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Bitte jetzt überall Spülung betätigen!

Hans-U. Jakob, 11.7.07

Mit Urteil VB 2006.00448 hat das Zürcher Verwaltungsgericht erstmals eine Baubewilligung für eine Mobilfunk-Sendeanlage verweigert, weil die vom Bundesgericht geforderten Vorkehrungen zur Einhaltung der im Baugesuch deklarierten Sendeleistungen und Sendewinkel mittels des fragwürdigen Qualitätssicherungssystems nicht garantiert werden konnten.

Um was es geht:

Ein Bundesgerichtsurteil wird unterlaufen

Zitat Bundesgericht (aus Urteil 1A.160/2004 vom 10.3.2005)

Die Sendeleistung der Mobilfunkstationen kann vom Netzbetreiber mittels Fernsteuerung reguliert werden, allerdings nur bis zur Maximalleistung der verwendeten Senderendstufen (vgl. BGE 128 II 378 E. 4.2 S. 380). Ist die im Standortdatenblatt deklarierte ERP niedriger als die maximale Strahlungsleistung der Anlage, so besteht keine Gewähr dafür, dass die Grenzwerte im Betrieb tatsächlich eingehalten werden, da die Strahlungsleistung jederzeit mittels Fernsteuerung erhöht werden könnte. Die Anwohner von Mobilfunkanlagen haben jedoch ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Einhaltung der NIS-Grenzwerte durch objektive und überprüfbare bauliche Vorkehrungen gewährleistet wird.  Ende Zitat.

Praktisch sämtliche Mobilfunk-Sendeanlagen der Schweiz können (ferngesteuert) rund das 10-fache der in den Baugesuchsunterlagen deklarierten Strahlungsleistung abgeben.

Die vertikalen Abstrahlwinkel können in den meisten Fällen (ferngesteuert) ebenfalls wesentlich weiter nach unten geschwenkt werden, als in den Baugesuchen angegeben..

Beide Fernsteuermöglichkeiten führen unweigerlich zu massiven Grenzwertüberschreitungen. Die Anwohner haben jedoch gemäss Bundesgericht ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Einhaltung der NIS-Grenzwerte durch objektive und überprüfbare bauliche Vorkehrungen gewährleistet wird.

Mit Rundschreiben vom 16.1.06 versucht das BAFU (Bundesamt für Umwelt) im Verein mit den Mobilfunkbetreibern und den kantonalen NIS-Fachstellen (im Kanton Basel LHA genannt) die vom Bundesgericht verlangten baulichen Vorkehrungen mittels einer Softwarelösung, eingebaut in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber, zu unterlaufen

Zitat aus diesem Rundschreiben: Das QS-System muss über eine automatisierte Überprüfungsroutine verfügen, welche einmal pro Arbeitstag die effektiv eingestellten ERP und Senderichtungen sämtlicher Antennen des betreffenden Netzes mit den bewilligten Werten bzw. Winkelbereichen vergleicht.

Festgestellte Überschreitungen eines bewilligten Wertes werden innerhalb von 24 Stunden behoben, sofern dies durch Fernsteuerung möglich ist, andernfalls innerhalb einer Arbeitswoche.

Stellt das QS-System solche Überschreitungen fest, wird automatisch ein Fehlerprotokoll erzeugt. Die Fehlerprotokolle werden der Vollzugsbehörde alle zwei Monate unaufgefordert zugestellt und mindestens 12 Monate aufbewahrt.

Strafbestimmungen: Keine.  Ende Zitat

Liederliche und fahrlässige Selbstkontrolle ohne externe Stichproben

Diese von kritischen Fachleuten stets als liederlich bis untauglich bezeichnete Selbstkontrolle durch die Mobilfunkbetreiber war bereits Thema in mehreren Bundesgerichtsurteilen.

Im Urteil von Zermatt vom 10.Januar 2007 Nr. 1A.129/2006 spricht das höchste Gericht nun davon, dass die Vollzugsbehörden (Kantone und Gemeinden) sich auf Stichproben zu konzentrieren haben.

Mit diesen Stichproben solle bewiesen werden, dass das QS-System ein taugliches Instrument zwecks Ueberprüfung der Einhaltung der deklarierten Sendeleistungen und Einstellwinkel sei.

Solche unangemeldeten Stichproben lassen sich logischerweise ausschliesslich nur mittels Datenleitungen zu den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber und mit der erforderlichen Soft- und Hardware bei den Umweltschutzämtern und dies erst nur mit speziell ausgebildetem Personal vornehmen.

Wie wir aus sicherer Quelle wissen, verfügt bis dato kein einziger Kanton die zu diesen Stichproben notwendigen Datenleitungen, sowie die erforderliche Hard- und Software sowie das erforderliche Personal.

Solange in den kantonalen Umweltschutzämtern keine Möglichkeit besteht, solche Kontrollen, ohne Wissen der Mobilfunkbetreiber, von Ferne vorzunehmen, ist unseres Erachtens die Baubewilligung zu verweigern.

Es wird nicht mehr länger hingenommen, dass Behörden und Gerichte der Bevölkerung dauernd etwas von effizienten Stichprobenkontrollen vorflunkern, ohne die Durchführbarkeit und Existenz solcher Kontrollen bewiesen zu haben.

Unter kritischen Fachleuten wird bereits gemunkelt, das QS-System sei lediglich ein Phantom, da dieses bisher noch nie jemand gesehen hat.

Keine Ueberprüfung durch Amtsstellen

Ob und wie die QS-Systeme bei den Mobilfunkbetreibern in Betrieb gegangen sind, wurde nicht etwa von Amtsstellen überprüft, sondern lediglich von sogenannten privaten Qualitätsmanagement-Firmen. Ob diese über Mobilfunk genügende Kenntnisse haben, darf bezweifelt werden.

Der lächerlich kleine Zeitaufwand, welchen diese sogenannten Qualitätsmanagement-Firmen betrieben haben, lässt ebenfalls wenig Gutes erahnen.

Ein Beispiel aus dem Prüfbericht von Orange:

am 02. November 06: Sogenannter Dokumentenaudit (Studium der Dokumente)

am 14. November 06: Sogenannter Systemaudit (Studium der Funktionsweise der Systeme)

am 13. Dezember 06: QA-Demo-Audit.

War Mister Gold Gold wert?

Allein am 13. Dezember 06 will ein gewisser Mister Rick Gold, dipl. KMU HSG / Lead Auditor EFQM, alle 96’000 Datenpunkte (Eingestellte Leistung und vertikale Richtung pro Antenneneingang) bei Orange auf ihr Funktionieren hin überprüft haben. Eine Arbeit von 8000 Stunden an einem Tag. Mister Gold ist wahrlich Gold wert.

Auf solche und ähnliche Kritiken hat nun das Zürcher Verwaltungsgericht endlich reagiert und Rick Golds Tätigkei näher unter die Lupe genommen. Nachfolgend ein Zitat aus dem Urteil VB 2006.00448

Unklar ist sodann auch der Stellenwert der Auditierung, welche die private Beschwerdegegnerin (Orange) für ihr Qualitätssicherungssystem durchführen liess. Die Auditierung erfolgte durch ein „Institut für Unternehmensmanagement“, das über keine Akkreditierung der Schweizerischen Akkreditierungsstelle verfügt (vgl. die Datenbank der akkreditierten Stellen bei der SAS, www.seco.admin.ch/sas). Die private Beschwerdegegnerin (Orange) erhielt daher mit Präsidialverfügung vom 7. März 2007 Gelegenheit, zu erklären, welche Garantien die von ihr vorgelegte externe Auditierung biete. In ihrer Stellungnahme vom 28. März 2007 erklärte sie lediglich, dass die Auditierung durch eine unabhängige externe Stelle erfolgt sei. Sie verwies dabei auf das Titelblatt des Auditierungsberichts vom 14. Dezember 2006, welches die Garantien belege, die die externe Auditierung bringe.

Aus dem eingereichten Titelblatt des Auditierungsberichts ist jedoch über die Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Instituts wenig zu erfahren. Unterzeichnet ist der Bericht durch Rick Gold, der sich an dieser Stelle „Lead Auditor EFQM“ nennt. Ein Hinweis auf seine Qualifikation ergibt sich aus dem verwendeten Titel „Dipl. KMU HSG“. Gemäss den veröffentlichten Informationen der Universität St. Gallen bietet diese Hochschule zwei Diplomprogramme KMU HSG mit Kursdauern von 60 bzw. 32 Tagen (verteilt über einen längeren Zeitraum) an, wobei sich aus den Kursplänen kein Hinweis darauf ergibt, dass Qualitätsmanagement zum Ausbildungsstoff gehört (vgl. die Beschreibung der Diplomprogramme unter www.kmu.unisg.ch).

Aus öffentlich zugänglichen Quellen ist ersichtlich, dass es sich bei dem mit der Auditierung beauftragten Institut um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Institut für Unternehmensmanagement GmbH) mit Sitz in Bachenbülach handelt, deren Zweck mit „Betrieb eines Institutes zur Förderung von Unternehmens-, Umwelt-, Sicherheits- und Qualitätsmanagement mittels Personalschulungen, Management- Promoting und Unternehmensberatung, Entwicklung, Organisation, Durchführung und Unterhalt von gesamtheitlichen Ausbildungsprogrammen, Bereinigung von Schnittstellen zwischen Unternehmen und ihrer ökonomischen, sozialen sowie ökologischen Umwelt praxisbezogenen, vernetzten Lösungen“ umschrieben wird (Handelsregister-Publikation SHAB 126/2000 vom 30. Juni 2000, S. 4425; Wechsel des Domizils von Wallisellen nach Bachenbülach gemäss SHAB 063/2006 vom 30. März 2006, S. 18). Vom Stammkapital von Fr. 20’000.- befinden sich gemäss den zitierten Handelsregister-Publikationen Fr. 19’000.- im Besitz des allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführers Richard bzw. Rick Gold und Fr. 1’000.- im Besitz seiner Ehefrau Marenka Gold-Strässle. Die GmbH entstand offenbar in Fortführung des von Rick Gold 1995 als Einzelfirma gegründeten Instituts für Umwelt- und Qualitätsmanagement in Baden (Handelsregister-Publikation SHAB 163/1995 vom 24. August 1995, S. 4747; Wechsel des Wohnorts des Inhabers gemäss SHAB 128/1996 vom 4. Juli 1996, S. 3998), welches von der GmbH nach deren Gründung übernommen wurde (Sachübernahme gemäss SHAB 126/2000 vom 30. Juni 2000, S. 4425). Auf der Internetadresse der GmbH wird lediglich vermerkt, dass an dieser Stelle in Kürze die Homepage des Instituts entstehen werde (www.unternehmensmanagement.ch).

Diese Angaben vermögen nicht zu belegen, dass es sich bei dem mit der Auditierung beauftragten Institut um eine für diese Tätigkeit ausreichend qualifizierte und leistungsfähige Organisation handelt. Weder die Ausbildung (soweit bekannt) des als „Lead Auditor EFQM“ auftretenden Geschäftsführers und Hauptinhabers der GmbH noch das Wenige, das über die bisherige Tätigkeit des Instituts bekannt ist, vermögen in dieser Hinsicht zu überzeugen. Nicht bekannt ist auch, ob das Institut über weitere Mitarbeiter verfügt, ob solche für die Auditierung beigezogen wurden und über welche Qualifikationen diese allenfalls verfügen. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass Organisationen, die sich auf Auditierungen und Zertifizierungen im Bereich des Qualitätsmanagements spezialisiert haben, in der Regel eine Akkreditierung durch die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS) besitzen. Eine Unternehmung, die nicht akkreditiert ist, ist kaum regelmässig auf diesem Gebiet tätig, und es bestehen schon deshalb Zweifel, ob sie über die nötige Erfahrung für einen Auftrag von dieser Bedeutung verfügt.

Die private Beschwerdegegnerin hat auch die ihr mit der Präsidialverfügung vom 7. März 2007 gebotene Möglichkeit, die Qualität der Auditierung ergänzend zu belegen, nicht genutzt; ihre faktische Weigerung, zu diesem Punkt weitergehende Informationen zu liefern, trug nichts zur Klärung bei.

Nach dem Gesagten ist schon das Vorgehen der privaten Beschwerdegegnerin beim Aufbau des Qualitätssicherungssystems problematisch. Zumindest bezüglich der erwünschten Transparenz der Prozesse erscheint dieses als ungenügend (E. 6.4.1). Umso notwendiger wäre bei dieser Ausgangslage, dass die Auditierung des Systems durch eine Organisation erfolgte, deren fachliche Kapazität und Unabhängigkeit über alle Zweifel erhaben ist. Das trifft jedoch nach den vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht zu (E. 6.4.2).

Ende Zitat aus dem Urteil VB 2006.00448

Aber auch den andern Mobilfunkbetreibern winkt das Verwaltungsgericht mit dem Zaunpfahl.

Zitat: Im Übrigen ist nicht bekannt, welche Gründe das BAFU dazu bewogen haben, eine Akkreditierung der auditierenden Stelle nicht zwingend zu verlangen. Denkbar ist, dass es damit der Anwendung neuerer, spezialisierter Normen wie der von der Swisscom Mobile AG verwendeten Norm ISO 15504-2:2003, für die in der Schweiz offenbar noch keine akkreditierte Zertifizierungsstelle besteht, nicht im Weg stehen wollte.

Diese Sätze enthalten gewaltigen Zündstoff.   Besagen sie doch, dass auch die andern Mobilfunkbetreiber Normen verwenden, die es offiziell noch gar nicht gibt und dass das BAFU (Bundesamt für Umwelt) hier einmal mehr ganz eindeutig Partei ergriffen hat.  

Liebe Mobilfunkkritiker, Einsprecher und Beschwerdeführer: Bitte jetzt überall im Land die Spülung betätigen!   Es könnte mit Eurer Hilfe zu einem neuen landesweiten Baustopp für Mobilfunkantennen kommen.

Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juni 2007 kann durch diesen Link unter „Aktuelles“, angesehen und kopiert werden: www.vgrzh.ch

Oder mit  Einsendung eines adressierten, frankierten Rückantwortkuverts, Grösse C4 bei der Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch, per Adr. Hans-U. Jakob, Flüehli 17 3150 Schwarzenburg, als Kopie angefordert werden.

Und ein elektronischer Versand erfolgt kostenlos bei Bestellung unter prevotec@bluewin.ch

Unentbehrliche Links können Sie gleich hier anklicken:

Akualisierter Mustereinsprachetext vom März 2007

und

Phantastisches Qualitätssicherungssystem

 

Von Hans-U. Jakob

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