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Der Zutrittscode zum Irrgarten:1C_113/2024

Die Mobilfunkbetreiber fuchteln den unteren Instanzen bereits wie wild mit einem neuen Bundesgerichtsurteil 1C_113/2024 vom 16.Juni 2025 unter der Nase herum, welches sie gegen ein Urteil des Staatsgerichtshofs Genf erstritten haben. Es handelt sich um die Beschwerde der Swisscom gegen das Urteil des Gerichtshofs des Kantons Genf, Verwaltungskammer, vom 9. Januar 2024 (ATA/11/2024 – A/2263/2022-LCI).
Diese neuesten Erleuchtungen aus Lausanne würden wohl zur Freude der Mobilfunkbetreiber alle bisherigen, durch das Bundesgericht erstellten Hürden bei der Anwendung des Korrekturfaktors in den Leistungsangaben zu adaptiven Sendeantennen, ausser Kraft setzen und die Bevölkerung über die unverschämte, hinterlistige Lockerung der Strahlungsgrenzwerte weiterhin im Dunkeln lassen.

Ein Kommentar von Hansueli Jakob
NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch
Lanzenhäusern, 23.September 2025

Aber Achtung: Dieses Urteil ist revisionsbedürftig, ungültig und in höchstem Masse unbrauchbar. Dieses Urteil offenbart in erschreckender Weise die Inkompetenz der Involvierten 3 Bundesrichter und ihrer Gerichtsschreiberin im Bezug auf die Immissionsberechnung nichtionisierender Strahlung aus Mobilfunk-Sendeanlagen. Entsanden ist ein wahrer Irrgarten.


Zur Begründung:
In ihren Erwägungen E3.3.2 A, Absatz 2 schreibt das Bundesgericht, Zitat: Vor dem 8. Juli 2021 wurde die Strahlung adaptiver Antennen wie bei nicht adaptiven Antennen anhand des maximalen Kommunikations- und Datenverkehrs bei maximaler Sendeleistung bewertet, d. h. auf der Grundlage von Antennendiagrammen, die den maximal möglichen Antennengewinn für jede Senderichtung berücksichtigen („Worst-Case-Szenario“). Ende Zitat.

Welch ein funktechnischer Unsinn.
Auf Grund von Antennendiagrammen lässt sich niemals ein Antennengewinn feststellen sondern ein Dämpfungsfaktor in dB, welcher aus der Abweichung der Senderichtung zu einem OMEN entsteht. Das ist kein Gewinn an Feldstärke, sondern ein Verlust.
Wer bereits über die einfachsten Regeln einer Strahlungsberechnung stolpert, sollte sich nicht anmassen, über gut fundierte und recherchierte Beschwerden von besorgten Anwohnerinnen und Anwohnern zu urteilen.
Wo immer das Bundesgericht oder die Gerichtsschreiberin diesen Satz abgeschrieben haben mag, dieser ist völlig unzutreffend. Ein Antennengewinn entsteht ausschliesslich durch die unveränderbaren, unbeeinflussbaren internen Reflektoren einer Sendeantenne und ist ausschliesslich aus den Tabellen in den funktechnischen Datenblättern der Antennenhersteller eruierbar.  Die abgestrahlte Leistung in Watt ERP einer Sendeantenne ergibt sich aus der zugeführten Leistung in Watt multipliziert mit dem Antennengewinn für das entsprechende Frequenzband.

In ihren Erwägungen E3.3.2 Absatz 4 schreibt das Bundesgericht weiter, Zitat: Dieses Modell blieb bei der Revision der NISV, die am 1. Januar 2022 in Kraft trat, unverändert. Diese Revision der NISV brachte keine wesentlichen Änderungen der Vorschriften für adaptive Antennen mit sich, sondern diente lediglich der Stärkung der Rechtssicherheit, indem diese Vorschriften direkt in der Verordnung und nicht in einer Empfehlung des BAFU verankert wurden. Entgegen der Auffassung des Gerichtshofs (Genf) ist es nicht erforderlich, den Korrekturfaktor KAA und den ERPmax im standortspezifischen Datenblatt anzugeben. Durch die Angabe der Anzahl der Subarrays wird automatisch der maximale Korrekturfaktor festgelegt, der dann während des Betriebs der Antenne angewendet werden kann. Die Angabe der ERPmax ist ebenfalls unnötig, da sie sich aus einer einfachen mathematischen Operation ergibt, nämlich der Multiplikation der ERPn mit dem maximalen Korrekturfaktor, der durch die Anzahl der Subarrays bestimmt wird (Ergänzung BAFU 2021 Ziff. 3.3.3). Ende Zitat

Das ist nebst funktechnischem auch noch mathematischer Unsinn.
Die maximal erlaubte ERP ergibt sich nicht aus der Multiplikation der ERPn mit dem maximalen Korrekturfaktor KAA, sondern aus der Multiplikation der ERPn mit dem reziproken Wert des maximalen Korrekturfaktors. Falls der maximale KAA 0.2 beträgt ist der reziproke Wert 1/0.2=5
Ein Beispiel
Wenn sich aus dem Standortdatenblatt Zusatzblatt 2 ergibt, dass nach NISV Anhang 1 Ziffer 63 ein KAA von 0.2 resultiert, heisst das nicht im Entferntesten dass die ERPn mit 0.2 zu multiplizieren ist, sondern dass ERPn mit welcher die Strahlungsprognose erstellt wird, nur das 0.2-Fache der  erlaubten ERP beträgt.
Wenn ERPn=150Watt ERP dann
ist die höchste erlaubte ERP 5mal 150 = 750Watt ERP
und nicht etwa 0.2 mal 150=60Watt ERP.

Weil offensichtlich nicht einmal Bundesrichter mit diesem funktechnischen Wissen ausgestattet sind, wie sollten es dann besorgte Anwohnerinnen und Anwohner sein. Der Staatsgerichtshof Genf hat das richtig gesehen und eine detaillierte Darstellung der ERPmax und die daraus resultierenden kurzzeitigen Spitzenbelastung der OMEN verlangt, welche kurzzeitig weit über dem als Vorsorgewert proklamierten Anlagegrenzwert liegen können.

Derselben Ansicht wie der Verwaltungsgerichtshof Genf ist auch das Verwaltungsgericht des Kantons ZH in Urteil VG.2024/00753 vom 22.Mai 2025.
In seinen Erwägungen E5.4 erklärt das Verwaltungsgericht ZH, Zitat:
5.4 Zusammenfassend stellte die Beschwerdegegnerin 1 in ihrer Baubewilligung – und in der Folge auch die Vorinstanz – auf einen unvollständigen Sachverhalt ab, was die konkrete Anwendung der Korrekturfaktoren auf die adaptiven Antennen – und somit die massgebliche Sendeleistung (ERPn) – im Standortdatenblatt betrifft. Damit verletzen sie den Untersuchungsgrundsatz nach § 7 Abs. 1 VRG. Die Beschwerdegegnerin 1 wäre im Rahmen der Vorprüfung nach § 313 Abs. 1 PBG gehalten gewesen, eine Anpassung des Standortdatenblatts zu fordern, wonach der Korrekturfaktor (KAA) und die maximal mögliche Sendeleistung (ERPmax, n) der adaptiven Antennen mit exakten Werten zu ergänzen gewesen wären.

Des weiteren Widerspricht sich das Bundesgericht in seinem hier kritisierten Urtril 1C_113/2024 vom 16.Juni 2025 selbst gleich mehrmals.
Zitat aus Urteil VB.2024/00753 des VG Zürich: Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt es nicht, wenn im Standortdatenblatt für die Mobilfunk-Basisstation einzig erwähnt wird, dass es unter den zu bewilligenden Antennen auch solche mit adaptivem Betrieb hat und dabei die Anzahl Sub-Arrays genannt wird. Vielmehr muss das Standortdatenblatt, aufgrund dessen die Baubewilligung erteilt werden soll, die konkrete Anwendung der Korrekturfaktoren auf die adaptiven Antennen darlegen (vgl. dazu BGE 150 II 379 E. 4.2; BGr, 18. Oktober 2024, 1C_310/2024, E. 2.2; vgl. auch VGr, 14. März 2024, VB.2023.00497, E. 5.4). Im vorliegenden Standortdatenblatt finden sich auf dem Zusatzblatt 2 die folgenden Angaben: „Adaptiver Betrieb mit KAA < 1“ sowie „ja“ oder „nein“. Diese Angaben bringen aber lediglich zum Ausdruck, dass ein Korrekturfaktor angewandt wird. Es ergibt sich aus dem Standortdatenblatt jedoch nicht, wie hoch dieser Korrekturfaktor für die entsprechende Antenne insgesamt ausfällt. Damit lässt sich nicht überprüfen, ob der angewandte Korrekturfaktor Ziff. 63 Abs. 2 und Abs. 3 des Anhangs 1 der NISV entspricht, welcher den zulässigen Korrekturfaktor von der Anzahl Sub-Arrays abhängig macht. Letztlich lässt sich damit auch nicht beurteilen, ob die Anlagegrenzwerte an den OMEN unter Berücksichtigung des korrekten Korrekturfaktors eingehalten wurden. Das Standortdatenblatt weist lediglich die massgebende Sendeleistung (ERPn) aus. Dies ist umso problematischer, als die Bewilligungsfähigkeit davon abhängen kann, ob eine Mobilfunkanlage mit adaptiven Antennen ohne Korrekturfaktor betrieben wird beziehungsweise ob sie den gemäss Ziff. 63 Abs. 3 Anhang 1 NISV maximal zulässigen Korrekturfaktor (KAA) nicht ausschöpft (vgl. VGr, 14. März 2024, VB.2023.00497).
Ende Zitat
Siehe auch https://www.gigaherz.ch/ausmist-aktion-beim-verwaltungsgericht-des-kantons-zuerich/

Das oben erwähnte Urteil VB.2024/00753 des VG Zürich wurde von den Konzernanwälten der Firma SALT SA beim Bundesgericht angefochten. Diese müssen es ja wissen. Es folgt bestimmt neuer Stoff für das Cabaret Rotstift?
Einer der Klägeranwälte heisst übrigens Morgenbesser. Ob es morgen tatsächlich besser wird, darf bezweifelt werden.
Und die 3 Bundesrichter, die das hier kritisierte Urteil 1C_113/2024 verbrochen haben heissen: Haag (Präsident) chaix und Kneubühler. Und Gerichtsschreiberin war Mme Tornay Schaller.

Von Hans-U. Jakob

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