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US-Gehirntumorprozesse: Herber Rückschlag für die Mobilfunkindustrie

US-Gehirntumorprozesse: Herber Rückschlag für Mobilfunkindustrie

Hardell legt weitere Studien als Belastungsmaterial vor

Quelle: RCR Wireless News, 16.09.2002

Zweiter Bericht könnte Gesundheitsprozess beeinflussen

von JEFFREY SILVA, am 16. September 2002

WASHINGTON – Der Bundesrichter von Baltimore, der den Vorsitz über eine 800-Millionen Dollar-Klage gegen die Mobilfunkindustrie führt, der vorgeworfen wird, dass ihre Produkte Krebs verursachen, wurde von den Klägern vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass der wissenschaftliche Hauptzeuge des Klägers Anfang nächsten Jahres eine zweite wissenschaftliche Abhandlung publizieren lassen wird, wonach die Benutzung analoger Mobiltelefone mit der selben Art des bösartigen Gehirntumors in Verbindung gebracht wird, wie der, an dem der 42-jährige Neurologe leidet, welcher vor zwei Jahren den Prozess gegen die wichtigsten Mobilfunkbetreiber und -hersteller des Landes angestrengt hatte. Diese Entwicklung könnte es der US-Bezirksrichterin Catherine Blake erschweren zu verhindern, dass dieser richtungsweisende Fall vor Gericht verhandelt wird. /p>

Es handelt sich um die zweite bedeutende wissenschaftliche Abhandlung des Schweden Lennart Hardell in weniger als drei Monaten, die eine Verbindung zwischen Mobiltelefonen und Gehirntumoren feststellt. Man geht davon aus, dass Blake in Kürze entscheidet, ob die Zeugenaussagen Hardells und die anderer Experten der Kläger unter Sandardbedingungen/ voraussetzungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtes von 1993 im Fall Daubert gegen Merrell Dow Pharmaceuticals Inc. zulässig sind. Die Daubert-Entscheidung ist ausschlaggebend dafür, ob der Fall verhandelt oder abgewiesen wird.

In der August-Ausgabe des „European Journal of Cancer Prevention“ spricht Hardell von einem um 30 % erhöhten Risiko gutartiger Tumore bei Nutzern von Mobiltelefonen.
Diese Erkenntnisse werden erst jetzt zunehmend von den wichtigen Medien aufgegriffen. In einem Brief vom 21. August an Blake argumentieren die Anwälte der Verteidigung,
dass Hardells Daten in besagter Zeitschrift kaum Gewicht hätten, da der Kläger – Christopher
Newman – unter einem bösartigen Tumor namens Astrozytom litt. „Die Publikation von
Dr. Hardells Studie kann die zahlreichen Fehler in der Beweisführung nicht korrigieren.
Daher ist seine Meinung zur Ursache in diesem Fall unzulässig“, so die Anwälte.

Doch nun gibt es ein zweites Hardell-Papier, das erst noch der Öffentlichkeit präsentiert werden muss, was bald geschehen wird.
Die Oktober-Ausgabe des „International Journal of Radiation Biology“ wird weitere
epidemiologische Ergebnisse von Hardells Forschungen darlegen, die – in Kombination
mit denen des August-Papiers – sehr wohl dafür sorgen könnten, dass der Newman-Fall
vor Gericht kommt. Die Abhandlung „Use of cellular telephones and the risk for astrocytoma
(Benutzung von Mobiltelefonen und das Astrozytom-Risiko)“ stellt ein statistisch signifikant
erhöhtes Risiko für die Entstehung bösartiger Gehirntumore bei Nutzern von Mobiltelefonen
fest. Noch grösser war das Risiko für Astrozytome (der Gehirntumor, an dem Newman erkrankt ist) an jener Seite des Kopfes, an der die Mobilfunknutzer Gespräche führen und empfangen.

Die Daten entstammen einer Studie, die als die grösste epidemiologische Fall-Kontroll
Studie weltweit gehandelt wird. Während der Daubert-Anhörung im letzten Februar griffen
die Anwälte der Mobilfunkindustrie Methodik und Ergebnisse der Studie an.

Newman wird durch die Anwaltssozietät des Prozessanwaltes Peter Angelos vertreten, dem auch die bekannte Baseball-Mannschaft „Baltimore Orioles“ gehört. Angelos erreichte in der Vergangenheit Urteile, die die Hersteller von Asbest- und Tabakerzeugnissen zu Zahlungen von Hunderten Millionen Dollar zwang. Angelos‘ Sozietät unterrichtete Blake am 6. September darüber, dass Hardells neueste Abhandlung über die Nutzung von Mobiltelefonen und Astrozytomen in der am 2. Oktober erscheinenden Ausgabe des „International Journal of Radiation Biology“ erscheint.

„Von Forscherkollegen geprüfte wissenschaftliche Studein zeigen ein höheres Risiko für die Entwicklung von Gehirntumoren bei Menschen, die Mobiltelefone benutzt haben. Ausserdem gibt es zunehmend Beweise für die biologischen Mechanismen, die erklären, wie die Tumorbildung ausgelöst und/oder gefördert wird und so zu dem erhöhten Risiko führt, von dem diese Studien berichten“, schrieb H. Russell Smouse, ein Anwalt der
Sozietät von Angelos, in dem Brief vom 6. September an das Gericht.

Innerhalb der Branche und in Regierungskreisen¨ ist eine hitzige Debatte darüber entbrannt, ob die Strahlung von Mobiltelefonen athermische biologische Auswirkungen erzeugen kann, die die Gesundheit der Nutzer von Mobiltelefonen schädigen könnte. In den USA gibt es 140 Millionen Mobilfunknutzer.

Wie RCR Wireless News letzte Woche erfuhr, wurde der Veröffentlichung eines dritten Hardell-Papiers im Wissenschaftsjournal „Neuroepidemiology“ zugestimmt. Diese Studie geht detaillierter auf vorangegangene Forschung ein, die die Nutzung von Mobiltelefonen und ein höheres Risiko, an einem Akustikusneurinom (einem gutartigen Ohrtumor) zu erkranken, in einen Zusammenhang brachte.

Seit Beginn der Kontroverse um Gehirntumore Anfang der 90er Jahre in Zusammenhang mit einem Fall in Florida schaffte es bisher keine der wenigen Klagen gegen die Industrie wegen des Verdachtes auf Krebsverursachung, bis vor Hauptverhandlung zu gelangen. Die Wall Street, die der Mobilfunkindustrie angesichts der abnehmenden Zahl neuer Nutzer von Mobiltelefonen stark fallende Kurse bescherte, beobachtet den Fall mit
Argusaugen.

Es gibt noch 10 weitere schwebende Gehirntumor-Klagen gegen die Mobilfunkindustrie vor Blakes Gericht, und Dutzende weitere sind in Vorbereitung.
Joanne Suder, die Anwältin aus Baltimore, die die ursprüngliche Klage im Newman-Fall
einreichte und mittlerweile Mandanten in sechs anderen Tumorfällen vor Richterin Blake
vertritt, sagte, dass die Krebsopfer es verdienten, dass ihr Fall gehört wird, solange
sie noch am Leben sind.

„Es wäre tragisch und ungerecht, wenn diese Menschen ihre Fälle nicht vor Gericht bringen könnten. Es gibt buchstäblich Scharen von Menschen, die darauf warten, Klage einzureichen, und auch sie wollen vor Gericht gehen“, fügte Suder hinzu.

Wichtiger Link hierzu: (Englisch) http://www.emrnetwork.org/press/hardell_16sept_02.pdf

Von Hans-U. Jakob

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