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Anschuldigungen um Mobilfunkstudien weiten sich aus

aus  http://www.strahlentelex.de/Stx_08_514_E03.pdf

Als Dr. Oberfeld im Januar 2008 (s. auch ElektrosmogReport 2/2008) die Ergebnisse zur Krebshäufigkeit im Zusammenhang mit einem C-Netz-Sender in der Nähe von Graz veröffentlichte, kamen prompte Reaktionen von der Mobilfunkindustrie, in denen u. a. behauptet wurde, es hätte dort nie einen CNetz-Sender gegeben. Man sprach von „falschem Gutachten“ und man wolle gegen Oberfeld klagen. In einer Pressemitteilung von Oberfeld (27.03.2008) wird über die Reaktion des Forum Mobilkommunikation (FMK), einem Organ für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Mobilfunkindustrie, berichtet:

„Die Reihe der verunglimpfenden und desavouierenden Pressemeldungen wird vom FMK nunmehr offenbar fortgesetzt.“ Weder beim FMK noch bei dem zuständigen Ministerium war man bereit gewesen, auf Anfragen Oberfelds zu den C-Netz-Daten Auskunft zu geben, worauf Oberfeld seine Kontakte genutzt habe, um zu den benötigten Informationen zu kommen.

Später hieß es, die Daten seien gelöscht worden. Zitat:

„Die steirischen Grünen sehen in der Klage der Mobilfunkbetreiber den Versuch, einen Kritiker mundtot zu machen.“

Die Mobilfunk-kritische Institution Gigaherz in der Schweiz stellte die nahe liegende (und vielleicht die FMK verblüffende) Frage, wie denn Daten gelöscht werden können, die es gar nicht gegeben hat.

Nun werden zwei weitere Forscher in Misskredit gebracht:

Die Professoren Adlkofer (München) und Rüdiger (Wien). Ihnen wird vorgeworfen, Daten von Experimenten, die Genschäden durch Mobilfunkstrahlung hervorgebracht hatten, gefälscht zu haben. Eine Laborassistentin von Prof. Rüdiger soll die Datenfälschung öffentlich gemacht haben. Die beiden Professoren konterten, dass es einen Irrtum bei den Auswertungen gegeben habe, aber von Fälschung keine Rede sein könne, schon gar nicht in dem fraglichen Zeitraum. Die Verwaltung der Wiener.

Universität verlangte, die Veröffentlichungen zurückzuziehen.

Die jüngsten Beschuldigungen sind in ungewöhnlich scharfer Form geäußert worden, aber schon die Reaktionen der Industrie auf die Oberfeld-Studie waren heftig. Man bekommt den Eindruck, die Industrie beißt um sich, als stünde sie mit dem Rücken zur Wand. Niemand in den Medien regt sich auf, wenn in einer Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Bioelectromagnetics und von der Forschungsgemeinschaft Funk bezahlt, offensichtlich statistische Manipulationen vorgenommen werden, die auch jemandem auffallen müssen, der nicht ausgewiesener Statistiker ist. Elektrosmog-Report berichtete darüber in der Ausgabe 11/2007, S. 3. Es ging um die Einwirkung von UMTS-Strahlung auf Menschen und die Reaktionsfähigkeit bzw. Aufmerksamkeit der Testpersonen. Angeblich gab es keine Unterschiede zwischen bestrahlten und scheinbestrahlten Probanden.

Schon in dem Bericht zum FGF-Workshop vom Mai 2007, den die Forschungsgemeinschaft Funk (FGF) organisiert hatte (im Januar 2008 erschien der Bericht zu dem Workshop) war ein seltsamer Umgang mit Forschungsergebnissen zu bemerken.

Ein Thema waren die widersprüchlichen Ergebnisse von Experimenten zur Genschädigung durch Hochfrequenz (eigentlich nichts Neues). Der Tenor: Es gibt keine gentoxischen Wirkungen, und wenn eine Schädigung erfolgte, dann wäre sie thermischer Natur. Als ob das Problem damit erledigt wäre!

Das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Ergebnisse auf thermische Effekte zurückzuführen sind, dann werden diese eben bei sehr viel geringeren Strahlungsintensitäten hervorgerufen, als bisher immer (von den entsprechenden Akteuren) behauptet wurde. Und dann müssen die Grenzwerte sofort herunter. Auf dem Workshop referierte u. a. Prof. Niels Kuster von der ETH Zürich über die Versuchsbedingungen, unter denen die Experimente zur Untersuchung der Wirkung von elektromagnetischen Feldern durchgeführt werden. Er meinte, wenn die Biowissenschaftler mehr mit den Technikern reden würden, wären die Ergebnisse besser bzw. besser reproduzierbar. Man kann auch umgekehrt einen Schuh daraus machen: Wenn die Techniker sich öfter bei den Biowissenschaftlern kundig machen würden, wäre die Einschätzung der Schädlichkeit von elektromagnetischen Feldern oftmals realistischer und sachlich der Realität näher. Bis jetzt ist es überwiegend so, dass Techniker aus den Biowissenschaften und auch Physiker sich anmaßen, über Epidemiologie und Abläufe in der Zelle besser Bescheid zu wissen als die Fachleute, nämlich kompetente Mediziner, Biochemiker und Physiologen. Es scheint, als wäre der Workshop nur zu dem Zweck veranstaltet worden, die Experimente mit wissenschaftlich positiven Ergebnissen in Misskredit zu bringen. An jedem Befund irgendeiner der betrachteten Arbeit war ein Fehler zu finden, während die negativen Ergebnisse automatisch als 100%ig korrekt und akkurat durchgeführt zu betrachten sind; sie werden jedenfalls nicht diskutiert. Die Kalibrierung ist angeblich mangelhaft, die Testsysteme ungeeignet usw., als wären die Wissenschaftler, die positive Ergebnisse liefern, zu blöd, ihre Arbeit zu machen. Die Diskussion ging völlig am Problem vorbei, denn es war noch nie ein Geheimnis, dass mit lebenden Systemen widersprüchliche Ergebnisse produziert werden. Ursache ist aber neben – selbstverständlich auch vorkommenden – Fehlern schlicht die Tatsache, dass lebende Systeme äußerst flexibel und unberechenbar auf die Umwelt reagieren. Und dazu gehört auch Zellstress. In die Reihe passen die neuen Meldungen zu den Interphone-Studien.

Einige der beteiligten Forscher bewerten die Ergebnisse offenbar nun anders als zuvor. Es mutet schon seltsam an, dass, wenn die Forschung etwas nicht genehmes Signifikantes findet – z. B. erhöhte Tumorrate am Kopf auf der Seite, an der das Telefon gehalten wird –diese Ergebnisse prompt auf Irrtümer verschiedener Art zurückzuführen sind. Es wird den Patienten beispielsweise unterstellt, dass sie sich nicht richtig erinnern, wie sie ihr Telefon halten, weil angeblich der Tumor dazu führt, dass die Leute denken, sie hätten das Telefon immer an die Tumorseite gehalten. Der Tumor hat ihnen den Verstand vernebelt? Das ist geradezu albern. Gibt es allerdings keine signifikanten Unterschiede oder Widersprüche, die Ergebnisse also geeignet sind, die Bevölkerung zu beruhigen, werden keine Zweifel am Erinnerungsvermögen der Probanden oder den Versuchsbedingungen geäußert.

Die Diskussion muss also darum gehen, wie die Widersprüche gehandhabt, d. h. interpretiert werden, und zwar mit negativen und positiven Befunden. Wenn in Experimenten Schädigungen zu finden sind, dann können sie auch im realen Leben auftreten, mal mehr und mal weniger ausgeprägt, signifikant oder nicht. Und ebenso können – nicht zu vergessen – negative Befunde falsch sein oder in die Irre führen. 

Elektrosmog-Report 14 (6) – Juni 2008

Anmerkung von Gigaherz:

Die im Artikel erwähnten Wissenschaftler Dr. Gerd Oberfeld und Prof. Dr. Rüdiger werden am 6. Nationalen Gigaherz-Kongress vom 25. Oktober 08 im Stadttheater Olten als Referenten auftreten.

Es wird spannend.  Bitte jetzt anmelden unter https://www.gigaherz.ch/1349

Von Hans-U. Jakob

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