News

Bundesgericht legt den Mobilfunkbetreibern ein gewaltiges Osterei

Das Bundesgericht legt den Mobilfunkbetreibern ein gewaltiges Osterei.

Die Anzahl der zur Einsprache legitimierter Bürger/Innen wird praktisch verdoppelt.

Hans-U.Jakob, 16.3.02

Beträgt die berechnete Immission gleich oder mehr als ein Zehntel der Anlagewerte, sind die Betroffenen einspracheberechtigt, weil sie mehr betroffen sind als die übrige Menschheit.
Das war die bisherige Bundesgerichtspraxis. Es galt:

Für 900MHz-Anlagen:
Immissionsgrenzwert = 40Volt pro Meter
Anlage- oder Vorsorgewert =4V/m
Einspracheberechtigung ab 0.4V/m und höher

Für 1800MHz-Anlagen:
Immissionsgrenzwert = 60Volt pro Meter
Anlage- oder Vorsorgewert =6V/m
Einspracheberechtigung ab 0.6V/m und höher

Für gemischte Anlagen:
Immissionsgrenzwert = 50Volt pro Meter
Anlage- oder Vorsorgewert =5V/m
Einspracheberechtigung ab 0.5V/m und höher

Beispiel für eine ERP-710Watt Sendeantenne im 1800MHz-Bereich mit 3 gleichmässig verteilten Senderichtungen und in der Ebene gelegen:

Liegt der Wohnort des Einsprechers, von oben gesehen, exakt in einer Senderichtung, beträgt die Distanz bis zum Abklingen der E-Feldstärke auf 0.6Volt pro Meter = 311Meter

Liegt der Wohnort des Einsprechers, von oben gesehen, 60Grad neben der Senderichtung, beträgt die Distanz bis zum Abklingen der E-Feldstärke auf 0.6Volt pro Meter nur noch 95Meter

Komplizierter wird die Rechnung noch, wenn zusätzlich die vertikale Dämpfung aus der Senderichtung und die Gebäudedämpfung berücksichtigt werden muss.

Mit dieser Berechnung waren aber Gemeinde- und Kantonsbehörden und ebenso die Journalisten, heillos überfordert.
Immer und immer wieder wurde versucht, mit dem Zirkel einen Kreis auf der Karte zu ziehen.
Oft mit recht abenteurlichen Begründungen, die irgendwo in einem Mobilfunkerprospekt abgeschrieben wurden.

Um diesem starken Drang nach dem Griff zum Zirkel Rechnung zu tragen, hat die Bernische Baudirektion nun eine neue Formel erfunden, mit deren Hilfe vielleicht Behörden und Journalisten jetzt zurecht kommen.

In dieser Formel wird davon ausgegangen, dass alle Einsprecher exakt in einer von 3 Senderichtungen wohnen könnten, und keine Gebäudedämpfung haben.
So kann jetzt tatsächlich auf der Karte mit dem Zirkel ein Kreis gezogen werden.
Aber dadurch wird die Anzahl der möglichen Einsprecher praktisch verdoppelt.
Schiessen sich jetzt unsere ansonsten so mobilfunkfreundlichen Behörden und Gerichte tatsächlich ein Eigentor?

JA! Mit Urteil vom 25. Februar 2002 hat das Bundesgericht die bernische Praxis mit dieser neuen Berechnungsart bestätigt und zu Bundesrecht erhoben.

Ab sofort ist zur Einsprache legitimiert wer:

Bei einem 710Watt-Sender näher als 311m wohnt

Bei einem 2200Watt-Sender näher als 547m wohnt

Bei einem 3500Watt-Sender näher als 690m wohnt

(Andere Sendeleistungen auf Anfrage bei Gigaherz)

Weder horizontale noch vertikale Dämpfung aus der Senderichtung noch die Gebäudedämpfung aus Backsteinmauern und Betondecken spielen dabei eine Rolle.

Achtung: Bei Belegung desselben Standortes durch mehrere Betreiber kann der Kreis der Einspracheberechtigten mehr als 1km Radius betragen.

Ob das Bundesgericht aus Mangel an mathematischen, physikalischen und elektrischen Kenntnissen, oder aus reiner Menschenfreundlichkeit zu Gunsten dieser neuen Berechnungsart entschieden hat, bleibe dahingestellt.

Wichtig ist, dass daraus praktisch die doppelte Anzahl an möglichen Einsprechern resultiert.
Und Entschädigungsforderungen in Aussicht stellen kann nur, wer auch zur Einsprache befugt ist.

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet