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Interview mit Frau Dr. med. Cornelia Waldmann-Selsam

Interview mit Frau Dr. med. Cornelia Waldmann Selsam

Dr.med. Cornelia Waldmann-Selsam engagiert sich gegen den Ausbau des Mobillfunknetzes (näheres unter www.aerzte-warnen-vor-mobilfunk.de).

Das Interview stammt aus dem Evangelischen Sonntagsblatt Bayern vom 27.7.05

Dr. med. Cornelia Waldmann-Selsam ist Praktische Ärztin in Bamberg und Mitinitiatorin des Bamberger Appells, in dem vor einem Jahr 130 Ärzte einen Ausbaustop der Mobilfunktechnologie forderten. Mit ihr sprach Werner Thiede.

Sonntagsblatt:
Seit Monaten führen Ärzte in Oberfranken Messungen der Funkwellen bei Patienten zu Hause durch. Wie kam es dazu?

Waldmann-Selsam:
Nach der Veröffentlichung des Bamberger Appells erhielten wir viele Berichte und Anfragen von Ärzten und Anwohnern von Mobilfunkanlagen aus ganz Oberfranken. Die Ärzte waren beunruhigt, weil ihnen eine Häufung von unklaren, neuartigen Krankheitsbildern im Umfeld von Sendeanlagen auffiel. Um diese Häufung zu ergründen, schafften sich mehrere Ärzte nach Beratung bei Ingenieuren Messgeräte zur Erfassung der Hochfrequenzbelastung an.

Sonntagsblatt:
Bei wie vielen Menschen wurde bisher gemessen?

Waldmann-Selsam:
Wir haben bis jetzt an 50 Standorten Befragungen und Messungen bei über 500 Personen durchgeführt. Und wir stellten fest, dass es bei vielen Menschen weit unterhalb des Grenzwertes zu einem neuen Krankheitsbild mit einer „Typischen Symptomen-Mischung“ gekommen ist. Diese Symptomen-Kombination war für uns Ärzte neu; und so waren wir zunächst ratlos. Bei den Messungen merkten wir, dass in vielen Haushalten zu der Belastung vom Mobilfunksender draussen noch die Belastung vom häuslichen Mobilfunksender, der Basisstation eines DECT-Telefones, hinzukam.

Sonntagsblatt:
Wie stellen sich die häufigsten Symtome dar?

Waldmann-Selsam:
Viele Menschen leiden an mehreren Symptomen: Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen, Unruhe, Benommenheit und Reizbarkeit. Dazu kommen oft Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungen, aber auch depressive Stimmung, Ohrgeräusche, Hörverlust, Hörsturz, Schwindel, Nasenbluten und Sehstörungen. Infekte häufen sich, Nebenhöhlenentzündungen treten auf, Gelenk- und Gliederschmerzen, Nerven- und Weichteilschmerzen, Taubheitsgefühl, Brennen der Haut, ferner Herzrhythmusstörungen, anfallsweise Blutdruckerhöhung, Hormonstörungen, Gewichtszunahme, Haarausfall, nächtliches Schwitzen und Übelkeit.

Sonntagsblatt:
All diese Symptome können doch viele Ursachen haben!

Waldmann-Selsam:
Natürlich! Wenn ein Patient zum Beispiel mit Rhythmusstörungen, unerträglichen Kopfschmerzen, Schwindel, Vergesslichkeit in jungen Jahren oder rheumatischen Beschwerden zu uns kommt, versuchen wir die Ursache durch verschiedenste Untersuchungen und durch Hinzuziehung von Fachärzten zu finden. Aber in den letzten Jahren konnten wir immer häufiger keine richtige Diagnose stellen. Und doch haben unsere Patienten – häufig mehrere Familienmitglieder – stark gelitten! Da wir sie aus gesunden Tagen kannten, wurden wir stutzig. Zudem beobachteten wir an etlichen Standorten, dass in einer Strasse viele Anwohner im gleichen Zeitraum mit diesen Symptomen erkrankten. Einzelne Betroffene sind vorübergehend, manche dauerhaft weggezogen. Diese Menschen haben die meisten Symptome prompt verloren. Nach einer eventuellen Rückkehr sind die Beschwerden wieder aufgetreten.

Sonntagsblatt:
Das klingt eigentlich unglaublich. Was finden denn die offiziellen Studien an den Standorten?

Waldmann-Selsam:
Die zuständigen Behörden – das Bundesamt für Strahlenschutz, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Strahlenschutzkommission, die Weltgesundheitsorganisation – weigern sich, Gesundheitserhebungen im Umfeld von Mobilfunksendern durchzuführen. Obwohl sich seit zehn Jahren Betroffene und Ärzte verzweifelt an diese Behörden gewendet haben, wurden von offizieller Seite an keinem einzigen Standort in Deutschland und auch nicht in anderen Ländern Untersuchungen an und mit Langzeit-Anwohnern durchgeführt. Aus ärztlicher Sicht ist das völlig inakzeptabel. Denn wir Ärztinnen und Ärzte vor Ort sind die Experten für Gesundheit – und nicht etwa Physiker, Ingenieure und Techniker.

Sonntagsblatt:
Wie werden die oberfränkischen Ärzte weiter vorgehen?

Waldmann-Selsam:
Mittlerweile melden sich bei uns Ärzte aus ganz Deutschland. Wir verschicken die Tagungsmappe zum Mobilfunk-Symposium und die Broschüre mit Fallbeschreibungen in grosser Zahl. Die Messungen werden fortgesetzt, weil es viele Anfragen gibt. Wir versuchen über die Ärztekammern zu erreichen, dass unverzüglich Erhebungen durchgeführt werden. Der Ausbau muss sofort gestoppt werden, da wir sonst Neuerkrankungen von Mitmenschen in Kauf nehmen. Die Grenzwerte müssen drastisch gesenkt werden. Zum Überprüfen ärztlichen Verdachts muss auch das Abschalten einzelner Sender möglich werden. Aus meiner Sicht liegt bereits eine Notfallsituation vor, die rasches Handeln aller politischen Kräfte erfordert. Auch für kirchliche Unterstützung sind wir dankbar

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Von Hans-U. Jakob

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