News

Handyverbot an Bayerns Schulen

Das neue Gesetzt gilt ab dem neuen Schuljahr nach den Sommerferien.
Ausgerechnet Lehrer, Grüne und Linke sind dagegen. Verkehrte Welt in Bayern? Dummheit, Bequemlichkeit oder Angst vor den Kids?

Quelle: http://www.br-online.de/wissen-bildung/artikel/0603/23-handyverbot/index.xml

ab hier kommentarlos und im Orginal publiziert bei Gigaherz, 31.7.06

Im Landtag wurde am Mittwoch das Rauch- und Handyverbot an Bayerns Schulen beschlossen. Schüler dürfen künftig zwar ihr Handy dabei haben, aber nur im Notfall benutzen. Auf Kritik stösst das neue Gesetz beim Vorsitzenden des Deutschen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Im Bayerischen Rundfunk kritisierte Josef Kraus die neuen Regelungen als „aktionistische Schaufensterpolitik“.

Handys müssen in der Schule ausgeschaltet werden
Die Neuregelung schlug schon vorab hohe Wellen unter Lehrern, Eltern und Schülern. Julia geht in die achte Klasse des Nürnberger Melanchthon-Gymnasiums und hält wenig davon, dass Handys in der Schule künftig nicht mehr benutzt werden dürfen. „Das ist eine Sammelbestrafung“, so die Schülerin. Schliesslich hätten nur einige wenige Schüler mit ihren Handys Gewalt- und Pornovideos verschickt. „Gegen diese Videos habe ich schon was“, sagt Julia, aber in ihrer Klasse sei das kein Problem. Mit dieser Meinung ist die Nürnberger Schülerin nicht alleine. Das schüre Misstrauen, die Schüler geraten unter Generalverdacht, argumentieren Lehrer. Willi Eisele, Direktor eines Gymnasiums in Fürstenried, klagt, die Lehrer hätten viel zu tun, wenn sie alle Handys einsammeln sollten, die nicht ausgeschaltet sind.

Gespräch:

Josef Kraus zu Handyverbot an Schulen
Für den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes ist die Umsetzung des Verbots schwierig zu überwachen. (radioWelt, Bayern2Radio, 04:36 min.)

Mehr Pädagogik, weniger Verbote
Die Elftklässlerin Elena aus München glaubt, das Verbot löse die Probleme nicht. Lehrer sollten mit den Schülern im Unterricht mehr über solche Themen reden, damit die Schüler merken, dass Schule nicht nur Wissen vermittelt, sondern sich auch mit Alltagsproblemen auseinander setzt. Ausserdem könnten Streitschlichter an den Schulen dazu beitragen, dass Kinder frühzeitig lernen, wie man Konflikte austrägt.

Kultusminister Schneider: „Keine grundlosen Handy-Razzien“
Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider hat vor übertriebener Aufregung an den Schulen gewarnt. „Lehrer sollen Schüler nicht systematisch durchsuchen und überprüfen“, so die Meinung des Ministers. Aber sollten sie sehen oder hören, dass ein Schüler in der Pause telefoniert, können sie eingreifen und das Handy vorübergehend in Verwahrung nehmen.

Rauchverbot und andere Neuregelungen
Zitat
„Es ist wichtig, dass wir in der Schule ein klares Zeichen setzen, dass staatlicherseits gegen das Rauchen vorgegangen wird.“
Kultusminister Siegfried Schneider

Mit dem Rauchverbot reagiere man auf die immer neuen Aufträge, die der Schule von der Gesellschaft auferlegt würden, Erziehungsaufträge, die früher das Elternhaus übernommen habe. Der Minister räumte ein, als Schüler selbst geraucht zu haben, aber heute gäbe es klare Erkenntnisse über die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens.

In dem verabschiedetem Gesetzespaket sind noch weitere Regelungen enthalten, etwa die Rückstellung von Migrantenkindern mit unzureichenden Deutschkenntnissen bei der Einschulung. Auch ist es künftig einfacher möglich, Schüler von der Schule zu verweisen, die massiv den Unterricht stören. Von Seiten der Opposition wurden die neuen Regelungen als „Hauruck-Pädagogik“ kritisiert: Das neue Gesetz sei eine „pädagogische Bankrotterklärung“, so Hans-Ulrich Pfaffmann von der SPD.

Die wichtigsten Fragen und Antworten
Auslöser für das Verbot: Gewalt- und Pornovideos
Bei einer Razzia im März dieses Jahres hatte die Polizei an der Hauptschule in Immenstadt 200 Handys beschlagnahmt, auf 16 Mobiltelefonen fanden die Beamten gewaltverherrlichende Videos. Kurz darauf wurden auch an einer Schule in Kaufbeuren drei Handys mit Porno-, Gewalt- und Sodomievideos entdeckt. Auch an Schulen in Augsburg, München und im Landkreis Fürstenfeldbruck hat es derartige Fälle gegeben. Einige Schüler aus Immenstadt hatten ausgesagt, sie hätten unter dem Gruppenzwang gelitten, sich die brutalen Pornos anschauen zu müssen.

Reaktionen im Landtag auf das Handy-Nutzungsverbot
„Mit Wegverbieten lösen Sie überhaupt kein einziges Problem.“ Hans-Ulrich Pfaffmann, SPD

„Die CSU betreibt eine Bildungspolitik aus dem vorigen Jahrhundert.“ Simone Tolle, Die Grünen

Kids und ihr Handy
Kaum ein Medium ist unter Kindern und Jugendlichen so verbreitet wie das Handy. Derzeit besitzen 90 Prozent aller 12- bis 19-Jährigen ein Handy. Das Verschicken von SMS ist dabei die wichtigste Funktion, aber auch das Fotografieren gewinnt an Bedeutung. 57 Prozent der Jugendlichen haben eine Kamera im Handy. Ein Drittel aller jugendlichen Handynutzer kann per Bluetooth Daten austauschen.

Die Handys der Zukunft
Noch ist UMTS nicht richtig aus den Startlöchern, da steht mit HSDPA schon der Nachfolger bereit. Die Technik bietet noch höhere Datenraten fürs Handy – doch attraktive Anwendungen fehlen.

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet