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Zug um Zug aus Zug

Zug um Zug ??? aus Zug

Eigentümliche Bewilligungs-Praxis für Mobilfunkanlagen im Kanton Zug

Eine Serie in 3 wöchentlichen Fortsetzungen von Dr. Andr? Masson, Baar

Stand Ende Mai 2005

Der Kanton Zug ist klein ??? er besteht aus 11 Gemeinden. Man kennt sich. Man ist unter sich. Bei allen Themenbereichen ist den Behörden aller Stufen von vornherein klar: Wir werden auch später miteinander zu tun haben. Deshalb wollen wir einander nicht wehtun.

Der Kanton ist so klein, dass die Bewilligungspraxis für Mobilfunkanlagen gut überblickbar wirkt. Sie steht unter dem Motto, wahrscheinlich wie überall in der Schweiz: Im Zweifelsfall immer für die Mobilfunkanbieter. Die Gegner dürfen noch lamentieren, schreiben, protestieren, aber die Briefe werden einfach zwischen die Aktendeckel geklemmt, und damit hat es sein Bewenden.

Damit nichts ver-gessen geht, was sich alles unerle-digt auf den stummen Aktenbergen stapelt, sollen hier die wichtigsten Regelverstösse aufgezeichnet werden, die sich in den letzten zweieinhalb Jahren im Kanton Zug ereignet haben, also von Dezember 2002 bis Mai 2005. Statt laufend über neue Antennen und verstreute Einzelfälle zu berichten, soll hier einmal die Gesamtheit aller Ungesetzlichkeiten gezeigt werden: Zug um Zug werden regelmässig die Weichen in dieselbe Richtung gestellt ??? in die falsche.

1) Ausbreitungsrechnung: Blindflug im Nebel

Hünenberg / Chnodenwald / Kantonspolizei AG
Die vorgeschriebenen Rechnungen im Standortdatenblatt sind zwar gemacht worden. Die Projektver-fasser haben jedoch nicht gesehen, worauf es letztlich ankommt: es fehlte Ziel und Zweck all dieser Zahlen, nämlich die erwartete Strahlung bei den nächsten bewohnten Häusern! Etliche weitere Leis-tungen, Diagramme, Winkel blieben ebenfalls unklar; nicht einmal die beteiligten Betreibergesell-schaften bei diesem Antennenmast stimmten überein mit der kantonalen Karte der Antennenstandorte, usw.

Das Durcheinander war hier noch grösser als sonst üblich; damals wurden die Standortdatenblätter generell chaotisch ausgefüllt, heute ist die Fehlerdichte geringer. Der Gemeinderat von Hünenberg wurde in einer Einsprache auf die groben Mängel aufmerksam gemacht. Er bewilligte die Antenne jedoch anstandslos, ohne auf die vielen Fehler einzugehen. Seine Ausrede: Die Einsprache sei juris-tisch nicht legitimiert.

Fazit: Die Fehler-Kaskade ist hier perfekt. Der Gesuchsteller macht grundlegende Fehler, das kantonale Amt für Umweltschutz als fachliches Beurteilungsorgan sieht sie nicht oder handelt nicht, und auch die Gemeinde schliesst Ohren und Augen fest zu.

2) Das Bahnhofdach wird nicht gereinigt

Zug / Bahnhof / Orange

Orange baut eine UMTS-Anlage auf dem Dach des Bahnhofes Zug. Die Antennen kommen allerdings nicht zuoberst auf das Haus, wo die Menschen nicht hinkommen. Vielmehr versteckt Orange die An-tennen in die Wände der technischen Dachaufbauten. Auf dem davor liegenden Flachdach kann tech-nisches Service-Personal direkt im Sendestrahl stehen, ohne dass die Gefahr sichtbar wird. Die Grenzwerte können bei diesen kurzen Distanzen natürlich nicht eingehalten werden ??? der Kopf kann sich direkt vor den versteckten Antenne befinden. Die Behörden von Stadt Zug und Kanton glauben ihre Pflicht zu erfüllen, indem sie ein „Betreten verboten“ erlassen. Ob sich das Verbot überhaupt einhalten lässt, ist für die Behörden keine relevante Frage. Die Antennen werden bewilligt, selbst wenn bei Service-Ar-beiten oder Feuerwehrübungen voraussehbar die Grenzwerte verletzt werden.

Das BUWAL hat später auf Anfrage präzisiert, wie das Dach betreten werden muss: Der Handwerker muss vorgängig bei Orange anfragen ??? die Betreiberfirma wird dann selber entscheiden, ob das Dach freigegeben wird oder nicht; die Betreiberfirma überwacht sich selber. Die Behörden erhalten keine Informationen, sie haben nicht den geringsten Einfluss auf die Einhaltung der Grenzwerte. Die Auskunft von Orange kann weder überprüft noch beurteilt werden. Die momentanen Sendeleistungen der Antennen sind ja keiner unabhängigen Stelle bekannt deshalb müssen sie endlich im Internet veröffentlicht werden.

Die Anordnung dieser Antennen ist so unhaltbar und so ungewöhnlich, dass ich diesen Standort durch Fachleute aus den Kantonen Zürich und Basel, später auch durch das eidgenössische BUWAL im Sinne einer Zweitmeinung begutachten lassen wollte. Alle drei Amtsstellen haben es kategorisch ab-gelehnt, sich in die kantonalen Kompetenzen einzumischen. Noch während der Auflagefrist fragte ich ausserdem das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit sowie die Gesundheitsdirektion, ob sie nicht für die Sicherheit der Arbeitnehmer sorgen müssten, aber beide haben die heisse Kartoffel wiederum dem Amt für Umweltschutz (AfU) weitergereicht.

Fazit: Niemand darf das kantonale Amt für Umweltschutz fachlich überwachen oder korrigieren ??? es ist unangreifbar in seinen Entscheiden. Der Stadtrat von Zug spricht ein „Betreten verboten“ aus, das mit Sicherheit nicht eingehalten werden kann

3) Schlafen die Antennen in der Nacht ?

Das Amt für Umweltschutz veröffentlicht in seiner Publikation „Blickpunkt Umwelt“ (Dez. 03) ein Diagramm der erwarteten Strahlung im Laufe eines Tages. Daraus geht hervor, dass die Antennen nicht mehr strahlen, wenn nachts niemand telefoniert ??? ein elementarer Schnitzer, der selbst Anfän-gern nicht passieren dürfte.

Swisscom bindet einer Pressemitarbeiterin denselben Bären auf (Zuger Presse vom 17.11.04), nimmt ihn aber später zurück („ein Missverständnis“). Das AfU nimmt nichts zurück, auch nach einem her-ausfordernden Leserbrief nicht. Der Kanton hat zwar ein registrierendes Messgerät, aber eine echte Kurve mit der gemessenen Strahlung im Verlauf von Tag und Nacht wurde nie publiziert.

Fazit: Der Kanton kann einen offensichtlichen Fehler nicht einfach zugeben und damit die Situation klarstellen.

4) Die Akten bleiben geschlossen ??? selbst wenn sie öffentlich sind

Zug / Lauriedstrasse / Sunrise
In der ganzen Schweiz gelten die Spielregeln des BUWAL; sie erlauben eine Einsichtnahme in das Standortdatenblatt (= StDBl) der Mobilfunksender, in dem alle technischen und geometrischen Eigen-schaften der Sender verzeichnet sind. Die Einsicht wird vom BUWAL ausdrücklich auch nachträglich erlaubt, wenn das Bewilligungsverfahren bereits abgeschlossen ist. Während des Bewilligungsverfah-rens liegt das StDBl ohnehin öffentlich auf.

Im Kanton Zug wird leider eine andere Praxis verfolgt. Sunrise veränderte im Frühling 04 die Anten-nen an der Lauriedstrasse, so dass sie weiter nach unten zeigten. Diese Änderung wurde den Behörden nicht angezeigt. Um zu prüfen, ob die in der Baubewilligung festgeschriebene Strahlungsrichtung noch eingehalten wird, muss man das StDBl studieren. Der Kanton erlaubt aber keinen Einblick ins StDBl. Die Stadt Zug gewährt das Einsichtsrecht nach eigenartigen Vorstellungen: die Anwohner dürfen das StDBl erst dann sehen, wenn die Betreiberfirma ihr schriftliches Einverständnis dazu gibt. Die zu überwachende Firma darf also selber sagen, wo und wann sie sich durch wen überwachen lassen will.

Sunrise hat mir auf Anfrage hin das ganze Dossier zugestellt. Dabei zeigte sich, dass die gegenwärtige Strahlrichtung in Ordnung ist. Die Frage, ob man seinerzeit beim gegenüberliegenden Hochhaus „Glashof“ im richtigen Stockwerk gemessen hat, erübrigt sich: Man hat im „Glashof“ die Strahlung weder gerechnet noch gemessen (Distanz: 80 m). Eine eigene rechnerische Abschätzung ergibt ca. 2.1 V/m allein durch die West-An-tenne, also weniger als der Grenzwert.

Fazit: Der Kanton und die Stadt Zug halten sich nicht an das Bundesrecht und verweigern interessierten An-wohnern einen Einblick in die technischen Unterlagen der Mobilfunksender.

5) Das Bundesgerichtsurteil ist nicht durchsetzbar

Baar / Brauerei / Orange & Sunrise
Seit der Ausschreibung des Projektes im Januar 2001 haben die Antennengegner durch alle Instanzen bis zum Bundesgericht (Urteil: 12. August 2003) ein fehlendes, gesetzeskonformes Messverfahren für UMTS bemängelt. Bestritten wurde das nie; es wurden einfach Ersatzmessungen vorgesehen mit Nicht-UMTS-Strahlung, als juristischer Notbehelf. Das Bundesgericht forderte innert dreier Monate nach Betriebsaufnahme eine vorläufige Messung, innert sechs Monaten nach Publikation der UMTS-Messempfehlung durch das BUWAL eine richtige UMTS-Messung. Die „zuständige Behörde“ solle die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über die Ergebnisse der Messungen informieren.

Weder bei der Erstmessung (ohne UMTS) noch bei der richtigen UMTS-Messung ein Jahr später konnten die Fristen eingehalten werden. Die UMTS-Strahlung bestrahlt das Quartier seit anfangs De-zember 2004, aber Orange will im März 05 die UMTS-Messung nochmals auf unbestimmte Zeit ver-schieben. Orange diktiert der Gemeinde das Vorgehen, anstatt umgekehrt. Wieso muss sich die private Firma nicht an das Bundesgerichtsurteil halten ? Die Behörden schauen zu und greifen nicht ein.

Im ganzen Kanton ist eine Veröffentlichung über die Mobilfunkmessungen meines Wissens erst in zwei Fällen erfolgt: Menzingen Chrüzegg (damals noch ohne UMTS), und Baar Brauerei (während der ersten Ausbaustufe ohne UMTS, und ohne die vorgeschriebene Hochrechnung auf den maximalen Gesprächsverkerkehr). Im Kan-ton Zug strahlen heute 21 UMTS-Sender (Mai 2005) ??? aber meines Wissens ist noch keine einzige UMTS-Mes-sung veröffentlicht worden! Die neuen UMTS-Sender können sich nicht mehr auf Behelfs-Messungen mit fal-scher Strahlung berufen, weil das BUWAL am 17. September 2003 Empfehlungen zur UMTS-Messung heraus-gab.

Fazit: Die vom Bundesgericht festgelegten Fristen für die Strahlungsmessung werden nicht eingehal-ten. Bisher wurde (wahrscheinlich) noch keine einzige UMTS-Messung veröffentlicht, obgleich das vom Bundesgericht vorgeschrieben wird.

Fortsetzung folgt in Woche 23

Von Hans-U. Jakob

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