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Die radioaktive Deponie und der Kurzwellensender

Was hat die ehemalige Deponie der Stadt Biel mit dem ehemaligen Kurzwellensender Schwarzenburg von Schweizer Radio International zu  tun?

Eine Kolumne von Hans-U. Jakob, Schwarzenburg
vom 3.6.2014


Beides strahlte.
Die Deponie mit ionisierender Strahlung das heisst mit Radioaktivität. Der Kurzwellensender mit nicht-ionisierender Strahlung das heisst, mit hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (HF-EMF)
Nicht-ionisierende Strahlung verschwindet sofort, sobald die Quelle ausgeschaltet wird. Ionisierende Strahlung ist nicht abschaltbar und besitzt eine sogenannte Halbwertszeit. Das ist die Zeit die benötigt wird, damit die Quelle nur noch halb so stark strahlt wie am Anfang. Beim Radium 226, welches in der Bieler Deponie illegal entsorgt wurde, gibt es eine Halbwertszeit von 1600Jahren. Das heisst, die strahlende Deponie in Biel steht erst am Anfang ihres tausenden von Jahren dauernden Lebens. Der Kurzwellensender dagegen strahlt nicht mehr. Dieser wurde 1998 aus gesundheitlichen Gründen endgültig abgeschaltet und abgebrochen.

Was hat das nun wieder miteinander zu tun? Machen wir dazu eine Rückblende.

Abbruch KWS<<<Bild links: Der Kurzwellensender strahlt seit 1998 nicht meher. Die Bieler Deponie dagegeh, noch weitere 10’000 Jahre

1994 wurde bekannt, dass der Kurzwellensender wahrscheinlich Krebs verursache. In die wissenschaftliche Untersuchung wurde nur die lebende Bevölkerung einbezogen. Die Anzahl an Krebstoten wurde zum vorneherein ausgeklammert, denn das war offensichtlich viel zu gefährlich und hätte möglicherweise die Befürchtungen der Bevölkerung bestätigt. Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und Einsicht in die Sterberegister der Gemeinde Schwarzenburg nehmen, um festzustellen, ob und um viel eventuell die Lebenserwartung der Schwarzenburger Bevölkerung verkürzt sei. Weil mir diese Einsichtnahme verwehrt wurde, war mein Misstrauen gegenüber den Behörden geweckt und ich musste nach Alternativlösungen suchen.

Nun, In Wahlern liegt der grosse Friedhof der Gemeinde Schwarzenburg und auf jedem Grabstein steht, wie in einem weit offenen Buch, die Lebensdauer des Verstorbenen. So verbrachte ich manchen schönen Frühlings- und Sommerabend bis zum Einnachten mit Notizblock und Bleistift bewaffnet auf diesem wunderschön, erhöht gelegenen Friedhof. Manchmal im Zwiegespräch mit den Verstorbenen: „He Godi, Du hast es auch nicht lange ausgehalten hienieden, was ist da passiert mit Dir?“ Manch interessantes Gespräch ergab sich auch mit andern Besuchern, welche abends die Gräber ihrer Angehörigen pflegten. Einige mögen sich schon gefragt haben, ob der Jakob jetzt noch vollends durchgeknallt sei. Krebsforschung auf dem Friedhof zu betreiben.
Item das Ergebnis meiner Recherche war klar. Die Gesamtbevölkerung der Gemeinde wies eine um 3 Jahre kürzere Lebenserwartung auf, als die übrige Bevölkerung der Schweiz. Dabei handelte es sich um eine Mischrechnung von Toten aus den vom Kurzwellensender unbestrahlten, wie aus den von diesem bestrahlten Zonen. Zudem hätte in dieser gesunden, ländlichen Umgebung die Lebenserwartung höher sein müssen als in der übrigen Schweiz.

1996 gelangte ich dann in den Besitz des Krebsatlas Schweiz, einer riesigen 4-bändigen Forschungsarbeit von G. Schüler und M. Bopp. Aus unzähligen Tabellen und Grafiken über die verschiedensten Krebsarten konnte ich entnehmen, dass Schwarzenburg zusammengefasst in einer Zone mit der zweithöchsten Sterberate an Krebs lag. Nur noch die Stadt Biel lag höher, nämlich in der höchsten von insgesamt 6 Stufen.
„Was ist da los in Biel“, war meine Frage? Anhand meiner bisherigen Recherchen hätte doch die Schwarzenburger Krebsrate höher liegen müssen als diejenige von Biel. Biel galt ja als eine überaus gesunde, grüne Stadt, ohne rauchende Fabrikschlote und damals noch ohne jegliche Sendeanlage.
Meine hartnäckigen Recherchen ergaben, dass gewisse Leute in hohen Positionen hinter vorgehaltener Hand von einem strahlenden Stadtmist, sprich einer strahlenden Deponie in Biel zu berichten wussten, auf welcher illegal radioaktives Material entsorgt worden sei und dass nur damit die hohe Rate an Krebstoten in Biel erklärbar sei. Wir vom Verein SchoK (Schwarzenburg ohne Kurzwellensender) hatten jedoch damals ganz andere Prioritäten, als den Stadtmist von Biel zu untersuchen und die Story vom illegal entsorgten, radioaktiven Material entschwand relativ rasch wieder aus unseren Köpfen.

2014 Am 1. Juni berichtete die Sonntagszeitung von einer radioaktiven Verseuchung auf einer Baustelle in Biel, die über einer inzwischen zugeschütteten Deponie errichtet worden sei.
Und aus der Berner-Zeitung vom 2. Juni war zu entnehmen, dass man bereits vor 18 Monaten darauf aufmerksam geworden sei, als ein Lastwagen mit Aushubmaterial von dort auf eine andere Deponie fahren wollte und am Ziel vor dem Entladen auf Radioaktivität untersucht worden und prompt in der Kontrolle hängen geblieben sei.
Darauf hin seien die Arbeiter auf der Bieler Baustelle mit Dosimetern für Radioaktivität ausgerüstet worden, welche eine zu hohe, aber nicht lebensbedrohende Dosis festgestellt hätten. Die Grenzwerte für die Allgemeinbevölkerung seien zwar massiv, aber nicht lebensbedrohend überschritten gewesen.

An der gestrigen Pressekonfernz wurde darüber gestritten, weshalb die umliegende Bevölkerung 18 Monate lang nicht informiert worden sei.
Zuerst einmal wurden die Verantwortlichkeiten wie im Schwarzpeterspiel hin und her geschoben. Die Kantonsvertreter waren der Meinung die Gemeinde hätte informieren müssen und die Gemeindevertreterin  erklärte, vom Bundesamt für Gesundheit sei ihnen empfohlen worden, nicht zu informieren, um die Leute nicht unnötig zu erschrecken.
Die radioaktive Belastung sei ja nicht lebensbedrohlich gewesen.
Was heisst da nicht lebensbedrohlich? Da sind in Biel die Krebsraten seit Jahrzehnten die höchsten in der Schweiz und das ist offenbar in den Augen des Bundesamtes für Gesundheit nicht lebensbedrohend, weil laut Krebsatlas Schweiz lediglich lebensverkürzend.

Da haben wir wiederum die Parallele zur elektromagnetischen Verstrahlung durch Sendeanlagen und Hochspannungsleitungen, das heisst zur nicht-ionisierenden Strahlung. Das Bundesamt für Gesundheit ist offensichtlich auch hier der Meinung diese Strahlung sei ja nicht lebensbedrohend. Und die Lebensverkürzung ist abstreitbar. Sterben muss ja jede/r einmal. Weshalb soll man dann da die Bevölkerung noch unnötig erschrecken?

In Biel konnten die Kantons- und Bundesämter zur ionisierenden Strahlung 18 Jahre und nicht nur 18 Monate schweigen. Wie lange können sie noch zur nicht-ionisierenden Strahlung schweigen?
Vielleicht werden sie den verstrahlten Bauarbeitern auch erklären, ihre zu erwartenden Krebsleiden würden nur durch blosse Einbildung entstehen.

Übrigens hat jetzt das Bundesamt für Gesundheit versprochen, nächstens Messungen durchzuführen. Nach 18 Jahren! Hoffentlich mit dem richtigen Gerät am richtigen Ort.

Von Hans-U. Jakob

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