Know-How ist allgemein noch recht limitiert, sein technisches noch viel mehr, weil er permanent einen Nachtwecker mit einer HF-Antenne verwechselt. Nach eigenen Angaben hat er bisher erst rund 20 Studien gesichtet, die auf gesundheitliche Auswirkungen durch Mobilfunkstrahlung hinweisen. (Anm: Allein zur Blut-Hirn-Schranke gibt es mindestens 5 solche Studien) So lässt sich die Swisscom also beraten. Am 24. Okt. geht er zur SES-Tagung in Zürich – zum Glück nicht als Referent, diese sind z. Bsp. Prof. Kundi.

Einen sehr guten Beitrag hat meiner Meinung nach Herr Dr. Nosetti von den AefU geleistet – In der Einleitung schilderte er, wie man vor 90 Jahren radioaktive Strahlung als harmlos darstellte. Sein ruhiger, besonnener Vortrag hatte eine sehr gute Wirkung.

Als der bekannte Mobilfunkkritiker Jürg Zimmermann endlich das Wort erzwingen konnte, gab er so mächtig Gas, dass auch dem letzten Bürger klar wurde, dass hier etwas ganz mächtig faul ist.

Herr Koch spielte im allgemeinen den „good guy“, und nahm nach dem Vortrag eine Konversation mit einer geschädigten Bürgerin auf. Bleibt zu hoffen, dass er es wenigstens ein bisschen ernst meint.

Alles in allem verlief diese Veranstaltung so, wie sie zu erwarten war:
Eine schamlose Deformation der Faktenlage durch Hr. Berz.

Erfreulich waren die vielen kritischen, sogar ausführlichen und zum Teil sehr deftig vorgetragenen Publikumsbeiträge. Man hat gut gespürt, dass die Bevölkerung hierunter leidet und man das Problem nicht mit einem selbsternannten Swisscom-Scheinprofessor wegreden kann. Der Stadtpräsident war am Ende sichtlich entnervt und recht hilflos. Er stellte sich jedoch (immer noch) nicht hinter seine Bürger.

Von Hans-U. Jakob

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