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Aus den Kantonen

Im Kanton Thurgau sollen jetzt die Gemeindebehörden den Mobilfunkanbieten bei der Suche nach Antennenstandorten helfen und dazu einen Kollaborationsvertrag unterschreiben




Wappen_Thurgau.jpgEine Mitteilung vom Verein Strahlungsfreies Kreuzlingen


http://www.strahlungsfrei.ch

publiziert bei gigaherz.ch am 3.3.2012

„Vereinbarung über die Standortevaluation und – koordination zwischen dem Verband der Thurgauer Gemeinden (VTG) und den Mobilfunkbetreibern Swisscom, Sunrise und Orange“. So lautet der Titel eines Vertrages zwischen dem VTG und den drei Mobilfunkanbietern. Die SBB als vierte grosse Mobilfunkbetreiberin ist nicht mit dabei.

Die Mobilfunkbetreiber versuchen seit ein paar Wochen nach und nach möglichst viele der 80 Gemeinden im Thurgau zur Unterzeichnung des Vertrages zu bewegen. Der VTG spielt dabei williger Handlanger. Die langjährigen „Widerstandsnester“ werden dabei offensichtlich mit Priorität bearbeitet. Es fällt zudem auf, dass insbesondere entlang in Planung befindlicher Hochleistungsstrassen schon mal vorsorglich sondiert wird. Solche Strassen bringen demnach nicht bloss mehr Verkehr, sondern auch mehr Antennen und Strahlenbelastung für die Anwohner.

Die gründliche Analyse ergibt, dass diese Vereinbarung sehr einseitig, völlig unverbindlich, jederzeit ohne Konsequenz kündbar und damit überflüssig ist. Die meisten Gemeinden sind mit der komplexen Materie verständlicherweise überfordert, was von den Mobilfunkbetreibern ausgenützt wird. Die Vereinbarung könnte sich für Gemeinden als Bumerang entpuppen, denn sie erfüllt für die Mobilfunkbetreiber lediglich die vier folgenden Funktionen:

1)

Sie ist ein effizientes Instrument, um Gemeinden von der Erstellung griffiger Antennenreglemente abzuhalten. Bereits haben nämlich erste Gemeinden in ihren Baureglementen festgelegt, dass Antennen nur noch in Industriezonen gebaut werden dürfen. Das ist den Mobilfunkbetreibern ein Dorn im Auge.

2)

Die Gemeindebehörden sollen sich den Mobilfunkbetreibern in kollaborativer Weise verpflichten, gegen die eigene Wohnbevölkerung vorzugehen und Baugesuche für Antennen beschleunigt zu behandeln.

3)

Da wegen dem gerichtlich belegten Haftungsrisiko kaum mehr Antennenstandorte von privaten Immobilieneigentümern zu bekommen sind, versucht man diese nun von den Gemeinden zu erhalten. Die Vereinbarung ist ein idealer Einstieg für entsprechende Verhandlungen.

4)

Die Vereinbarung mit den potenziell 80 Gemeinden im Thurgau soll zu vielen Zeitungsartikeln führen, in denen man sich in Szene setzen kann. Sie ist somit auch ein Propagandainstrument.

Diese vier Punkte sind einfach zu durchschauen und sollten deshalb Anlass zu kritischer Hinterfragung der Vereinbarung geben.

Empfehlungen an die thurgauer Gemeindebehörden

1)

Offen gegenüber den Interessen der eigenen Wohnbevölkerung sein. Die Vereinbarung nicht unterzeichnen, denn sie wird früher oder später durchschaut werden. Statt dessen ein griffiges Antennenreglement als Teil des Baureglements ausarbeiten.

2)

Falls die Vereinbarung schon unterzeichnet ist, sollte sie kritisch überdacht werden. Jedenfalls hindert sie nicht daran, ein nützliches Antennenreglement auszuarbeiten.

3)

Die Verantwortlichen sollten sich unabhängig fachlich beraten lassen und die eigene Bevölkerung frühzeitig mit einbeziehen.

4)

Kollaboratives Einvernehmen mit den Mobilfunkbetreibern vermeiden und sich nicht für Propagandaaktionen einspannen lassen.

Anmerkung Gigaherz:

Ein ähnliches Vorgehen ist seit Längerem in den Kantonen Zürich, Lüzern und Aargau zu beobachten.

Zürich kennt seit September 2008 das Plebeyer- und Hintersassenmodell wie unter /die-antennen-zu-den-hintersassen-und-plebeyern/ beschrieben

Eine sogenannte „kooperative Standortevaluation“ kennt man seit Nov 2008 im Kanton Luzern. Beschreibung unter /die-kooperative-standortevaluation/

Der Kanton Aargau vermittelt den kooperierenden Gemeinden die langfristigen Ausbauwünsche der Mobilfunkanbieter. Aargauische Gemeinden können demnach wissen, in welchen Wohnquartieren an welchen Häuserzeilen Mobilfunkantennen vorgesehen sind. Die Gemeinden dürfen jedoch die Bevölkerung nicht darüber orientieren. Sie dürfen lediglich kleinräumige Verschiebungen vorschlagen. Diese langfristige Planung ist jedoch eine Farce. In 2 von 3 Baugesuchen ist jeweils zu lesen, dieser Standort sei im kantonalen Antennenrichtplan nicht vorgesehen gewesen.

Kein Wunder, zur Zeit nehmen die Mobilfunkanbieter jeden Standort, welcher ihnen von geldgierigen, meist konkursiten Mitbürgern angeboten wird, egal wie gut oder wie schlecht sich dieser funktechnisch eignet.

Und nicht zu vergessen, letzten Monat haben die Mobilfunkanbieter eine Milliarde Franken an sogenannten Konzessionsgebühren in die eidgenössische Staatskasse geschleust. Dafür haben sie natürlich schon zum Voraus für die nötigen staatlichen Gegenleistungen ihre Garantien zugesichert bekommen.  Nur für die paar Kubikkilometer öffentliche Schweizer Luft, bezahlen die nicht einfach so eine Milliarde. /halleluja-eine-milliarde-/

Von Hans-U. Jakob

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