News

5G: Mobilfunkantenne dank Denkmalschutz verhindert

Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verhinderte mit Urteil 100.2020.96U am 31. August 2023 den Bau einer Mobilfunk-Sendeanlage auf dem Dach des denkmalgeschützten, alten Schulhauses an der Dorfstrasse in Thierachern BE. Die Vorinstanzen, das heisst, Gemeinderat, Regierungsstatthalter und anschliessend die Baudirektion des Kantons Bern hatten die Gutachten des Heimatschutzes und der Orts- und Landschaftsbildkommission grosszügig ignoriert und der Baugesuchstellerin Swisscom erst noch abgekauft, zur Versorgung von Thierachern mit Mobilfunk komme ausschliesslich nur dieser und sonst gar kein anderer Standort in Frage.

Von Hans-U. Jakob (Gigaherz.ch)
Schwarzenburg, 13.9.2023

So erfreulich dieser Erfolg für die Anwohnerschaft sein mag, die sich nun 3 Jahre lang in einem nervenaufreibenden Verfahren gegen den Bau dieser Anlage gewehrt hat, so bedenklich mag einem das Urteil andererseits stimmen. Denn alte Häuser werden offensichtlich besser geschützt als die Gesundheit der Menschen in deren unmittelbaren Umgebung.


Bild: Das Lukarnen-Kreuzwalmdach des alten Schulhauses von Thierachern. Ein schützenswertes Baudenkmal für die Zimmermannskunst aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts. Die durch die bestehende Sirene der Ortsfeuerwehr bereits gestörte Ansicht darf mit einem zusätzlichen Mobilfunk-Sendemast nicht noch mehr beeinträchtigt werden.

Das Verwaltungsgericht musste sich auf Antrag der Beschwerdeführenden auch mit dem Gesundheitsargument befassen und stürzte sich in seinem Urteil  prompt auf das berüchtigte Fehlurteil des Bundesgerichts 1C_100/ 2021 vom 14. Februar 2023 (Steffisburg), in welchem tatsächlich steht, dass zuerst noch abgeklärt werden müsse, ob der oxidative Zellstress, also eine beginnende Krebserkrankung, für Menschen gesundheitsschädigend sei. Kommentar überflüssig!

Das Projekt stammt noch aus den Anfängen der 5G-Technologie, das heisst aus dem Jahr 2019, aus der Zeit als es noch keine 5G-Sendeantennen gab, die im selben Gehäuse wie die 3- und 4G-Antennen untergebracht sind. Sondern in einem separaten Gehäuse auf dem Sendemast, unterhalb der 3G- und 4G-Antennen montiert wurden, und es noch für jedermann einsehbar war, dass da 5G hinkommt. Aus Geheimhaltungsgründen sollten deshalb auf dem Sendemast auf dem Dach des alten Schulhauses in Thierachern nur 3G- und 4G-Sendeantennen zu sehen sein. Die 5G Antennen sollten im Estrich drinnen angebracht werden und einerseits durch das Ziegeldach und andererseits durch 15cm dicke Backsteinmauern hindurchstrahlen. Dass das mit den im Baugesuch deklarierten Sendeleistungen von nur je 300Watt ERP gar nicht möglich war und nur deshalb so tief deklariert wurde, um bei den umliegenden Nachbarn den Strahlungsgrenzwert noch äusserst knapp einhalten zu können, interessierte das Verwaltungsgericht herzlich wenig.

Ob eine Antenne mit der im Baugesuch angegebenen Sendeleistung sinnvoll oder gar nicht betrieben werden könne, sei nicht durch das Verwaltungsgericht zu klären.
Für das Verwaltungsgericht massgebend seien die im Baugesuch deklarierten Werte und mit diesen könnten die Grenzwerte bei den Anwohnenden eingehalten werden. Punkt. Von der durch die Beschwerdeführenden beanstandeten «Erschleichung einer Baubewilligung» könne deshalb keine Rede sein. Auch dann nicht, wenn der deklarierte Antennentyp bis zu 25’000Watt ERP leisten könne, und erst recht nicht weil das wunderbare Qualitätssicherungssystem jegliche Übertretung zuverlässig verhindern würde.

Das sogenannte Qualitätssicherungssystem wurde ja bekanntlich im fatalen Bundesgerichts-Fehlurteil  1C_100/ 2021 vom 14. Februar 2023 (Steffisburg) dahingehend als sicher bezeichnet, weil mit vertretbarem Aufwand nicht etwa mehr verlangt werden könne, als dieses da:
Die Mobilfunkbetreiber senden alle 2 Monate eine elektronische Postkarte an jedes kantonale oder städtische Umweltamt mit einer Liste der Antennen auf welchen sie während der letzten 2 Monate die bewilligten Sendeparameter wann und wo und um wieviel, nicht eingehalten hätten.
Eine direkte Einsichtnahme in die in den Steuerzentralen eingestellten Sollwerte und in die vor Ort auf den Antennenanlagen gefahrenen Istwerte besteht weder für das BAKOM noch für die kantonalen, noch für die städtischen Volzugsbehörden. Das sei nicht relevant, meinen sowohl das Verwaltungsgericht, wie das Bundesgericht. Schliesslich müsse man auch der Eigenverantwortung der Mobilfunkkonzerne einen gewissen Wert beimessen.
Wie viel die Eigenverantwortung eines Konzerns heute noch wert ist, hat uns ja der VW-Diesel-Skandal sehr schön gezeigt. Und der finanzielle Aufwand steht mit einem Prozent eines Promilles des Jahresgewinns eines Mobilfunkkonzerns laut Bundesgericht offensichtlich am Limit des Zumutbaren.

Nicht verwunderlich, dass auch das Argument der Einsprechenden, die Mitarbeiter des Amtes für Umwelt des Kantons Bern seien voreingenommen und in den Ausstand zu versetzen, weil diese regelmässig als Referenten an den Propagandaveranstaltungen der Mobilfunkbetreiber auftreten, nicht gelten liess. Ganz im Gegenteil, das sei sogar erwünscht.

Aber beim Denkmalschutz, fiel dem Verwaltungsgericht gegen die Beschwerdeführenden nichts Brauchbares mehr ein. Das Ignorieren von Gutachten des Berner Heimatschutzes und der Orstbild- und Landschaftsbildkommission fand dann selbst das äusserst mobilfunkfreundliche Verwaltungsgericht zu krass und hiess die Beschwerde in dem Sinn gut, dass der Entscheid der Vorinstanz, das heisst der Baudirektion des Kantons Bern vom 19.Februar 2020 aufgehoben ist und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurückgewiesen wird.
Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden der Beschwerdegegnerin (Swisscom) auferlegt.
Die Beschwerdeführenden können alle ihre Kostenvorschüsse, die sie leisten mussten, zurückverlangen. Eine Parteientschädigung erhalten sie dagegen nicht.

Weiterführende Links:
https://www.gigaherz.ch/5g-fuenf-tapfere-bundesrichter-ziehen-den-stoepsel/

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet