News

Zug um Zug aus Zug – Folge 3

Zug um Zug ??? aus Zug

Eigentümliche Bewilligungs-Praxis für Mobilfunkanlagen im Kanton Zug

Eine Serie in 3 wöchentlichen Fortsetzungen von Dr. Andr? Masson, Baar

Folge 3

12) Grenzwerte beim Gemeindehaus überschritten

Baar / Gemeindehaus / Swisscom und Baar / Bahnhof / Orange (beide getarnt)
Die gesetzlichen Immissionswerte werden ganz nahe am tarnenden Gehäuse dieser beiden kleinen Antennen kräftig überschritten, mit gemessenen 65 V/m resp. mit 124 V/m. Erlaubt wären 42 V/m beim Gemeindehaus, resp. 58 V/m beim Bahnhof. In einem Leserbrief wurde das mit einem Bild des Messgerätes veröffentlicht (Zugerbieter vom 20.1.2005). Es gab keine erkennbare Reaktion, die Sendeleistungen wurden nicht abgeschwächt. Die Gesetzesübertretung wird einfach hingenommen. Es handelt sich dabei bloss um Distanzen von 30 cm oder weniger.

Muss man diese hohen und unzulässigen Strahlungswerte mit einem speziellen Warnkleber bezeich-nen ? Diese Frage wird vom Kanton seit August 2002 „geprüft“. Zu einem Entscheid hat diese lange Prüfungszeit meines Wissens noch nicht geführt.

Die Gemeinde ersucht auf mein erneutes Drängen hin die Firma Swisscom um eine Messung ihrer Antenne beim Gemeindehaus. Swisscom antwortet mit zweiseitigem Brief,
*dass bei kleinen Antennen mit weniger als 6 W Sendeleistung in Distanzen ab 42 cm und mehr die Immissionsgrenzwerte rechnerisch einhalten werden,

*dass Swisscom bei einer Messung auf keinen Fall näher als 50 cm an die Antenne herangehen will, weil man bei der Messung in einem Schlafzimmer auch nicht näher als 50 cm an die Wände herangehen darf,
*dass neben der Verordnung über die Nichtionisierende Strahlung (NISV) auch andere Kriterien berücksichtigt werden sollen,
*dass Swisscom diese Swisscom-Antenne selber ausmessen will (und nicht wie von mir gefor-dert eine Fremdfirma damit beauftragt),
*dass es teuer und aufwändig wäre, wirklich abzuklären, ob das Reinigungs- und Servicepersonal einer Gefahr ausgesetzt ist, und dass das wahrscheinlich ohnehin nicht der Fall sei.

Trotz aller Erklärungen bleibt die Tatsache bestehen, dass das Reinigungspersonal der Gemeinde einer Feldstärke ausgesetzt wird, die gemäss NISV nicht gestattet ist. Passanten und Spaziergänger sind dabei nicht betroffen, weil die Antenne in 2.4 m Höhe montiert ist, also den Kopf überstrahlt. Das gilt aber nicht für jemanden, der auf der Leiter steht und den Dreck wegputzt oder die Lampe zu wechseln.

Swisscom stellt sich auf den Standpunkt, dass die Kriterien, welche zur Formulierung der NISV geführt haben, eigentlich erfüllt wären. Es geht dabei um die sog. SAR, um die im Kopf absorbierte Energie. Da man diese SAR schlecht messen kann, beschränkt sich die NISV auf die leichter messbare Feldstärke ausserhalb des Kopfes. Diese Werte sind jetzt juristisch gültig in der NISV festgeschrieben, und alle Erklärungen helfen nicht darüber hinweg, dass sie nicht eingehalten werden können.

Fazit: Die geltenden gesetzlichen Grenzwerte können ganz nahe an den kleinen, versteckten Antennen nicht eingehalten werden.

12b) Grenzwerte bei Baurenovation überschritten

Zug / Schmidgasse / Orange (getarnt)
Eine der ersten getarnten Antennen ist mit Foto zu sehen unter /getarnte-antennen-im-zugerland/ ganz am Schluss des Artikels. Unterdessen sind vier Jahre vergangen, das Haus wird einer Renovation unterzogen. Baufachleute haben grob und unsorgfältig ganze Bereiche der Hausfassade geöffnet, um die darunter liegende Bausubstanz zu untersuchen.

Getarnte Antennen im Zugerland Beitrag Nr 331 aus dem Gigaherz-Archiv

Die Orange-Antenne (rechts im Bild) hängt noch an ihrem Kabel, wurde verschoben, irgendwie behelfsmässig hingelegt. Trotzdem sendet die Antenne noch und steht weiterhin im Betrieb!!! Niemand hat den Sender abgestellt. Die Metallbleche, welche die Strahlung gegen das Innere des Hauses abschirmen, sind entfernt ??? es klaffen Löcher im Haus.

Hier sind die Immissionsgrenzwerte mit Sicherheit überschritten worden. Ein Bauhandwerker, welcher vermutlich von gar nichts wusste, hat die Antenne direkt in den Händen gehalten. Wäre ein Warnkleber vorhanden gewesen, so hätte der Handwerker unabhängig von allen organisatorischen Pannen und Mängeln mit eigenen Augen gesehen, was er da für einen seltsamen Propeller abmontieren muss. Die Grenzwertverletzung hätte verhindert werden können ??? entweder durch Abschalten des Senders, oder mit eigenmächtigem Durchschneiden des zuführenden Kabels.

Fazit: Die Grenzwertverletzungen bei den Mikrozellen lassen sich nicht nur voraussagen, sondern auch hinterher dokumentieren. Der normale, rauhe Alltag hält sich nicht an die weltfremden Theorien der Behörden.

13) Grenzwerte am Kopf überschritten

Mobiltelefon in der Hand
Es muss daran erinnert werden, dass auch jedes Mobiltelefon die höchstzulässigen Grenzwerte gemäss NISV überschreitet. Niemand könnte mobil telefonieren, wenn man die Grenzwerte einhalten müsste! Es geht dabei nicht um die typisch schweizerischen, ca. Faktor zehn strengeren Grenzwerte, sondern um die internationalen höheren Werte; sie lassen sich nicht einhalten, wenn das Mobiltelefon mit seiner maximalen Leistung sendet (z.B. beim Einwählen, oder beim Gespräch mit schlechter Verbindung).

Damit man trotzdem telefonieren kann, sind die Mobilgeräte aus der NISV ausgeklammert worden ??? ansonsten könnte man die Mobiltelefone nicht mehr auf den Markt bringen. Bereits in der begleiten-den Botschaft zur NISV hat der Bundesrat erklärt, er wolle keine Handelshemmnisse aufstellen, und er könne nicht „im Alleingang“ etwas unternehmen (die internationalen Grenzwerte sind wahrscheinlich in jedem Land gültig!!). In der Schweiz gilt die NISV deshalb nur für „ortsfeste Anlagen“, also nicht für Strahlungsquellen, welche man mit sich herumträgt.

Die Mikrozellen sind aber ortsfeste Anlagen. Wenn sie die NISV verletzen, ist das juristisch nicht erlaubt. Die Sendeleistungen von Handy (max. 2 W) und von Mikrozellen wie beim Gemeindehaus in Baar oder an der Schmidgasse in Zug (max. 6W) sind einigermassen vergleichbar.

Fazit: Ein Mobiltelefon kann die Grenzwerte nicht einhalten, wenn es mit voller Leistung strahlt. Man hat deshalb die Verordnung beim Handy für ungültig erklärt.

14) Märchen und Sagen

Baar / Allenwinden / Swisscom & Orange (und weitere Anlagen)
Stets haben die Betreiber und die Bundesbehörden (z.B. der ehem. Präsident der ComCom) vorausgesagt: Die neuen UMTS-Sender werden mit viel schwächeren Leistungen betrieben werden als bei der bisherigen Technik. Noch heute steht auf der Homepage des BAKOM, dass „maximale Sendeleistun-gen von 300 bis 400 W ERP“ angenommen werden. (ERP bedeutet ungefähr: „scheinbare Leistung“, d.h. zwar vom Standort des Empfängers aus betrachtet).

Die Realität zeigt das Gegenteil. Während früher, d.h. bei viel weniger Antennenstandorten, mit Leis-tungen von 300 W ERP, später 700 W ERP gesendet wurde, ist in Allenwinden / Baar jetzt eine Anlage bewilligt worden, deren Leistung allein im UMTS-Bereich und allein durch Swisscom bereits 1900 W ERP beträgt ??? in einer einzigen Richtung! Das ist das Fünffache der behördlich vorgegaukelten „maximalen Sendeleistung“!

Nie wagt eine Bewilligungsbehörde, die Baubewilligung zu verweigern, weil das Versprechen der „viel schwächeren UMTS-Leistung“ derart krass missachtet wird. Nie fordert eine Behörde Rechen-schaft darüber, wieso bei mehr Antennenstandorten (d.h. bei immer kleinerem Versorgungsgebiet) die Leistungen der Sender trotzdem stets grösser werden.

Fazit: Das Versprechen der viel geringeren UMTS-Sendeleistungen hat sich ins Gegenteil verkehrt.

15) Auch Techniker erzählen Märchen

Es sind ??? noch vor der Betriebsaufnahme der UMTS-Anlagen ??? andere Prognosen gewagt worden, welche sich heute als grundfalsch erweisen. So wurde oft behauptet, das UMTS-Signal werde sich messtechnisch mit einfachen Empfängern gar nicht mehr nachweisen lassen, da es geringer sei als das Grundrauschen.

Die Realität sieht vollständig anders aus. Aus Angst davor, das Geld in den Sand zu setzen, habe ich nicht gewagt, ein echtes, teures Messgerät anzuschaffen. Bereits ein viel einfacherer Empfänger (IC-R3 der Firma icom) zeigt das UMTS-Signal allerdings sehr kräftig an. In Baar hat es auf der Velobrü-cke über die Altgasse (neben SBB) so starke UMTS-Strahlung von der Station Neuhofstrasse her (Distanz 340 m), dass das Messgerät selbst bei abgeschraubter Empfangsantenne an keiner Stelle et-was anderes anzeigt als Vollausschlag, Überlauf! Und dies erst noch bei schmalbandigem Empfang von nur 12 kHz, während UMTS auf einer Breite von 5 MHz sendet. Empfangen werden also bloss zwei Promille der Leistung, welche beim Empfänger ankommt ??? und die Leistung ist nochmals drastisch reduziert, weil die Antenne ja ganz abgeschraubt ist. Die Prognose „nicht messbar“ ist unglaublich falsch ??? da haben sich die Techniker um einen Faktor 1000 oder 10’000 „getäuscht“. Allerdings ist diese „breitbandige Strahlung“ ziemlich neu, es gab bis vor kurzem noch kaum Erfahrungen damit.

Fazit: Auch Techniker täuschen sich gewaltig.

16) Wie hebt man den Deckel, wer schaut in den Topf hinein ?

Es gab vor knapp vier Jahren eine schreckliche Schiesserei im Zuger Kantonsrat, weil der Attentäter zuvor nicht mehr mit den Behörden zurechtkam. Der Kanton hat darauf einen Vermittler engagiert, um in ausweglosen Konflikten mit kantonalen Behörden zu vermitteln. Auf Grund der hier beschriebenen Seltsamkeiten (die aber schon viel früher begannen!) darf man wohl sagen, es bestehe eine Konfliktsituation. Deshalb habe ich mit dem Vermittler Kontakt aufgenommen, schon kurz vor seinem Amtsantritt.

Der Konfliktvermittler hat keine leichte Aufgabe. Er stellt sich auf den Standpunkt, er wolle vermit-teln, und nicht beurteilen. Er will bewusst keine neue Instanz darstellen, welche sich ein Urteil bildet über vorgekommene oder behauptete Unregelmässigkeiten. Komme ich also mit einer ganzen Liste von unrecht gelaufenen Dingen, und sage voller Hoffnung „jetzt schauen Sie doch bitte selber, wie schief das gelaufen ist“ ??? so höre ich immer das gleiche Echo vom Konfliktvermittler: „Ich will das nicht selber beurteilen“.

Die technisch anspruchsvollen Themen bringen es mit sich, dass der Konfliktvermittler vom fachlichen Urteil des Amtes für Umweltschutz abhängig ist, dessen Entscheide geprüft werden sollen. Es gibt aber auch viele juristische Fragen, wie z.B.: Welche Behörde ist für was zu-ständig ? Wieso kann die Gemeinde und der Kanton etwas verbieten, was nach Bundesrecht erlaubt ist ? Auch hier bildete sich der Konfliktvermittler (ein ausgebildeter Jurist) kein eigenes Urteil! Standhaft und konsequent ist er, wirklich ??? aber eine Hilfe für den Recht-Suchenden ist das nicht.

Die einzige, am Anfang kurz und probehalber beigezogene externe Fachperson verwechselte bei der Dachantenne auf dem Bahnhof Zug den Anlagegrenzwert (für empfindliche Orte) mit dem Immissionsgrenzwert (für das Bahnhofdach).

Bald spielte sich folgendes Spiel ab: Der Baudirektor tat nichts mehr und gab keine Antworten mehr ??? er wartete auf Anweisungen des Konfliktvermittlers. Und der Konfliktvermittler sah seine Rolle eben gerade darin, keine Anweisungen zu geben. So wurde alles blockiert.

Kommt man mit einer Aufsichtsbeschwerde weiter ? Der Landschreiber teilt mit,
*dass die Behörden bei einer Aufsichtsbeschwerde keine umfassende Überprüfungsbefugnis haben,
*dass die Aufsichtsbeschwerde nicht zulässig sei, wenn man schon einmal ein normales Rechts-mittel hätte ergreifen können oder in einem abgeschlossenen Verfahren tatsächlich ergriffen habe. Da ich schon mehrmals Einsprache gegen eine Antenne erhoben habe, ist eine Auf-sichtsbeschwerde offenbar nicht mehr möglich. (Wie bitte ?? Jeder Fall ist ja immer wieder anders ? Wie lange bleibt man nach einer Einsprache ausgesperrt ? Das ist alles sehr, sehr be-fremdlich!!)
*dass die untersuchenden Behörden dem Beschwerdeführer nur mitteilen müssen, dass oder wie das Verfahren abgeschlossen worden sei; sie müssen aber keine konkreten Begründungen machen. Der Kanton muss also nicht bestätigen oder widerlegen, ob etwas schief gelaufen ist.

Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Aufsichtsbeschwerde nicht in Frage.

Fazit: Es ist juristisch unmöglich, das Amt für Umweltschutz von aussen zu beeinflussen, zu kritisieren, oder von ihm Rechenschaft zu verlangen. Alle Gemeinden sind vom Urteil dieses Amtes abhängig, und das ganze „Fachwissen“ auf kantonaler und kommunaler Ebene ist einzig und allein dort angesie-delt. Deshalb gibt es keine Möglichkeit, das Amt in seinen Ideen und Ansichten von aussen her zu beein-flussen.

Die früheren folgen finden Sie unter:
Zug um Zug aus Zug – Folge 2 (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet