Ausmist-Aktion beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Fast Unglaubliches ereignet sich zur Zeit beim sonst enorm mobilfunkfreundlichen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Plötzlich sind die seit Jahrzehnten von den Mobilfunkbetreibern verwendeten Antennendiagramme zur Erstellung von Strahlungsprognosen viel zu ungenau und Netzabdeckungskarten, die seit Jahrzehnten für das Erlangen von Sonderbewilligungen zum Bauen von Mobilfunk-Sendeanlagen ausserhalb von Bauzonen ausgereicht hatten, völlig unbrauchbar.
Von Hansueli Jakob
NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch
Lanzenhäusern, 14. August 2025
Was ist da passiert? Sämtliche mobilfunkkritische Fachleute der Schweiz rieben sich beim Durchlesen des Verwaltungsgerichts-Urteils des Kantons Zürich vom 22.Mai 2025 mit der Nummer VB.2024.00753 und Versanddatum vom 13. Juni 2025, verwundert die Augen.
Woher kommt jetzt plötzlich all die funktechnische Fachkenntnis dieses Gerichtshofes, der bisher sämtliche Klagen und Einwände in dieser Richtung als Verschwörungstheorie abgeschmettert hat.
Was ist da los? Hat sich einer der Verwaltungsrichter etwa in Mobilfunktechnik weitergebildet? Oder wurde auf dem Verwaltungsgericht ein Richter angestellt, der vor seinem Jura-Studium einen Abschluss in Elektro- oder Fernmeldetechnik gemacht hat?
Item, das Resultat lässt sich sehen:
A) In Sachen Antennendiagramme.
Zur Erstellung von Strahlungsprognosen benötigt man die sogenannten Antennendiagramme. Das sind graphische Darstellungen, wohin ein bestimmter Antennentyp mit einer bestimmten Funkfrequenz horizontal oder vertikal abstrahlt und wie stark die Strahlung aus der Senderichtung gesehen, nach aussen hin abnimmt.
Zum Bild oben: Antennendiagramme dieser Art sind ungenügend.
Die den Standortdatenblättern seit Jahrzehnten beigelegten Antennendiagramme sind viel zu ungenau. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich mit der Nummer VB 2024.00753 vom 22.Mai in E6 sind für eine brauchbare und nachvollziehbare Prognose des Strahlungswertes an einem Ort empfindlicher Nutzung (OMEN/LUS) folgende Mindestanforderungen notwendig:
a) das Diagramm muss einen minimalen Kreis-Durchmesser von 15cm aufweisen.
b) die Grad-Einteilung der Abweichung aus der Senderichtung muss in 5°-Schritten erfolgen. Die von den Baugesuchstellern dargestellten 30°- Schritte sind viel zu ungenau.
c) Die Ringe für die Richtungsabschwächung müssen im 1dB-Abstand erstellt werden. Die von den Baugesuchstellern verwendeten Ringe bei 3, 10, 20 und 30dB sind viel zu ungenau.
FAZIT: Mit den Antennendiagrammen im Standortdatenblatt können die von den Baugesuchstellern erstellten Strahlungsprognosen nicht nachvollzogen werden. Solche Baugesuche müssen nachgebessert und mit den verbesserten Antennendiagrammen nochmals neu publiziert und zur Einsichtnahme durch Betroffene neu aufgelegt werden.
Folgen:
Ca 1000 im Baubewilligungsverfahren steckenden Baugesuche für Mobilfunk-Sendeanlagen müssen abgewiesen werden.
22’000 in Betrieb befindliche Mobilfunk-Sendeanlagen der Schweiz verfügen über keine rechtskonforme Baubewilligung mehr.
B) In Sachen Netzabdeckungskarten.
Mobilfunk-Sendeanlagen gelten als industriell-gewerbliche Anlagen die ausserhalb von Bauzonen nicht zonenkonform sind und nur mittels Sonderbewilligung von den zuständigen kantonalen Behörden, wie von Umweltämtern, Raumplanungsämtern, Landschaftsschutzkommissionen usw. erstellt werden dürfen. Um eine solche Sonderbewilligung zum Bauen ausserhalb des Baugebietes erhalten zu können, müssen die Baugesuchsteller mittels Netzabdeckungskarten nachweisen, dass nur gerade der von ihnen vorgesehene Antennenstandort und sonst gar kein anderer in Frage kommt, um ihrer Aufgabe, der lückenlosen Versorgung, resp. Verstrahlung der Bevölkerung, nachzukommen.
Weil es auf den zuständigen kantonalen Amtsstellen keinerlei funktechnisch ausgebildetes Personal gibt, konnten die Baugesuchsteller bis anhin mit Netzabdeckungskarten die an Liederlichkeit keine Wünsche mehr offen liessen, eine Sonderbewilligung erschleichen. Die armen Amtsinhaber kannten von Mobilfunk nur Eines: wenn ich mich hier quer stelle riskiere ich meinen gut bezahlten Job.
Zum Bild oben: Mit Netzabdeckungskarten auf welchen kaum Ortschaften erkenntlich waren und Strassenzüge oder Höhenkurven schon gar nicht. Mit Karten für lediglich eines von 5 Frequenzbändern und ohne jegliche Angabe von Sendeleistungen, konnten sich die Baugesuchsteller jahrelang solche Sonderbewilligungen erschleichen.
Die Netzabdeckungskarte im Bild oben zum Beispiel, wurde erstellt um eine Baubewilligung im Luzerner Hinterland (Napfgebiet) erstellen zu dürfen. Grösse Postkartenformat, etwas kleiner als A5.
Auch diesem Treiben setzt nun das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich im erwähnten Urteil VB.2024.00753 ein Ende.
In E7.3 zeigt das Gericht auf, wie solche Karten zu erstellen sind:
Nämlich im Massstab von mindestens 1:5000 und nicht von 1:50’000 wie in obigem Bild und sie sind zudem mit einer vermassten Referenz-Strecke zu versehen. Es ist darauf zu achten, dass das ganze von der Mobilfunk-Sendeantenne bediente Gebiet erfasst wird. Es müssen auch alle anderen Mobilfunk-Sendeantennen eingetragen sein. Sodann ist es unbedingt erforderlich, dass sich auch bauliche Strukturen und Orts wie Strassennamen erkennen lassen. Und die farblichen Abstufungen (der Netzqualität) sind so zu wählen, dass sie gut unterschieden werden können, was insbesondere auch den Kontrast zum eigentlichen Kartenhintergrund betrifft.
FAZIT: Mit den üblichen, ungenügenden Netzabdeckungskarten in den Baugesuchen zum Bauen von Mobilfunk-Sendeanlagen ausserhalb von Bauzonen, können keine Sonderbewilligungen mehr ausgestellt werden.
Solche Baugesuche müssen nachgebessert und mit den verbesserten Netzabdeckungskarten nochmals neu publiziert und zur Einsichtnahme durch Betroffene neu aufgelegt werden.
Folgen:
Ca 100 landesweit im Baubewilligungsverfahren steckenden Baugesuche zum Bauen von Mobilfunk-Sendeanlagen ausserhalb von Bauzonen müssen abgewiesen werden.
Über 2000 in Betrieb befindliche Mobilfunk-Sendeanlagen ausserhalb von Bauzonen verfügen über keine rechtskonforme Baubewilligung mehr.
C) In Sachen antizipiertes Beweisverfahren
Weil Amtsinhaber von Baubewilligungsbehörden, selten oder nie eine Ahnung von der Mobilfunk-Technologie haben, greifen sie bei der Abschmetterung von Einsprachen und Beschwerden gerne auf das sogenannt antizipierte Beweisverfahren zurück.
Ein Juristentrick, der es angeblich erlaubt, dass Behörden in Einsprache- und Beschwerdeverfahren nur diejenigen Beweismaterialien berücksichtigen müssen, die ihnen plausibel scheinen.
Das sind dann jeweils die Amtsberichte der kantonalen oder städtischen NIS-Fachstellen. Diese sind jedoch gegenüber ihren politischen Vorgesetzten weisungsgebunden und hüten sich tunlichst vor Konfliktsituationen, weil sie das ihren Job kosten könnte. Um diese meist knappen Amtsberichte zu untermauern und sich einen Anstrich von Fachkundigkeit zu geben wird dann von der zuständigen Baubewilligungsbehörde noch seitenlang aus dem 33-seitigen Argumentenkatalog der Swisscom abgeschrieben. Zu unserem Gaudi oft noch an unpassender Stelle.
Auch diesem Unfug macht das Verwaltungsgericht ZH in seinem Urteil VB.2024.00753 ein Ende.
In E4.5 kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss: Zitat, Klärt eine Behörde den relevanten Sachverhalt nicht im erforderlichen Umfang bezw. auf fehlerhafte Weise ab, so liegt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach §7 Abs.1 VRG vor. Ende Zitat.
§7 Abs.1 steht zwar im Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons ZH. Es darf davon ausgegangen werden, dass auch die übrigen 25 Kantone identische Bestimmungen haben.
FAZIT: Für Baubewilligungsbehörden besteht eine Untersuchungspflicht auch für Einwendungen die ihnen nicht in ihr Konzept passen.
D) Vorläufig noch Kein Grund zum Feiern
Das Verwaltungsgerichts-Urteil des Kantons Zürich vom 22.Mai 2025 mit der Nummer VB.2024.00753 ist noch nicht rechtskräftig. Dieses wurde offensichtlich von den Mobilfunkbetreibern an das Bundesgericht weitergezogen.
Und wer dort das Sagen hat steht etwa hier:
https://www.gigaherz.ch/fuer-den-nobelpreis-vorzuschlagen/
FAZIT: Noch kein Grund in überschwänglichen Jubel auszubrechen, denn das Bundesgericht wird sich Zeit lassen. Seeehr viiiel Zeit. Das darf uns nicht davon abschrecken die Erwägungen des Verwaltungsgerichts ZH vom 22.Mai 2025 mit der Nummer VB.2024.00753 in allen künftigen Einsprachen und Beschwerden zu verwenden. Eine Sistierung gegenwärtiger Baugesuche für Mobilfunk-Sendeanlagen bis zum definitiven Entscheid des Bundesgerichts lässt sich allemal erreichen.
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